Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Filmkolumne (I): Hollywood, wir kommen (eventuell, demnächst)

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Als Sebastian, Ralf und ich auf der Abschlussparty des ersten Semesters beschlossen, einen Kinofilm zu drehen, war wieder mal der Alkohol Schuld. Außer bei Ralf, denn der trinkt nicht. Er ist auch sonst durch und durch Informatiker, Logiker, Rationaliker. Sebastian und ich studieren Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, wollen aber keine Filmkritiker werden, sondern Filmemacher, auch wenn das utopisch ist. Sebastian und Ralf drehen bereits seit einigen Jahren Kurzfilme. Sie hatten Lust auf einen neuen Film, aber keine Geschichte und ich hatte noch aus meiner Schulzeit eine Geschichte in meiner Schublade liegen, aber keine Ahnung, wie ich sie verfilmen sollte. Das passte so gut zusammen, dass Sebastian beschloss, zu prüfen, ob die Vorlage all das Wert war, was auf uns zukommen würde. Und die Geschichte geht so: Auf dem Dachboden eines gewöhnlichen Mietshauses wird die an ihrer Schaukel erhängte Marilyn gefunden. Überraschend schnell beschließen die übrigen Bewohner, eine perfekte Familie, eine Lebemenschen-WG, zwei melancholische Studenten, ein älteres Ehepaar und der aggressive Bruder der Toten, dass der Fall intern geregelt werden solle und übergeben ihn dem Polizisten, der ebenfalls im Haus wohnt. Ein Zimmer voller Bilder Marilyns, das Foto einer erhängten Puppe und Schiffstickets nach Südamerika, die die Bewohner in ihren Briefkästen gefunden haben, sind einige der Geheimnisse, die sich im Laufe der Zeit entpuppen und die Fragen aufwerfen, ob Marilyn Selbstmord beging, einer der Bewohner ihr Mörder ist oder ihr Hilferuf „Ayuda“ auf eine viel größere Bedrohung hindeutet.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Sebastian und Ralf mochten die Geschichte genauso gerne wie ich (ohne falsche Arroganz) und obwohl wir uns damals kaum kannten und es Zufall war, dass wir überhaupt auf das Thema gekommen waren, war uns schnell klar, dass diese Idee anscheinend kein Hirngespinst war. Und so rannte ich die folgenden zwei Wochen enthusiastisch durch mein Leben und erzählte allen meinen Freunden (ohne falsche Arroganz), dass sie sich unter meinem Namen bald eine neue Adresse notieren müssten, irgendwas mit Sunset Boulevard und Hollywood, die Traumfabrik. Da wohne ich bis heute nicht. Regel 1: Wer einen Film dreht, braucht viel Geduld. Die Lorbeeren erntet man erst viel später. Oder gar nicht. Nachdem wir uns eine Woche lang in Sebastians Zimmer eingeschlossen hatten und alle Eventualitäten, von falscher Arroganz bis zu den Hypotheken der Häuser unserer Eltern, durchgegangen waren, beschlossen wir, es zu machen. Denn wenn nicht jetzt, wann dann: Die Geschichte spielt fast komplett in einem Mietshaus, kommt ohne explodierende Autos und einen animierten Gollum aus und auch wir erfüllen die drei wichtigsten Voraussetzungen, die man braucht, um einen Film zu drehen: 1. Wir studieren Geisteswissenschaften. => Wir haben Zeit. (Wir reduzieren unsere Schlafzeiten.) 2. Wir sind jung. => Wir sind frei in unserer Kreativität. (Niemand erwartet, dass wir irgendwas besonders gut oder überhaupt hinkriegen.) 3. Wir sind nett. => Die anderen werden uns helfen. Und das war der Beginn. Inzwischen sind eineinhalb Jahre vergangen. Ich hab ja nicht geahnt, wie viel Arbeit das werden würde, an was man alles denken musste und wie viele Klinken putzen. Und doch würde ich keine Sekunde zögern, wenn Ralf und Sebastian mich noch einmal fragen würden, ob ich diesen Film mit ihnen machen wolle.

  • teilen
  • schließen