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Die digitale Puppenstube

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Man kann der Geschichte von Michael Himmel, Marc Schlichte, Jens und Steffen Rusitschka eine sehr große Überschrift geben. „Revolution“ könnte man über das schreiben, was sich in diesen Tagen in einem kleinen Büro in der Blumenstraße abspielt. Man kann aber auch weniger große Worte wählen und die Geschichte von vier Freunden erzählen, die von einer Idee begeistert sind und sich damit jetzt unter dem Namen fabidoo selbstständig machen. Doch egal, ob man die Geschichte der Unternehmensgründer für eine Revolution hält oder nicht: In jedem Fall wird man die Adjektive „niedlich“ und „süß“ brauchen. Musicbox der Revolution Michael Himmel, genannt Mike, spricht von der Revolution in einem Nebensatz. Leise und unaufgeregt. Und gerade deshalb ahnt man, dass vielleicht etwas dran sein kann an der „Demokratisierung der Produktionsmittel“, von der der 41-Jährige spricht. „Dieses Gerät“, sagt er, „könnte die Welt so verändern, wie es der Computer getan hat.“ Dabei deutet er auf eine graue Maschine, die an eine Musicbox aus 50er-Jahre-Filmen erinnert. Doch wer durch die Frontscheibe des grauen Kastens schaut, sieht keine Musik-, sondern Gips-Platten. Mike steht vor einem 3D-Drucker, aus dem sich gerade eine kleine Figur herausschält, die etwa die Größe einer Zigarettenschachtel hat. Rapid Manufacturing heißt dieser Vorgang, bei dem greifbare Gegenstände gedruckt werden. Kollege Marc Schlichte hat am Computer gerade ein Dokument an die graue Maschine geschickt. Der kleine schwarze Hebel, der sich daraufhin im Inneren der Maschine in Bewegung setzt, bringt keine Buchstaben auf Papier, sondern erstellt aus Gipspulver eine robuste kleine Figur. Ansonsten ist alles wie bei einem gewöhnlichen Papier-Drucker, den man im Computerladen kaufen kann. „In ein paar Jahren ist es vielleicht genauso normal, einen solchen 3DDrucker daheim zu haben“, sagt Mike, „vielleicht ist der dann nur sehr viel kleiner.“ Jeder könnte sich dann Gegenstände ausdrucken, wann und wie er will. Vorerst muss man aber Mitglied von fabidoo werden, um an der grauen Maschine drucken zu können, die im zweiten Stock in der Münchner Blumenstraße steht. Von Freitag an kann jeder unter fabidoo.com ausprobieren, wie man kleine Figuren erstellt, bemalt und mit Farben und hochgeladenen Bildern verändert. Dann nämlich startet die so genannte „public beta“-Phase von fabidoo. Seit April bereits testen die Macher die Website in einem geschlossenen Probe-Betrieb – das Ergebnis sieht man auf dem kleinen Tisch, der unter dem Fenster im fabidoo-Büro steht. Und hier hat man plötzlich Verwendung für die Adjektive „niedlich“ und „süß“: Etwa fünfzig unterschiedliche Figuren liegen auf einem Tablett in der Sonne. Kugeln, Würfel, kleine Bären. Alles Unikate, alle sehr kreativ gestaltet und alle sehr ungewöhnlich. „Gedruckte“ Figuren Während Marc und Mike sich so über den kleinen Tisch beugen, kann man verstehen, dass der Antrieb für die Unternehmensgründung wenig mit der Demokratisierung von Produktionsmitteln tun hatte, sondern ganz viel mit der fast kindlichen Begeisterung, mit der sie die kleinen Figuren präsentieren. „2006 bin ich über die Computermesse Systems gelaufen“, erinnert sich Mike, „und habe da den 3D-Drucker gesehen.“ Sofort sei ihm klar gewesen, dass diese Maschine eine Revolution in seinem Freundeskreis auslösen könnte. „Wir waren damals auf der Suche nach einer Idee, mit der wir uns selbstständig machen können“, schließt Marc an. Die Freunde, die gemeinsam bei Siemens Mobile arbeiteten, entdeckten schnell das grundlegend Neue an der Idee, Figuren selber gestalten zu lassen und diese auch wirklich auszudrucken. „Wir wollten nicht irgendein Start-Up gründen“, erzählt Mike. „Wir wollten eine richtig gute Idee.“ Und die geht so: Unter fabidoo.com kann man kleine Figuren nach eigenen Vorlieben gestalten, bemalen und mit Fotos verzieren. Diese Figuren werden dann im Büro der vier Freunde ausgedruckt, lackiert und anschließend verschickt. Ganz individuell.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dass diese Idee funktionieren kann, beweisen bereits T-Shirt-Shops im Internet. Auf Webseiten wie Spreadshirt oder Threadless gestalten Profis und Amateure Motive für T-Shirts, diese werden dann nach individuellen Vorgaben erstellt. Mass Customization heißt dieser Vorgang. Und Menschen mit einem Faible für Revolutions-Rhetorik erkennen an dieser kundenorientieren Massenfertigung eine grundlegende Veränderung im Konsum-Verhalten – nicht nur von Internet-Käufern. Es geht nicht mehr um gesichtslose Massen-Ware, sondern um Produkte, die persönliche Präferenz widerspiegeln. Keine langweiligen Plastik-Püppchen aus dem Supermarkt, sondern einzigartige kleine Figuren, wie sie im fabidoo-Büro in der Sonne liegen. VerformBär in der Sonne „Wir haben ziemlich viel rumprobiert“, erklärt Marc, während er sich über die Arbeitsergebnisse der vergangenen Monate beugt, „immer auf der Suche nach dem besten Weg, zum Beispiel diesen Bären zu erstellen.“ VerformBär nennen die Unternehmensgründer die Vorlage, die man auf der Website nach eigenen Vorlieben gestalten und eben verformen kann. Einige Exemplare haben menschliche Gesichter und glänzen im Sonnenlicht, andere sind bunt bemalt oder hängen matt an einem Schlüsselband. „Wenn die Figuren aus dem Drucker kommen“, erklärt Mike, „müssen wir sie von Hand lackieren. Deshalb können wir sie auch nicht so billig anbieten wie irgendwelche Plastikfiguren im Supermarkt.“ Rund 20 Euro soll ein persönlich gestalteter VerformBär kosten, der dann als Schüsselanhänger oder als Geschenk dienen kann. Das ist viel Geld, doch die fabidoo-Erfinder glauben, dass mit dem Weihnachtsgeschäft viele ihr Angebot nutzen und Figuren verschenken werden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Fabidoo-Macher: Michael Himmel, Marc Schlichte, Jens und Steffen Rusitschka Ihr Ziel ist es, unter fabidoo eine Web-Community von Kreativen aufzubauen, die hier nach eigenen Bedürfnissen Figuren und Objekte gestalten. „Wir wollen soviel Feedback wie möglich bekommen“, erklärt Mike, „weil wir die Site immer weiter an die Bedürfnisse unsere Kunden anpassen wollen.“ So stellen sich die fabidoo-Macher vor, dass Comic-Zeichner auf der Plattform Figuren zum Leben erwecken könnten und sie in 3D enstehen lassen. Wichtig dabei: Jeder kann frei entscheiden, ob er seine selbst gestalteten Figuren auch anderen zur Verfügung stellen will oder nicht. „Wer zum Beispiel einen VerformBär mit dem Gesicht seiner Freundin drucken will“, erklärt Marc, „kann das auf privat stellen und niemand in der Community erfährt davon.“ Wer aber will, kann seine Vorlagen auch anderen Designern zur Verfügung stellen, die daran dann weiterarbeiten können. Dafür muss man sich übrigens kein neues Programm installieren: Fabidoo funktioniert browserbasiert, also im Internet. Die Unternehmensgründer haben nicht nur das Design der Website selber gestaltet, sondern auch die Programmierung eigenständig entwickelt. Seit April arbeiten sie in ihrem Büro in der Blumenstraße an der Website. Hier haben sie vier Schreibtische in der Mitte des Raums zusammengeschoben und hier sind sie auch auf die Idee zu dem Namen für ihr Angebot gekommen. Er sollte all diejenigen miteinander verbinden, die gerne die Technik des Rapid Manufacturing nutzen. Weil das als Name aber zu kompliziert klingt, haben sich die Unternehmensgründer für fabidoo entschieden, eine Verkürzung des englischen „I do fabbing“, was frei übersetzt so viel heißt wie: Ich nutze die graue Maschine in der Münchner Blumenstraße. Am Freitag startet fabidoo mit einem kleinen Fest im Büro in der Blumenstraße 28 in die so genannte Public Beta Phase. Mehr unter fabidoo.com

Text: dirk-vongehlen - Fotos: David Freudenthal

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