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Was ist cool?

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Die Frage:
Was ist Coolness und warum gilt "cool sein" als cool?  

Die Antwort...
suchen wir bei Ulla Haselstein und Anette Geiger. Haselstein ist Amerikanistin und Historikerin an der FU Berlin und beschäftigt sich mit der Entwicklung des Coolness-Begriffs in der amerikanischen Geschichte. Geiger ist Kultur- und Kommunikationswissenschaftlerin an der Hochschule für Künste in Bremen und ist Co-Autorin eines Buches zum Thema Coolness.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



„Man kann gar nicht cool sein“, stellt Ulla Haselstein klar. „Man kann nur von anderen als cool bewertet werden.“ Das Leben sei wie ein Theater, bei dem wir uns Ausstattung und Verhaltensweisen aneignen, die unsere Mitmenschen wie ein Publikum beurteilen. „Wenn wir heute sagen, dass etwas cool ist, dann drücken wir damit also Bewunderung aus.“

Aber was genau bedeutet das Wort „cool“ eigentlich? Um das zu klären, untersucht die Amerikanistin in ihrer Forschung, wie der Begriff überhaupt entstanden ist. Ursprünglich geht der Begriff auf die Sklaverei in den USA zurück, als die Schwarzen von den Weißen unterdrückt wurden. „Sie hatten keine Möglichkeit sich zu wehren“, sagt Haselstein. „Sie waren cool, weil sie cool bleiben mussten. Hier ist das Wort noch im Sinne von ‚einen kühlen Kopf bewahren’ gemeint.“ Damals stand der Begriff Coolness noch dafür, seine Gefühle nicht zu zeigen und sich zusammenzureißen. Die Beat-Generation hat diese Haltung in den 50er Jahren imitiert und ausgebaut: sich nichts anmerken zu lassen und dadurch überlegen zu wirken. „Sie waren cool, weil sie so distanziert waren. Alles, was die Gesellschaft ihnen angeboten hat, hat sie nicht interessiert.“

Dass diese Art des Nicht-Angepasst-Seins auf junge Menschen attraktiv wirkt, entdeckte irgendwann die Werbeindustrie für sich, sagt Haselstein: „Man hat gemerkt, dass sich viele junge Menschen mit so einer Anti-Haltung identifizieren können.“ Wer sich anpasst, ist langweilig. Cool sind die, die sich nicht anpassen. Allerdings gebe es heute keine so starken Autoritäten mehr, an denen man sich orientieren oder gegen die man rebellieren könnte.

Coolness im Sinne des Verbergens von Gefühlen sei trotzdem noch wichtig, glaubt Haselstein. „Nur äußert sich das heute anders. Zum Beispiel in der U-Bahn, wo wir unsere Mitmenschen ununterbrochen beobachten, sie aber nicht mit dem konfrontieren, was wir über sie denken. Wenn ich zum Beispiel sehe, wie jemand in der U-Bahn auf den Boden spuckt, finde ich das nicht gut. Aber ich behalte meine Gedanken für mich, um keinen Streit zu provozieren.“ Man kontrolliert sich und lässt seinen Gedanken und Emotionen nicht einfach freien Lauf. Damit ähnelt Coolness heute eher dem Konzept der ursprünglichen Coolness der schwarzen Sklaven.

Anette Geiger hat da eine andere These: Sie glaubt, das diese Form von Coolness heute out ist. „In den 60ern wollten die 20-Jährigen in den New Yorker Jazz-Clubs cool sein. Die 20-Jährigen heute beschäftigen sich mit anderen Fragen, als damit, wie sie möglichst cool sein können.“ Ganz verschwunden ist die ursprüngliche Coolness aber auch heute nicht. Sie habe sich einfach nur verjüngt, sagt Geiger: „8 bis 12-Jährige wollen noch cool sein. Sie haben noch mehr Punkte, bei denen sie gegen ihre Eltern rebellieren können.“

In der Punk- und Rockerzeit wollten auch die Jugendlichen noch cool sein, um sich durch vermeintliche Gleichgültigkeit und Rebellion der Kontrolle ihrer Eltern zu entziehen, die zumindest noch mehr finanzielle Macht hatten als sie selbst. 
„In den Neunzigern und Zweitausendern hat sich das aber verändert“, sagt Anette Geiger. „Die Jugend ist heute so frei, dass es ihr fast schon unheimlich ist.“ Die Frage, wie man sich selbst verwirklichen kann, beschäftige die jungen Erwachsenen heute. „Dabei hilft cool sein überhaupt nicht“, glaubt Geiger, „denn es gibt nichts mehr, wogegen man rebellieren kann – man hat einfach kaum Einschränkungen.“

Nach Frau Geigers Theorie ist Coolness heute also nur noch ein Modebegriff, der bei 8- bis 12-Jährigen noch "in" ist. Ansonsten ist es einfach ein beliebiges Wort geworden, das wir
für vieles verwenden, das uns gefällt.


Text: gianna-carina-gruen - Foto: Mr. Nico / photocase.com

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