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Wembley-Voodoo

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Fußball ist Taktik? Eine Kombination aus Spielsystem und Einstellung, aus Training und Siegeswille? Von wegen. Fußball ist mindestens zu gleichen Teilen Aberglaube. Das merkt man spätestens, wenn Freunde plötzlich aufhören, sich zu rasieren (Glücksbart) oder traditionell kombinierte Grill-Champions-League-Abende absagen, „weil die Bayern immer verlieren, wenn wir in deinem Garten schauen“. Wir haben uns mal umgehört, was Menschen sonst so tun, damit es diesmal klappt, mit dem Titel für die Bayern.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Glücksbringer von Kabarettistin Monika Gruber: Die rote Hose einer Freundin

Kathrin Längert, Torhüterin des Frauen-Bundesligateams des FC Bayern:

„Manche brauchen spezielle Gegenstände als Glücksbringer, bei mir ist es genau anders herum: Ich muss Dinge verbannen, die schlechten Einfluss haben. Wenn ich selbst auf dem Platz stehe, sind es Torwarthandschuhe, die Pech bringen. Sobald ich mit einem Paar verliere, kommt es weg. Wenn es hingegen um Spiele von Mannschaften geht, die ich mag, muss ich leider etwas ganz anderes aus dem Stadion verbannen: Mich selbst, ich bringe einfach kein Glück. Ich dürfte der einzige Mensch der Welt sein, der im Stadion mehr Niederlagen des FC Bayern miterlebt hat als Siege. Das letzte Mal war es das Finale gegen Chelsea, seitdem gehe ich bei wichtigen Spielen nicht mehr in die Arena. Und aus diesem Grund fliege ich auch nicht nach Wembley, sondern gucke das Spiel hier in München. Jungs, mehr kann ich wirklich nicht für Euch tun.“

Jaromir Konecny, Schriftsteller:

„Zum Glück bin ich nicht abergläubisch. Meine Mutter musste vor jedem Spiel der Tschechen dreimal die Aschenbecher leeren. Sport und Aberglaube dienten ihr als Entschuldigung fürs exzessive Rauchen. Ich bin nicht abergläubisch. Ich halte nur die Daumen fest in den Fäusten geschlossen, wenn Bayern spielt. Außerdem muss ich jeden Unheil verkündenden Gedanken, der bei mir anklopft, dreimal abklopfen, damit Unheil nicht stattfindet. Leider konnte ich früher nur klopfen, indem ich die Daumen aus den geschlossenen Fäusten hüpfen ließ. Seit ich aber gelernt habe, die Daumen beim Klopfen weiter fest im Griff zu halten, läuft bei Bayern alles wie geschmiert. Klar muss ich aufs Sofa zum Spiel mein Holzbrett mitnehmen, denn Klopfen ins Sofapolster bringt gar nichts. Wie gesagt bin ich zum Glück nicht abergläubisch. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was ich hier auf dem Sofa bei den Bayern-Spielen alles anstellen würde, wenn ich abergläubisch wäre.“



Monika Gruber, Kabarettistin:

„Ich selbst habe kein Ritual, aber meine Freundin Lydia hat eines, auf das sich alle Mädels verlassen, mit denen ich zusammen Fußball schaue: Wenn Lydia beim Spiel ihre rote Glückshose trägt, kann die Sache gar nicht schiefgehen. Da bin ich mir sogar so sicher, dass ich Folgendes anbiete: Wenn die Bayern tatsächlich verlieren, veranstalte ich ein Sommerfest für das Altersheim in der Nachbarschaft. Lydia muss dann – mitgehangen, mitgefangen – an den Ausschank, ich hinter den Grill.“

Murxen Alberti, Schlagzeuger bei Jamaram:

„Fußball interessiert mich null. Ich kenne weder die Teams, noch die Spieler. Mir ist aber aufgefallen, dass ich, wenn ich trotzdem mal ein Spiel ansehe, eine seltene Gabe habe: Ich kann im Spielverlauf in die Zukunft sehen. Ich weiß, ob ein Spieler einen Elfmeter verschießt, oder ob ein Tor fällt. Und mehr noch: Ich glaube, ich kann den Ausgang damit sogar beeinflussen. Wenn ich mich mal für ein Team entschieden habe, gewinnt das auch so gut wie immer. Leider hängt die Entscheidung, welche Mannschaft das ist, komplett von Sympathien ab. Und die wiederum kann ich nicht beeinflussen. Ob ich eine Mannschaft lieber mag als die andere, entscheidet sich über das Verhalten auf dem Platz. Bayern-Fans müssen also hoffen, dass sich ihre Spieler gut aufführen.“



Lea Schairer, Skaterin aus München:

„Letztes Jahr hatte ich bei den Champions-League-Spielen von Bayern nach der Vorrunde immer meine rote Mütze auf. Zufällig, ohne damit die Vereinsfarben tragen zu wollen. Trotzdem habe ich gedacht, es passt, also hab ich sie einfach für jedes weitere Spiel aufgesetzt. Am Finaltag war ich allerdings nicht in München, sondern im Ausland. Und ich hatte keine rote Mütze auf. Prompt haben sie verloren. Da es nicht geschadet hat, dass ich die letzten drei Spiele im Ausland gesehen habe, ist es wohl kein schlechtes Ohmen, dass ich auch bei diesem Finale nicht da bin. Die Mütze nehme ich auf jeden Fall mit!“

Luise Kinseher, Kabarettistin

"Einer der größten der wenigen Siege, die Bayern errungen hat, war 955 die Schlacht auf dem Lechfeld. Das haben wir dem Ulrich-Kreuz zu verdanken, das der Bischof von Augsburg damals auf der Brust getragen hat, der die Verteidigung der Stadt leitete. Nachbildungen des Kreuzes helfen bis heute: gegen Ungeziefer, Erdbeben, schlechtes Wetter, zu wenig Tore, Muskelzerrungen und Fußverstauchungen. Deshalb habe ich beim Spiel das Ulrich-Kreizl in der Tasche, trinke nur Bier mit Ordens-, Bischofs- oder Mönchsnamen und singe zwischendurch Hosianna, auch ohne Grund. Dann wird das schon!"

Text: jakob-biazza - moritz-baumstieger, Illustration: Katharina Bitzl

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