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Das ist…Pjotr Pawlenski, der seinen Mund aus Protest zugenäht hat

Foto: Yuri Kochetkov/dpa

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Das ist …

... Pjotr Pawlenski, 32 Jahre alt und berüchtigter Aktionskünstler aus Russland. Sein selbsterklärtes Ziel ist ähnlich wie das der Band Pussy Riot: Er wolle, so sagt er sinngemäß, die Regierung, die ihre Bürger unterdrückt und misshandelt, anprangern und so etwas in der Gesellschaft bewegen. Er zeige mit seinem Leben, dass man sich auch in Russland viel mehr Freiheit nehmen könne, als den Machthabern lieb sei, sagte er 2016 der Zeitung Die Presse. Seit Kurzem ist er nun doch auf der Flucht. Nicht wegen seiner öffentlichen Performances, sondern wegen des Vorwurfs der sexuellen Gewalt. Die Anzeige hat eine junge Frau gestellt. Doch Pawlenski sagt, diese Anzeige sei vom Kreml eingefädelt, weshalb er nach eigener Aussage nun in Frankreich ist und dort um politisches Asyl bittet.

Der kann ...

… körperliche Schmerzen offensichtlich gut aushalten. 2012 nähte er sich aus Solidarität mit Pussy Riot den Mund zu. 2013 waren dann seine Hoden auf dem Roten Platz festgenagelt.  Ein Jahr später schnitt er sich auf dem Dach einer Psychiatrie ein Ohrläppchen ab (zu Sowjetzeiten wurden Regimekritiker gerne in Kliniken “ruhiggestellt”). Als er in seiner Heimatstadt St. Petersburg Reifen anzündete, gab es eine Anklage wegen ideologisch motiviertem Vandalismus.

Bei Pawlenskis Aktionen fließt oft Blut – gegen Gewalt gegen andere spricht er sich aber aus. Allerdings hatte er 2016 den “Václav-Havel-Preis für kreativen Dissens” von der Human Rights Foundation schlussendlich nicht bekommen: Die Stiftung zog ihn zurück, weil Pawlenski das Preisgeld den “Fernöstlichen Partisanen“ zugute kommen lassen wollte – einer Gruppe, die mehrmals wegen Polizistenmorden verurteilt wurde. Nachdem Pawlenski 2015 die Tür der Geheimdienstzentrale Lubjanka in Moskau angezündet hatte, war er einige Wochen in der Psychiatrie und sieben Monate in U-Haft. Die Strafe von umgerechnet etwa 7000 Euro hat er bis heute nicht bezahlt – und will auch nicht, dass jemand sie ihm “spendiert”.

Der kommt …

... aus als bürgerlich geltenden Verhältnissen: Sein Vater war Wissenschaftler und seine Mutter Krankenschwester. Er ging ganz normal zur Schule, schickt seine fünf und acht Jahre alten Töchter aber nicht dorthin. Damit der Staat keinen Druck auf ihn ausüben kann, indem er die Kinder vom Unterricht ausschließt, sagt er. Auch der Ehe verweigere er sich, weil sie eine staatliche Institution ist.

Der geht …

... jetzt in die Offensive. In einem Facebook-Post, den unter anderem der Berliner Verlag ciconia ciconia veröffentlichte, nimmt er Stellung zu den Vorwürfen der sexuellen Gewalt: Alles erfunden, die junge Anklägerin sei vom Kreml auf ihn angesetzt worden. Sie habe sich ihm und seiner Freundin, mit der er in einer offenen Beziehung lebt, vor einigen Monaten “angenähert”, schreibt er. “Sie ist Schauspielerin an einem Moskauer Oppositionstheater, weswegen wir auch keinen Verdacht schöpften.” Doch dann sei er am Moskauer Flughafen von der Polizei aufgegriffen und stundenlang verhört worden. “Die Zersetzungsmaßnahme wurde erfolgreich durchgeführt”, schreibt er, doch “das Leben wird zeigen, wem das letzte Wort gehört”.

 

Wir lernen daraus…

...dass die Lage für Pawlenski jetzt Ernst ist. Der Provokateur ist Strafverfahren zwar gewohnt. Doch diese Vorwürfe wiegen besonders schwer, auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt ist, was zwischen Pawlenski und der Frau vorgefallen ist. Welche der Beteiligten die Wahrheit sagen. Und welche Rolle die Polizei spielt. Pawlenski drohen bei Anklage bis zu zehn Jahre Haft in Russland.

 

Nur Google weiß, dass…

….eine St. Petersburger Burger-King-Filiale Pawlenski mal für PR benutzen wollte. 2016, zu ihrem sechsjährigen Bestehen, brachte sie der russischen Tageszeitung Kommersant zufolge einige Wochen lang spezielle Burger raus: Einer war in essbaren Stacheldraht gewickelt, ein anderer auf einer Seite verbrannt und der dritte teilweise zugenäht. Beim vierten Burger war ein Ei auf der Bulette “festgenagelt”, eine Hommage an die Roter-Platz-Aktion. Ein bisschen Kultur wollten sie so “unter die Massen” bringen, ließ der US-Konzern Kommersant zufolge verlauten.

 

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