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Warum Katersex der beste Sex ist

Illustration: Federico Delfrati

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Die Alkolumne handelt vom Trinken. Von den schönen und schlechten Seiten dieses Zeitvertreibs und den kleinen Beobachtungen und Phänomenen an der Bar. Aber egal, worum es grade geht, lieber Leser – bitte immer dran denken: Ist ungesund und kann gefährlich sein, dieser Alkohol.

Es hält sich unter deutschen Fernsehfilm-Regisseuren ja das Gerücht, dass man Menschen am besten abschleppt, indem man sie nach einem spendierten Drink, einem dreiminütigen Gespräch und einem gemeinsamen Heimweg (in Fernsehfilmen sind alle Nachbarn) fragt, ob sie noch „auf einen Kaffee hochkommen wollen“. Dort fällt man dann übereinander her und geht am nächsten Morgen aus Prüderiegründen mit der Bettdecke ins Bad.

In der Realität eines jungen Menschen im Jahr 2017 sieht das ganze aber so aus: Nach stundenlangen Sauf-Exzessen entscheidet man sich frühmorgens für ein WG-Zimmer, wo man irgendwann zwischen 6 und 9 Uhr morgens landet. Im Bestfall ist es noch einigermaßen dunkel, im Schlimmstfall sitzt der Mitbewohner schon am Frühstückstisch.

Kaffee will jetzt wirklich niemand, aber das war ja schon vor 50 Jahren so. Was sich aber nach wie vor gehalten hat, ist die Vorstellung, dass man jetzt gefälligst ausufernden Sex haben muss, egal wie hackedicht oder hundemüde man ist. Der ist dann oft beschissen, geht schief oder gar nicht, oder wird am nächsten Tag bereut.

Viele vergessen dabei leider, dass es eine so viel fantastischere Alternative gibt: Katersex, die einzig gute Seite der Alkohol-Nachwirkungen, für manche sogar der beste Sex überhaupt.

Das Setting: Restgifte im morgendlichen Körper machen jede andere Art von Tätigkeit zur Qual, man bereut den ein oder anderen Drink, im Mund eine Wüste, eigentlich müsste dies oder das noch erledigt werden, heute unmöglich, schlechtes Gewissen. Aber da neben dir liegt jemand, dem es exakt genauso geht. Und der dir sicherlich keinen Arschtritt zum Aufstehen verpassen wird, sondern die maximal beste Ausrede, noch ein bisschen liegenzubleiben. Das Hirnareal mit den Alltagsproblemen ist bei ihm ebenso sediert, der Tag für nichts zu gebrauchen. Nichts wäre jetzt schlimmer, als sich nun im grauen Morgennieselregen zwischen Kinderwagen und Menschen mit festen Arbeitsverhältnissen hindurch nach Hause zu schieben. Warum nicht bleiben?

Menschen in festen Beziehungen wissen das längst

Die Libido, die man in der Nacht davor gerade noch hätte erzwingen können, steht jetzt nämlich plötzlich auf Anschlag. Das ist zunächst mal erstaunlich, vielleicht liegt es aber eben gerade daran, dass das Hirn momentan auf Steinzeitmensch-Standby läuft. Der Sex ist dann nicht nur großartig und gerne auch zwei- oder dreifach zu haben, sondern scheint auch eine dermaßen reinigende Wirkung auf die Synapsen zu haben, dass der Tag danach plötzlich um einiges freundlicher erscheint. Menschen in festen Beziehungen wissen das längst.

Es ist erstaunlich, dass sich in Single-Kreisen noch nicht herumgesprochen hat, dass ein Tag voller Sex besser ist als ein halbkomatöser Zweiminüter. Klar, Meisterinnen ihres Faches könnten auch gleich beides mitnehmen. Wer aber das hier vorgestellte Konzept in Frage stellt, weil es sich der potentielle Sexpartner nüchtern ja noch anders überlegen könnte, sollte sich lieber grundsätzlichere Fragen stellen. Denn, auch wenn wissenschaftliche Belege für den Zusammenhang von Restalkohol und Libido bisher fehlen, sollte klar sein: Die neue Antwort auf das gute alte „Voulez-vous coucher avec moi“? lautet „demain!“.

* Der Autor dieses Textes möchte anonym bleiben. Muss ja nicht jeder wissen, wann er am liebsten Sex hat.

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