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Interview: Wir wollen eine Gegenöffentlichkeit zum Spiegel schaffen

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Julia, wie gefällt dir das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel"? Früher habe ich den ziemlich gern gelesen, hab' mich darüber informiert, weil ich es ganz praktisch fand', einmal pro Woche die allgemeinen Diskurse präsentiert zu bekommen. Aber irgendwann merkte ich dann, dass der Spiegel eigentlich ein sehr neoliberales Blatt ist und auch ein Blatt, das diesen neokonservativen Mainstream vorantreibt. Und das hat mich geärgert! Mir gefällt auch nicht, dass viele Leute den Spiegel für ein "linkes" oder "rotes" Blatt halten - das ist aber gar nicht mehr so, schon länger nicht mehr.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Deshalb machst du jetzt "Spiegelkritik". Was verbirgt sich dahinter? Spiegelkritik ist ein Blog, ein so genanntes Watch-Blog, das einfach die Stories, die im Spiegel präsentiert werden, noch mal nachrecherchiert und Recherchefehler herausfindet und aufdeckt. Unser Anspruch ist, eine Gegenöffentlichkeit zum Spiegel zu schaffen: Wir wollen, dass sich Leute über die Dinge, über die im Spiegel berichtet wird, von einer anderen Seite informieren können. Vorbild ist Bildblog, das hat die Idee maßgeblich vorangetrieben. Ich finde, Bildblog ist super gemacht. Da kommen wir noch nicht so ganz ran, aber das wird noch kommen. Was war der Auslöser für den Blog? Mit der Zeit hat mich die politische Richtung des Spiegels gestört. Der erste Auslöser war die Story "Der Windmühlenwahn" (Titelgeschichte des Spiegels Nr. 14, im Jahr 2004), die im Nachhinein als sehr schlampig recherchiert und als sehr tendenziös aufgedeckt wurde. Da habe ich mir die Domain gesichert und immer mit dem Gedanken gespielt, einen Blog zu starten. Aber ich weil ich viel zu tun hatte, lag das noch so n' bisschen herum und der wirkliche Auslöser war dann die Story im März über Demografie, in der der Anschein erweckt wurde, dass die Deutschen alle aussterben und es bald nur noch Türken in Deutschland gibt. Mit diesem Artikel hat der Spiegel auf jeden Fall einen gewissen, sagen wir mal, biologistisch-neokonservativen Mainstream weiter gefestigt und implizit ausländerfeindliche Klischees transportiert. Da hab ich mir gesagt: "Okay, es reicht, jetzt starte ich das Projekt." Du bist im Sinne des Presserechts für den Blog verantwortlich. Wer macht noch mit? Ich habe ein ganz gutes, ganz hochkarätiges Autorenteam, fünf Leute. Momentan investieren wir so zwei bis drei Stunden pro Woche, aber ich denke, das wird noch mehr. Das Blog startet jetzt gerade und wenn jetzt in der Blogosphäe ganz viele Leute darauf aufmerksam werden, dann werde ich vielleicht noch mehr Leute für das Autorenteam gewinnen. Was werft ihr dem Spiegel vor? Wir werfen dem Spiegel vor, dass er manchmal schlampig recherchiert, dass er versucht, den Anschein der Objektivität zu erwecken, dass er aber ganz klar Meinung in eine neoliberale und neokonservative Richtung zu machen. Ihr kritisiert damit ein etabliertes, einflussreiches Nachrichtenmagazin. Angst vor Abmahnung? Ja, unterbewusst ein bisschen. Die haben einfach viel mehr Kohle und wohl auch eine große Anwaltstruppe in der Hinterhand. Ist eben ein nicht ganz gerechtes Kräfteverhältnis: Wenn den Großen ein Recherchefehler passiert, dann passiert denen nicht so viel und wenn uns das passiert, dann stehen wir einfach ganz schnell mit 'ner Abmahnung da. Aber wir können ja nur eine Abmahnung kriegen, wenn wir auch Fehler machen. So lange wir korrrekt recherchieren, passiert uns das nicht.

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