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Überraschungsbesuch von Bofrost

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Im Proberaum schlägt das Herz einer Band. Hier entstehen die Songs, die eines Tages vielleicht jeder mitsingen kann. Deshalb besuchen wir regelmäßig junge Münchner Musiker in ihren Proberäumen. Diesmal erzählen The Marble Man, die Band um den Münchner Singer/Songwriter Josef, von ihren Proben in einem alten Tonstudio, für die sie jedes Wochenende eine längere Anreise in Kauf nehmen. Das Studio befindet sich nämlich in Traunstein.

„Wir proben jeden Samstag in unserem Heimatort in Traunstein am Chiemsee, obwohl wir schon längst alle woanders leben. Jonas kommt aus Erlangen angefahren, Michi aus Augsburg und Josef und Daniel aus München. Boris ist der einzige, der noch in Traunstein wohnt. Das zu koordinieren kostet schon manchmal Nerven. Von Vorteil ist, dass Traunstein für uns alle eine Homebase ist. Aber wir haben schon ganz andere Zeiten hinter uns. Als Daniel vor einiger Zeit zum Zivi in Italien war und extra zum Proben aus Padua angefahren kam zum Beispiel.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Unser jetziger Proberaum, ein altes Tonstudio auf dem Lagergelände von Bofrost, war ein absoluter Glücksgriff. Ganz früher, um 2006, haben wir auf dem Dachboden von Josefs Eltern geprobt. Die Gitarren liefen über einen schrottigen Verstärker, im Juli war es wegen der Hitze nicht auszuhalten und irgendwann standen die Nachbarn auf der Straße und riefen „Ruhe!“. Danach probten wir auf einem alten Bauernhof in der Nähe von Reichhausen, wunderschön, mit Blick auf die Alpen. Als wir nach zwei Jahren dort raus mussten, dachten wir: Jetzt bricht alles zusammen. Und dann mussten wir dort auch noch die Treppe sanieren, weil wir alle 20 Granitstufen durch das ewige Rauf- und Runterrollen der Boxen und Instrumente völlig ruiniert hatten. Zu jedem Konzert schleppen wir nämlich unzählige Instrumente, auch wenn sie dann nur 30 Sekunden verwendet werden. Das ist ein Markenzeichen von uns. Der Boris ist ein ziemlicher Sammler. Wir haben sogar eine singende Säge.

Keiner hätte geahnt, dass uns dann der große Glücksgriff beschert würde: Ebenerdig, viel Tageslicht, viel Platz, eine geringe Miete. Die Wände waren noch mit alten Tonstudio-Schaumstoffnoppen besetzt. Die bröselten beim Vorbeilaufen herunter und danach waren immer die Klamotten schwarz. Jetzt klebt an ihrer Stelle eine Waldtapete. Die hing früher tatsächlich bei Boris’ Eltern im Haus, glaubt man ja kaum, so schlimm Siebziger-Jahre-Style ist das. Die Plastikhirschköpfe an der Wand hat der Boris auf dem Wertstoffhof gefunden, als er die Noppenreste entsorgt hat. Als er den Wertstoffhof-Mann gefragt hat, was mit denen passieren soll, hat der gesagt: „Die hom auf di g’wartet.“

Sehr charakteristisch für diesen Raum ist sein Geruch. Er riecht gut, etwas süßlich, ein bisschen auch nach Holz, ohne dass man wüsste, wo das herkommt. Wenn man nach der Probe zu Hause sein T-Shirt auszieht, riecht es immer noch sehr stark danach.

Wir proben meistens vom frühen Abend bis zwölf oder eins in der Nacht. Wir haben uns angewöhnt, immer wenn jemand zu spät kommt, ein kleines Laientheater oder ein klamaukiges Lied mit Choreographie einzustudieren, das wir dem Nachzügler dann vorspielen. Ansonsten sind wir eigentlich sehr diszipliniert. Wir sind zum Musik machen hier und nicht zum Partys feiern. Unsere Regeln lauten: Nicht hier rauchen, nicht hier übernachten und auf dem Klo hängt ein Schild mit der Aufschrift: „Die Band sitzt“. Weil: Wer macht es denn sauber?

Wir haben einen Getränkekühlschrank mit Spezi, Radler, Wasser und Bier und jeder, der sich eine Flasche nimmt, schmeißt einen Euro in die Getränkekasse. Der Boris füllt die Getränke auf, weil er hier auch noch mit seiner anderen Band Fendt probt. Er ist sowieso recht oft hier. Manchmal parkt er den Bofrost-Fahrern die Garagen zu, weil er nur mal eben was im Proberaum machen will – und dann die Zeit vergisst. Ihn trifft dann immer fast der Schlag, wenn er mit seinen Kopfhörern da sitzt, sich in Einsamkeit wähnt und ihm plötzlich einer von Bofrost auf die Schulter klopft.“


Text: mercedes-lauenstein - Foto: Juri Gottschall

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