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Mein Netzmoment 2017: „The latest Shit“

Illustration: Katharina Bitzl

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Mein Netzmoment 2017 ist in Wahrheit ein TV-Moment. Ganz klassisches Fernsehen, Vorabend im Dritten Programm. „Lokalzeit“ heißt das Format, das aus beziehungsweise für unterschiedliche Regionen im Sendegebiet des WDR produziert wird. „Aus Köln“ stammt der Beitrag, der im Herbst ausgestrahlt wurde – und anschließend zu meinem Netzmoment des Jahres wurde (Hier der gesamte Film).

Die Lokalzeit-Macher begleiten darin die beiden Brüder Mike und Marc Meiré, die im Keller ihres Elternhauses die Agentur meireundmeire.com gegründet haben.

Dabei besuchen die Brüder auch ihre alte Schule, das Richard-Riemerschmidt-Berufskolleg in Köln. Dort erzählt Mike davon, wie er gegen das System rebellierte. Und dann steht er in einem großen Raum und hadert mit der Gegenwart. Als angesagter Agenturchef tut er das aber auf eine Art und Weise, die so voller Floskeln ist, dass aus dem Vorabendfernsehbeitrag ein Netzmoment wird: „Wo ist the latest shit?“ labert Meiré los und steigert sich in eine Fragen-Sammlung, die in der Erkenntnis mündet „Das ist alles so ne Comfort Zone.“

In Wahrheit ist es genau das Gegenteil: das Vorspielen von„latest shit“ oder dem, was Mike Meire dafür hält. Es ist ein fast privater Moment im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, der offenlegt, dass die Inszenierung von Vorne-Dran-Sein ein sehr endliches Unterfangen ist. Das ist so erbaulich, dass die Meiré-Fragerei als Kampf gegen die Endlichkeit gelesen werden muss – am besten in einer schönen Schriftart wie zum Beispiel hier im Nerdcore-Blog

Wie der Ausschnitt zum Netzmoment wurde, wer der Verbreitung also Momentum verlieh, kann man nicht mehr genau sagen. Am Ende des Jahres podcastete Jan Böhmermann jedenfalls, er habe den Latest Shit entdeckt und retweetet. Sicher sagen kann man jedenfalls dies: Erfunden hat er Mike Meiré nicht.

Der hingegen hat den deutschen Sprachschatz um eine Erfindung bereichert, die mir vorher nicht bekannt war: „Erlabern“ ist für ihn offenbar das sprachliche Hochziehen an Dingen, deren Zeit eigentlich schon vorbei ist. Allein deshalb ist diese Sequenz eine Perle – weil sie voller Ironie steckt. Daran kann ich mich immer und immer wieder erlabern.

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