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Was mir das Herz bricht: Wenn Menschen mit mir befreundet sein wollen

Illustration: Daniela Rudolf

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Nur um das vorwegzunehmen und all den kritischen Menschen mit Tagesfreizeit da draußen den Wind prophylaktisch aus den Segeln zu nehmen: Ich halte mich wirklich nicht für Gottes Geschenk an die Menschheit – im Gegenteil. In meiner Freizeit denke ich häufig darüber nach, wie andere Menschen meine Anwesenheit ertragen können, geschweige denn freiwillig mit mir zusammen sein wollen, wo sie doch gleichzeitig auch eine Wurzelbehandlung vornehmen lassen oder andere, sogar noch angenehmere Events erleben könnten. Man kann mit Fug und Recht behaupten: Ich strotze weder besonders vor Selbstbewusstsein, noch bin ich das, was man im Englischen so schön einen „social butterfly“ bezeichnet.

Kommen wir nach dieser kurzen, aber für mein persönliches Wohlbefinden nicht unwichtigen Vorrede zum eigentlichen Grund des Textes. Es geht um eine Situation, die fast alle von uns kennen: Wenn jemand mit dir befreundet sein will und du nicht.  

Spätestens nach der Pubertät reicht es blöderweise nicht mehr, wenn ein Mensch coole Spielsachen, glänzende Haare oder nachlässige Eltern hat, die nicht wegen jedem Scheiß einen Aufstand machen, um sie als potentielle Freunde zu identifizieren.  Irgendwann wollen wir mit Menschen Zeit verbringen, die zusätzlich zu diesen Schlüsselkompetenzen auch noch nett, faszinierend und ehrlich an uns interessiert sind.

Glücklicherweise finden die meisten von uns im Laufe ihrer Adoleszenz ein bis zehn solcher Menschen und bauen sich einen Freundeskreis auf, der sie wärmt, nährt, hält und erfreut. Mit denen möchte und sollte man erwachsen und dann älter werden.

Irgendwann werden Freundschaften eine Frage der Logistik

Wenn man aber erst mal eine gewisse Menge an Freunden angesammelt hat und sich nebenher die beknackten Verpflichtungen des Alltags zum Himmel stapeln, wird es tatsächlich eine Frage der Logistik, neue Freunde ins Leben zu integrieren. Außerdem wird es sowieso immer schwieriger, Freundschaften zu schließen, weil unsere Ansprüche größer werden und wir gleichzeitig nicht mehr bereit sind, unsere wertvolle Freizeit mit potentiellen Buddies in irgendwelchen Dart-Kneipen zu verplempern.

Man könnte also meinen, die Tatsache, dass jemand mit einem befreundet sein will, wäre immer Anlass zur Freude. Doch bei Freundschaften ist es irgendwann schlimmer als in der Liebe: die Zahl der kompatiblen Partner mit Bindungswunsch nimmt rapide ab und was dann übrigbleibt, erscheint einem in schlechten Moment als eine einzige, bodenlose Beleidigung.

Die Freundschaftsanfrage wird nach dem immer gleichen Muster abgelehnt

Dabei sind es nicht mal die total indiskutablen Freundschaftsanwärter, die mir das Herz brechen. Es sind eher diejenigen, die ich vor ein paar Jahren noch freudig in mein Leben gelassen hätte und mit denen sich vielleicht tatsächlich eine echte, tiefgehende Freundschaft entwickelt hätte. Und die ich heute abtropfen lasse, weil ich zu wenig Zeit habe und genug Freunde fürs eigene Gefühl habe. Und immer läuft dieses Abtropfen lassen nach demselben, schrecklichen Muster ab:

Da kommt ein Mensch, der mich gut findet – einfach so, als Mensch. Doch auch wenn ich mich zu Beginn der Kennenlernphase natürlich extrem bauchgepinselt fühle, weil jemand da draußen wirklich der Meinung ist, es sei für ihn gewinnbringend, Zeit mit mir zu verbringen - in der Regel merke ich schnell, dass unsere Schnittmengen nicht besonders groß sind und kaum über den Anlass unserer Bekanntschaft (Pilates, Job, Hobby) hinausgehen. Trotzdem treffe ich mich aus einer Mischung aus Pflichtgefühl und Hoffnung ein paar Mal mit der anderen Person, nur um zu merken: das wird nichts. Dummerweise ist diese Erkenntnis immer einseitiger Natur.

Ja, es ist tatsächlich was Persönliches

Und weil ich viel zu feige dafür bin, dieser Person ins Gesicht zu sagen, dass ich an einer Freundschaft kein Interesse habe, wird es von dem Moment an total ätzend: Ich versuche es zunächst mit mehr oder minder subtilen und nonverbalen Signalen: Bin plötzlich furchtbar verplant, quasi komplett ausgelastet mit meinen Verpflichtungen, weiß vor lauter Stress nicht mehr, wo mir der Kopf steht.

Komischerweise hat dieser erste Schritt der Strategie, so plakativ und fies er mir selbst erscheint, noch nie richtig funktioniert – scheinbar ist er nicht deutlich genug. Also wird Phase zwei aktiviert und jetzt wird es wirklich unangenehm, so unangenehm, dass ich es selbst fast nicht aushalte: ich fange an, extrem lange Pausen in die schriftliche Kommunikation einzulegen. Wenn ich dann auf eine Nachricht reagiere, beantworte ich grundsätzlich nur die unwichtigen Teile der Botschaft, während ich die wichtigen ignoriere. In dieser Phase kommen von dem anderen dann zunehmend Texte mit traurigen Emojis und verständnisvollem Inhalt. Und spätestens da macht es knacks im Herzen. Ich würde der Person so gerne sagen, dass es nicht persönlich ist. Aber das wäre nicht wahr, es ist definitiv persönlich. Also muss ich hart bleiben. 

Wenn es ganz schlimm wird, sage ich mehrmals hintereinander unsere Verabredung kurzfristig unter so fadenscheinigen Vorwänden ab, dass völlig klar ist, was Sache ist.... Nach diesem Schritt hat der andere in der Regel endgültig kapiert, dass ich an einer Freundschaft nicht interessiert bin – oder er realisiert, dass er sich total in mir getäuscht haben muss, wenn ich solche Arschlochaktionen bringe. Und dann ist der potentielle Freund weg und ich habe ein unfassbar schlechtes Gewissen, aber halt auch: meine Ruhe.

Woher ich all diese gemeinen Tricks und Kniffe kenne? Weil ich sie alle am eigenen Leib erlebt habe. In Situationen mit Menschen, mit denen ich mich gerne angefreundet hätte, die aber komischerweise nie Zeit hatten, wenn ich ein Treffen vorschlug. Und die irgendwann einfach gar nicht mehr geantwortet haben, wenn ich geschrieben habe. 

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