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Eine Influencerin hat ihren angeblichen Motorradunfall auf Instagram dokumentiert

Screenshot: Twitter/Tanya Chen

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Angenommen, man macht eine Motorradtour mit Freunden, um den schönen Tag zu genießen und ein bisschen durch die Gegend zu kurven. Was tut man, wenn man dann eine dieser Kurven zu eng nimmt, hinfällt und verletzt auf den Notarzt wartet? Der gewöhnliche Mensch würde nun vermutlich versuchen, Schmerzen zu lindern und die Unfallstelle zu sichern. Maßnahmen, die man schon in der Fahrschule gelernt hat.

Aber natürlich gelten solche Normalo-Regeln nicht für Influencer, die jede Gelegenheit nutzen müssen, um Content zu produzieren und ihre Werbeverträge zu erfüllen. Tiffany Mitchell aus Nashville ist eine solche Influencerin, die ein Leben führt, bei dem man sich als Laie in Influencer-Angelegenheiten immer fragt, woher das Geld kommt und welche längerfristigen Pläne die Frau für ihr Leben hat.

Mitchell hat es nun also bei ihrer Motorradtour etwas anders gehandhabt als die Normalos: Vor ungefähr zwei Wochen unternahm sie mit mehreren Freunden (darunter eine Fotografin) eine Fahrt durch Tennessee. Dabei krachte sie nach ihren eigenen, relativ ausführlichen Erzählungen in einer Kurve auf die Straße und war völlig benommen. Schnell kamen ihre Freunde zu ihr, checkten, ob sie schwerer verletzt war, versorgten sie mit Wasser – und fotografierten die ganze Szenerie in einem Stil, der auch Fleischwunden bemerkenswert ansehnlich erscheinen lässt.

Nachdem sie die Bilderreihe online gestellt und dazu einen langen Text verfasst hatte, in dem sie über das Erlebte schrieb und über das große Glück, überlebt zu haben, bekam sie von ihren mehr als 200 000 Followern nach eigenen Aussagen viel Zuspruch. Bis die ersten anmerkten, dass es ihnen doch etwas eigenartig vorkomme, dass Mitchell diese Bilder überhaupt veröffentlicht hatte. Ganz zu schweigen von der wunderlichen Tatsache, dass die Marke der auf einem Bild prominent abgebildeten Wasserflasche so besonders gut sichtbar ist.

Kurz darauf entdeckte eine Redakteurin von Buzzfeed den Insta-Post, schrieb darüber und griff dabei auch die Kritik auf, die in den Kommentaren laut geworden waren. Daraufhin nahm Mitchell ihren Post von der Seite, beziehungsweise „archivierte“ ihn. Denn, so sagte sie in einer ausführlichen Story, die sie am Dienstag online stellte: „Ich will einen so verletzlichen Moment nicht von Menschen missverstanden wissen.“

Ausführlich erklärte sie, alle Vorwürfe, der Unfall sei gestellt gewesen, um Aufmerksamkeit zu erregen oder Werbeeinnahmen zu generieren, seien komplett aus der Luft gegriffen. Der Unfall habe tatsächlich stattgefunden und dass ihre Fotografen-Freundin Bilder von ihr gemacht hat, sei ihr erst sehr viel später aufgefallen, nämlich als die Freundin ihr die Bilder zeigte. Sie habe sich dafür entschieden, die Bilder zu teilen, weil der Unfall für sie unglaublich emotional gewesen sei, da sie vor drei Jahren ihren damaligen Lebensgefährten bei einem ähnlichen Unfall verloren habe: „Ich war so dankbar dafür, dass ein Moment, der so intensiv ist, fotografiert wurde. Diesen Moment wollte ich mit euch teilen, weil er sehr schwer für mich war und mir Angst gemacht hat. Ich schätze diese Fotos so sehr.“ Daraufhin zeigte sie Aufnahmen ihrer Verletzungen und auch ihr leicht demoliertes Motorrad. Im Übrigen sei der Post keine Werbeanzeige für die Wasser-Marke gewesen, die Flasche sei nur zufällig auf dem Bild gelandet.  

Trotz der vielen Argumente und Beweise, die Mitchell in ihrer Story präsentierte, sind weiterhin viele Kommentatoren davon überzeugt, dass sie den Unfall gestellt hat. Für einen „normalen“ Motorrad-Unfall seien die Wunden viel zu oberflächlich und geringfügig. Auch die Spuren an dem Motorrad stimmten mit ihren Erzählungen kaum überein. Am wahrscheinlichsten sei, dass Tiffany Mitchell mit ihrem geparkten Motorrad umgefallen sei und sich dabei die oberflächlichen Verletzungen zugezogen habe – und das Ganze dann auf Instagram sehr viel dramatischer dargestellt habe, als es in Wirklichkeit war.

Was genau an diesem Tag vor zwei Wochen passiert ist, wissen allein Tiffany Mitchell und die Freunde, die mit ihr unterwegs waren. Und vielleicht ist es auch wirklich absolut unwichtig, was genau an jenem Tag passiert ist. Hauptsache wir werden daran erinnert, täglich mindestens zwei Liter Marken-Wasser zu trinken.

chwae

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