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Kanye im Kino - "Richtig sick. Das ist Kunst"

Foto: Andrew Kelly/Reuters

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An der Tür, durch die es zur musikalischen Offenbarung geht, ist ganz schön was los. Es ist 22.30 Uhr, die Hauptspielzeit der großen Filme also schon vorbei, und doch warten viele Menschen in einer langen Schlange vor Kinosaal 2 in diesem Münchner Kino. Warum, lässt sich auf den ersten Blick nicht sagen. Keine Plakate, keine Pappaufsteller. Stattdessen: Überall die gleichen Schuhe. Sie sind mal sandfarben, mal schwarz, mal grau – aber das Modell ist immer dasselbe. Designt von Rapper Kanye West, in limitierter Auflage. Auf Ebay legt man schon mal ein paar Tausender dafür hin. Hier sind sie nichts besonderes. In einer Vierergruppe Jungs trägt jeder Yeezys.

„Ich bin krass gespannt auf die Show“, sagt einer in die Runde. Sie dürften um die 20 sein und tragen die Uniform des Abends zu den Yeezys: enge Jeans (je zerrissener, desto besser) und minikleidchenlange T-Shirts, fast bis zum Knie. „Ja ich auch“, antwortet ein anderer. „Ich glaube, das Album wird richtig böse.“

Ja richtig, all die jungen jungen Menschen (Ü-30-Jährige lassen sich an einer Hand abzählen) sind hier, weil Kanye West sein neues Album und gleichzeitig seine neue Modekollektion präsentieren wird. Er tut das natürlich nicht im Kinosaal 2 am Isartor, sondern im New Yorker Madison Square Garden (vor 20.000 Menschen), von wo aus das Event weltweit in Kinos gestreamt wird. 15 Euro kostet ein Ticket, zwei Säle hat das Kino bereitgestellt – und voll bekommen.

„Live in New York dabei zu sein, wäre schon auch geil“, sagt Paul, Popcorn kauend. „Spinnst du? Als Normalsterblicher bekommst du da doch keine Karten“, antwortet Anna, seine Freundin. Die beiden 23-Jährigen sind fast 45 Minuten gefahren, um die Show wenigstens im Kino zu verfolgen. Vor zwei Tagen hat Kanye sein Album zum vierten Mal umbenannt, „T.L.O.P.“ heißt es, „The Life of Pablo“, und Paul und Anna werden es kaufen, das wissen sie schon, bevor sie einen Ton gehört haben. "Das gibt’s bestimmt nur bei dem Streaming-Dienst von Jay-Z", sagt Paul. "Wie heißt der noch mal? Auf jeden Fall sind Jay und Kanye doch Homies."

Kanye stellt sich an einen Laptop, drückt und fuchtelt etwas herum

Rein in den Saal, es geht gleich los. Als dann auf der Leinwand erst die Kardashian-Schwestern und dann Kanye in die New Yorker Halle einlaufen, sind in München vereinzelte Juchzer zu hören. "Schau hin, Kanye hat eine Yeezy-Cap auf", sagt ein Mädchen. Sie trägt "Kim-Braids" – hat sich ihre langen Haare also in zwei großen Zöpfen eng an den Kopf geflochten. So wie Kanyes Ehefrau Kim Kardashian neulich.

Dann beginnt die Show. Kanye stellt sich an einen Laptop, drückt und fuchtelt etwas herum. Nichts passiert. Leichte Unruhe im Münchner Saal. Dann ertönen doch die ersten Klänge seines neuen Albums. Des "besten aller Zeiten", wie er ankündigt. Klar. Mehrere Jungs rufen: "Lauter!

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Kanye West mischt Musik und Mode und präsentiert auf der "New York Fashion Week" seine neue "Yeezy-Kollektion und sein neues Album.

Foto: Andrew Kelly/Reuters
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Foto: Andrew Kelly/Reuters
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Foto: Andrew Kelly/Reuters
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Foto: Bruce Barton/AP

 

 

In New York fordert Kanye die 20.000 Zuschauer zum Tanzen auf. In München sitzt man lieber. Zwischen den vielen Pausen während der Tracks hört man Popcorn rascheln und Nachos knacken. Als eine große Plane gelüftet wird und die vielen, vielen Models mit Kanyes neuer Kollektion preisgibt, starren unbewegte Gesichter in Großaufnahme von der Leinwand auf unbewegte Münchener Gesichter, die im Takt nicken. Oder es zumindest versuchen. Wer Kanye-West-Fan ist, kann offenbar nicht zwangsläufig auch etwas mit den Menschenaufstellungen der italienische Künstlerin Vanessa Beecroft anfangen.

 

„Richtig sick. Das ist Kunst“

 

Stimmung kommt nur auf, wenn die Kamera in New York bekannte andere Rapper oder Naomi Campbell einfängt. Spürbare Begeisterung lösen weder Klamotten noch Musik aus. Bis Kanye rappt: "I love you like Kanye loves Kanye." Das Publikum lacht laut. Es lacht noch lauter, als Kanye plötzlich ankündigt, ein Videospiel programmiert zu haben. Das führt er dann auch noch vor, verpixelte Figuren im Nintendo64-Stil erscheinen. "Alter, der Typ ist so durch", sagt das Flecht-Mädchen. "Richtig sick. Das ist Kunst", antwortet ihr Sitznachbar. 

 

Nach einer guten Stunde ist alles vorbei. Die zehn neuen Songs von "T.L.O.P" hat Kanye abgespielt, seine unübersichtliche Menge an Klamotten präsentiert, er sagt Tschüss. Wie sich ersteres anhört, kannst du hier lesen.  Aber halt, Kanye will noch was ankündigen. "Wir werden mehr Schuhe in den Verkauf geben und unsere Preise senken", sagt er in New York. In München klatschen daraufhin ein paar Kinobesucher.

 

Nach der Vorführung sammeln sich die Yeezy-Träger in Grüppchen draußen in der Kälte. "Eine Frechheit", sagt Moritz, 19. "Ich dachte, er zieht eine ordentliche Show ab, stattdessen hampelt Kanye nur ein bisschen vor seinem Laptop rum." Sein Kumpel Fabian sieht das ähnlich: "Und wir haben ihn mit unseren 15 Euro dabei auch noch unterstützt." Daneben steht ein dritter Junge und lächelt, ehe er sich ins Gespräch einmischt. "Aber hey, es hatte doch auch was positives", sagt er. "Die Schuhe werden billiger."

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