Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Nacktheit ohne Bezug

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Kanye West - New Slaves
Schon klar, das neue Kanye-West-Album „Yeezus“ ist so neu nun freilich nicht mehr. Aber es gab auch länger keine „Fünf Songs“ und die Chronistenpflicht gebietet es, dieses verwirrende Machwerk nachzureichen. Es ist ja ungefähr so: Als Chuck D Hip Hop dereinst als CNN des Ghettos bezeichnete, erwies er damit vor allem dem Feuilleton einen immensen Dienst: Man konnte Rap-Texte, die in ihrer oft expliziten Zurschaustellung von Sex, Gewalt und Drogen ja immer auch etwas verpönt waren, endlich auf Zeitgeistiges abklopfen. Die damit implizit verbundene These, der urbane Schwarze schöpfe sein Weltverständnis eher aus einem Public-Enemy-Song denn aus einer Nachrichtensendung, war damals vielleicht schon grenzwertig, inzwischen verstellt sie den Blick doch sehr. Und so wird Kanye West, dieser gepamperte Mittelschicht-Bengel, immer noch gerne zum Reporter von den Abgründen Rassenkampf, Armut und Unterdrückung verklärt – auch und vor allem von sich selbst. Das ist deshalb so schade, weil damit eine andere Frage in den Hintergrund tritt: Wenn West, wovon hier mal ausgegangen wird, tatsächlich einer jener Künstler ist, die eine besondere Verbindung zum Zeitgeist haben, was sagt „Yeezus“ dann aus über die Welt, wie sie gerade ist? Dieses verstörend eklektische Werk, dessen Stimmung alle zehn Sekunden scharfkantig abzureißen scheint, und das vor Gigantomanie und Selbstherrlichkeit („I am a God“) überquillt – gleichzeitig aber tiefe emotionale Abgründe zulässt? Das Rassenthemen mit brutaler Schärfe skizziert („What you want, a Bentley? Fur coat? A diamond chain? All you blacks want all the same things!“), trotzdem aber zum Pomp einer (ja eher weißen) Queen-Orchestrierung drängt. Beängstigendes in jedem Fall. Verstörendes auch. Aber halt in sehr, sehr aufregend.

     


Dizzie Rascal & Robbie Williams - Goin' Crazy
Gut trotzdem, dass es auch noch andere Rapper gibt. Netter. Familienfreundlicher. Als Dizzee Rascal vor einiger Zeit in München gastierte, unterbrach er sein Konzert sogar, weil im Publikum jemand kiffte: „Man raucht kein Gras auf einer Familienshow“, sagte er, und wies den Delinquenten an, entweder den Joint auszumachen oder die Halle zu verlassen. Das Video, das Rascals neues Album „The Fifth“ (erscheint kommenden Freitag) ankündigt, zeigt den MC zusammen mit, nein, eben nicht Elton John, auch wenn’s so aussieht: Robbie Williams ist’s, wohlstandsgenährt und optisch ganz der Familien-Papa, der er inzwischen ist. Schön ist es trotzdem, schon allein weil dicke Männer auf kleinen Scootern immer toll sind.  

       


MC Fitti - Penn in der Bahn!
Genau wie dicke MCs, die aussehen wie etwas heruntergekommene kalifornische Folk-Sänger, die zu spät gemerkt haben, dass sie im falschen Studio stehen – und auch in etwa so rappen. MC Fitti hat schon ein paar durchaus sinnvolle Dinge getan: Am Set von „Das Leben der Anderen“ mitgebaut zum Beispiel. Oder den „FC Bayern Schalke“-Aufkleber erfunden. Jetzt macht er eben Hip Hop. Warum denn auch nicht? Sein Album kommt auch nächste Woche.  

[link=https://www.youtube.com/watch?v=YTGyoT9yRqs]
Robin Thicke - Blurred Lines
Auch das läuft jetzt eher unter Chronistenpflicht, weil’s ja jeder kennt. Aber wenn die Nummer eins der deutschen Single-Charts, dieses so wunderbar unnütze Messwerk, schon einmal derart Spaß macht, dann kann, darf, nein, dann muss man sich darüber noch mal freuen: Dieser Bass-Minimalismus von Robin Thicke, die Prince-Chöre und dazu ein Pharrell Williams, der nach Jahren mal wieder eine gewisse Coolness vor sich herträgt, sind einfach verteufelt klug. Und außerdem sind die nackten Frauen mit einer derart vor Nonsens strotzenden Bezugslosigkeit ins Video zu „Blurred Lines“ eingebaut (Warum liegt denn da Stroh?), dass die Ironie den Sexismus besiegt. Doch, wirklich.

  • teilen
  • schließen