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Das Wassermaxx-Problem

Foto: photocase.com

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Ich mag Wasser mit Kohlensäure. Leider ist es mit einem freudvollen Alltag nicht zu vereinbaren, wöchentlich Wasserflaschen in die Wohnung und die Kisten mit dem Pfand später wieder rauszutragen. Das sollen fleißigere Leute machen, Leute, die auch wöchentlich den Boden wischen oder Leute, die ihr Gerümpel sofort zum Wertstoffhof fahren. Ich gebe mich derweil mit Leitungswasser zufrieden.

Schön wäre es natürlich, ich könnte mein Leitungswasser mit Kohlensäure versetzen. Dafür gibt es Geräte. Leider kann ich sie mir nicht anschaffen. Sie sind so hässlich, dass ich Angst habe, ihre Hässlichkeit könnte mich zu jemandem machen, der ich nicht sein will. 

Jemand, der leidenschaftlich gern Essensreste wegtuppert. Jemand, der sich immer mehr hässliche Dinge anschafft und immer wieder halb ironisch drüberstehend „Naja, aber ist doch praktisch“ sagt. Und dabei gar nicht merkt, wie er langsam, ganz langsam eine Grenze überschreitet.

Das Ende vom Lied ist dann, dass man sechs von sieben Tagen Crocs trägt und dazu ultraleichte Siebenachtelhosen

 

Das Ende vom Lied ist dann, dass man sechs von sieben Tagen Crocs trägt und dazu ultraleichte Siebenachtelhosen, an die man, wenn es kühler wird, noch das letzte Hosenachtel dranklettet. Man geht irgendwann im Wohnmobil campen, grillt leidenschaftlich gern Würstchen, kauft beim Homeshopping-Kanal, klebt sich Post-its mit Motivationssprüchen und Rückenübungsanleitungen in den Hausflur, legt sich abends mit einer elektrischen Heizdecke in den ergonomischen Ruhesessel und fährt mit Lifta dem Treppenlift ins Bett. Den sonntagnachmittaglichen Hunger stillt man durch den Einsatz vom Sandwichtoast aus dem Sandwichtoaster, dazu trinkt man kalorienarme isotonische Limonade von Lidl. Man schafft der Katze einen Kratzbaum von Fressnapf an, im Bad gibt es neben der elektrischen Zahnbürste mit Zungendusche einen riesigen runden Föhnaufsatz mit Noppen dran. Eh man sich versieht, verwendet man Ausdrücke wie „Duliebesbisschen“, „Brekkies“, „Platzdeckchen“, oder: „Und Sonnabend schön bummeln auf der Reisemesse“.

Neulich war ich bei einer Freundin zu Besuch für einige Tage. Sie hatte einen Sodastream. Oder einen Wassermaxx. Egal, denn jedenfalls rief ich ihr entgeistert zu: „Wieso hast du sowas?“ Sie rief aus dem Badezimmer: „Hat meine Mutter mir geschenkt. Ich weiß, ist schrecklich, aber total praktisch.“ Nach dem ich ein paar Mal geübt hatte, verstand ich, wie das Ding funktioniert. Fleißig produzierte ich Tag für Tag frisches Sprudelwasser. Nachts kam ich betrunken nach Hause und machte mir barfuß im Dunklen noch schnell eine frische Flasche. Sie war kühl und frisch und britzelte in meinem Ohr wie ein klarer Alpenbach. Das Glas war herrlich kühl an meine Lippen. Ich stürzte sie hinunter und der Rausch war beinah kuriert. Ich wollte auch so ein Ding.

Ist so ein Designer stolz auf seine Arbeit, wenn dabei ein Fiat Multipla oder ein Wassermaxx herauskommt?

 

Ich weiß nicht, warum so viele Produkte so schrecklich sind. Vor allem: so schrecklich aussehen. Man könnte sicherlich einen ansehnlichen Wassermaxx oder Sodastream gestalten (und dem Produkt dann gleich auch noch einen schönen Namen geben). Was ich nicht verstehe, ist, dass hinter jedem Produkt ein Produktdesigner steht, der wissen müsste, dass es zeitloses, gutes Design gibt. Er müsste wissen, wie man sich diesem zumindest in der Theorie annähert. Ist so ein Designer stolz auf seine Arbeit, wenn dabei ein Fiat Multipla oder ein Wassermaxx herauskommt? Ich weiß es nicht.

Ich weiß nur: Ich brauche jetzt einen. Auch, wenn ich weiß, dass dann Freunde bei mir zu Besuch sein werden und fragen: „Wieso hast du sowas?“

Also rede ich mir ein: Noch uncooler, als so ein Teil zu haben, ist es, Angst davor zu haben, dass so ein Teil einen uncool macht.

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