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Der Rächer der Beschnittenen

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Wenn Foreskin Man zurzeit in Deutschland wäre, wie würde er auf die Beschneidungs-Debatte reagieren?
Keine Ahnung. Foreskin Man war noch nie in Deutschland. Er hält sich eher dort auf, wo Beschneidungen weit verbreitet sind. Und zum Glück liegt die Rate in Deutschland vergleichsweise niedrig.  

Aber nach der Debatte der letzten Woche hast du bestimmt viel Feedback aus Deutschland bekommen?
Ja, es kamen viele E-Mails, und auch innerhalb der amerikanischen Intactivists-Bewegung sind die Ereignisse ein großes Thema.  

Die Intactivists kämpfen dafür, dass Beschneidungen an minderjährigen Jungs verboten werden. Das klingt nicht gerade nach einer Massenbewegung.
Wir sind Tausende. Im Jahr 2002, als ich selbst zum Intactivist wurde, war die Szene noch viel kleiner. Ein paar hundert Leute, jeder kannte jeden. Dann ging Youtube online, und immer mehr Leute kamen mit an Bord.  

Wegen Youtube?
Vor Youtube mussten wir immer lange erklären, was es mit der Beschneidung auf sich hat. Dazu konnten wir ein paar Fotos zeigen, aber das war alles. So konnten wir nicht rüberbringen, was bei der Operation wirklich passiert. Im Internet kann sich jetzt jeder Videos von echten Beschneidungen anschauen – mit Blut und schreienden Babies. Aber auch die Presse schreibt häufiger über das Thema, unter anderem wegen Foreskin Man. Er erzeugt Aufmerksamkeit.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Warum hast du ausgerechnet einen Comic zum Thema gemacht?
Wenn du nur über Beschneidungen redest, ist das vielen egal. Um ein breites Publikum zu erreichen, mussten wir uns was anderes einfallen lassen. Bücher, Musik, Filme. Oder eben einen Comic. Zu einer Story mit Bildern haben die Leute einen ganz anderen Zugang als zu Argumenten.  

Die Hauptfiguren des Comics heißen Foreskin Man und Vulva Girl. Versteh mich bitte nicht falsch, aber die Namen klingen echt lächerlich.
Die Comics arbeiten mit ein bisschen Humor. Sie bringen viele Leute zum Lachen, wenn auch nicht alle. Nachdem wir die zweite Ausgabe veröffentlicht hatten, waren einige religiöse Gruppen ganz schön angepisst. Sie sahen in den Comics einen Angriff auf ihre Religion.  

Das könnte damit zu tun haben, dass die jüdischen Charaktere extrem hässlich und extrem gemein gezeichnet waren.
In Ausgabe Eins ging es um medizinische Beschneidungen in Krankenhäusern. Darin verwandelte sich der Arzt in ein Monster, dass eine Mutter fesselte, um ihr Kind zu operieren. Er sollte so evil wie möglich aussehen. Das Gleiche galt für den Bösewicht der zweiten Ausgabe: Für Monster Mohel, den jüdischen Beschneider. Wir haben nichts gegen Juden oder jüdischen Traditionen, nur gegen Beschneidungen. Wir wissen, dass die betroffenen Kinder unter den Operationen leiden. Und die Verantwortlichen wissen das auch.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Warum bewegt dich das Thema eigentlich so sehr?
Ich wurde als Säugling beschnitten. Aus hygienischen Gründen, ein Routinevorgang. Mit Ende Zwanzig habe ich dann festgestellt, dass es mit meiner sexuellen Aktivität bergab ging. Ich habe damals nachgeforscht und den Grund erfahren: Wenn die Vorhaut fehlt, trocknet die Eichel aus. Auf ihr lagern sich Hornhaut-Schichten ab, und damit verschwindet die Empfindsamkeit.  

Aha. Ich bin auch beschnitten, aber kann mich bisher nicht beklagen.
Manche Männer bevorzugen einen beschnittenen Penis, in Ordnung. Aber darüber sollte jeder selbst entscheiden dürfen. Als Erwachsener.  

Du hast dich als Erwachsener dazu entschieden, dass du deine Vorhaut zurück haben willst.
Ich konnte meine Beschneidung teilweise rückgängig machen. Man nennt das „Foreskin Restauration“. Du ziehst die verbliebene Haut über die Eichel und fixierst sie dort. Die Hornschicht bildet sich dann langsam zurück. Bei mir hat es sechs Monate gedauert, und es hat sich gelohnt.



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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Der Text erscheint im Rahmen einer Kooperation mit der Deutschen Journalistenschule. Deren 50ste Lehrredaktion hat unter dem Titel Franz Josef ein junges politisches Magazin erstellt, das im September erscheint. Bis dahin kann man ihm auf Twitter, Tumblr und Pinterest folgen.

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