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Martin Matiske: „Ich habe mich gefreut, Klänge aus den Geräten zu zaubern“

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Er gilt als „Hells Wunderkind discovery“: Martin Matiske veröffentlichte bereits mit 14 Jahren seine erste EP, „Stars & Galaxy“, auf DJ Hells Label „International Deejay Gigolos“. Martin legte auf der Berliner Love Parade auf, in Belgien und in Tschechien. Dann unterbrach er seine Karriere jedoch für eine mehrjährige Selbstfindungsphase. Jetzt ist der 19-Jährige mit mit seiner neuen EP „Blackout“ zurück, die wieder auf „Gigolo“ erscheint. Obwohl er endlich offiziell im Nightlife-Alter ist, geht er nicht so oft in Clubs. Wir trafen ihn deshalb im hinteren Teil des Münchner Hofgartens, einem Ort, der, wie Martin sagt, „wegen der prunkvollen Säulen und der diszipliniert arrangierten Flora“ gut zu seinen neuen Stücken passt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Was war die erste Platte deiner Sammlung? Das weiß ich gar nicht so genau. Meine erste CD war jedenfalls „Thriller“ von Michael Jackson. Ich war sieben und habe meine Stereoanlage damit ausprobiert. Warum hast du als Zehnjähriger angefangen, elektronische Musik aufzulegen? Das war eigentlich gar nicht mein Plan damals. Ich hatte eher vor, Weihnachtslieder und Volksmusik auf dem Keyboard zu spielen. Irgendwann habe ich die Love Parade im Fernsehen gesehen und mir daraufhin einen ersten Sampler gekauft. Danach habe immer weiter gesucht und recherchiert. Bald habe ich nur noch elektronische Musik gehört. Weil die DJs mit Schallplatten aufgelegt haben, wollte ich das auch tun. Mit zehn habe ich angefangen, Platten zu sammeln und an den Plattenspielern die ersten Songs miteinander zu mischen. Mit elf habe ich mir den ersten Synthesizer und die erste Drum-Machine gekauft. Hat das Musikmachen damals auf kindlicher Leidenschaft basiert oder hat da schon mehr dahinter gesteckt? Damals war ich natürlich noch Kind und habe das alles auch mit einem kindlichen Charakter gestaltet. Es war keine solche Strenge dahinter, die vielleicht heute ab und zu einkehrt, sondern es war alles frei. Ich habe mich hingesetzt und mich gefreut, Klänge aus den Geräten zu zaubern. Wo hast du denn deine Platten herbekommen? Ich war im Winter 1997 mit zehn Jahren das erste Mal in einem Plattenladen. Das war eigentlich ein Zufall. Ich bin durch die Innenstadt gelaufen und habe einen Plattenladen namens „Bam Bam Records“ entdeckt. Ich bin rein gegangen und habe dadurch Suat Günes, den Besitzer des Ladens, kennen gelernt. Er hat mir alles gezeigt, auch das Auflegen, und mir die ersten Platten für meine Sammlung verkauft. Nach und nach bin ich auf die Musik der Plattenlabels „Disko B“ und „Gigolo“ gestoßen und fand sie gut.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Was haben denn deine Eltern gesagt, als du mit einem so teuren und untypischen Hobby angekommen bist? Mein Dad hat die ersten Platten finanziert und auch die Drum-Machine. Er war mein Hauptsponsor. Anfangs hat er sich, glaube ich, erhofft, dass ich Fußball spiele, aber das hat sich schnell gelegt. Er hat mein Talent bemerkt und mich unterstützt. Außerdem wollte er immer in einer Band spielen. Ich habe das Musikmachen dann für ihn verwirklicht. Er wollte, dass ich das mache. Wie hast du DJ Hell kennen gelernt? Suat Günes hat mich mit zu ihm ins Büro genommen. DJ Hell war von der Idee begeistert, dass da ein elfjähriger Schüler ankommt und ein Mixtape abliefert, auf dem Nummern drauf waren, die er selbst auch gut fand. So fing diese Freundschaft an. Er hat mich zu Interviews mitgenommen, ins Radio und ins Fernsehen. Das Ganze ging recht gut los. Irgendwann habe ich dann im Ultraschall zum ersten Mal auf einer „Gigolo“-Party gespielt. Vor zwölf Uhr natürlich. Denn danach musstest du laut Gesetz ja im Bett sein. Genau, aber ich war trotzdem sehr glücklich, dass ich mit Leuten wie Dynamic Bass System oder I-F, der nach mir spielte, zusammen war und mich schon damals mit den Menschen verständigen konnte. Hast du es als aufregend empfunden, diese ganze Szene und ihre Protagonisten kennen zu lernen? Nein, ich habe das alles so hingenommen und gar nicht wirklich realisiert, auch als ich damals bei einem Abendessen mit Jeff Mills war. Würdest du sagen, dass du damals schon ein richtig guter DJ warst oder lag der Reiz vor allem darin, dass du so jung warst? Im Nachhinein würde ich schon sagen, dass mein junges Alter eine sehr wichtige Rolle gespielt hat. Ich habe mich natürlich immer bemüht, das Beste als DJ zu geben und ein gutes Set zu spielen, aber wenn ich zurückschaue, würde ich sagen, dass ich erst jetzt genügend Erfahrungen gesammelt habe, um einen Abend fehlerfrei gestalten zu können. Das war damals vielleicht nicht der Fall, weil ich den ein oder anderen schlechten Übergang gemacht habe. Heute habe ich da mehr Routine.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Kannst du dich noch daran erinnern, wie du das ganze Nachtleben-Spektakel damals gesehen hast? Ich habe, wenn ich aufgelegt habe, eigentlich nie so das Nachtleben wahrgenommen. Für mich bestand der Reiz einfach darin, Musikstücke auf Schallplatten miteinander zu kombinieren und zu vereinen. Dass sich das Ganze in der Nacht abspielte, wurde mir erst sehr spät bewusst. Ich bin auf die elektronische Musik aufmerksam geworden, als ich die Love Parade im Fernsehen gesehen habe, und die war ja schon nachmittags am Laufen. Was war denn der großartigste Moment damals für dich, eine Situation, an die du dich immer erinnern wirst? Das war wohl mein Auftritt beim WMF im Café Moskau in Berlin, als ich während der Love Parade gespielt habe. Das war sehr verblüffend für mich, dass ich als nicht so bekannter Künstler in einer anderen Stadt die ganze Crowd bewegen konnte. Es war einfach perfekt. Die Techno-Szene gilt für viele als Hort der Drogen. Wie haben deine Eltern damals über deine DJ-Karriere gedacht? Meine Eltern haben sich nie wirklich Sorgen gemacht. Damals hat mich mein Vater immer begleitet und aufgepasst, dass nichts schief läuft. Ich selbst habe und hatte mit Drogen nichts zu tun. Was soll ich sagen: Club ist Club. Es gibt viele Menschen, die nur mit Drogen feiern können. Ich finde es wichtiger, die Musik zu sehen, die Musik selbst zu fühlen, ohne Einfluss von Drogen. Du bist jetzt 19 und veröffentlichst nach langer Zeit eine neue Platte. Warum warst du in den letzten Jahren untergetaucht? Nachdem ich meine erste Schallplatte veröffentlicht hatte, habe ich viel Zeit gebraucht, mich selbst zu entwickeln und meinen eigenen Stil zu finden. Ich musste sehen, in welche Richtung ich überhaupt gehen will. Es ist ja nicht einfach, als Vierzehnjähriger zu wissen, was die Musik ist, die man weiterführen will, wofür man geschaffen ist.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Kannst du diesen Prozess des musikalischen Vorantastens beschreiben? Das erfordert viel Zeit, die ich mir in den letzten Jahren genommen habe. Ich habe zum Beispiel viele verschiedene Musikrichtungen ausprobiert. Ich habe sogar richtige Popsongs auf der Gitarre geschrieben und gemerkt, dass sie gut sind, aber irgendwie nicht das, was ich genau möchte. So habe ich dann das Nächste ausprobiert und festgestellt, ja, okay, es ist cool, aber auch nicht das, was ich will. Am Schluss bin ich wieder im Elektro-Bereich gelandet, weil das einfach am besten zu mir passt. Außerdem musste ich lernen, mit dem Equipment effizienter umzugehen, um dann auch bestimmte Sounds zu erzeugen. Die Technik ist in der elektronischen Musik sehr wichtig. Das war ein wichtiger Schritt damals. Ich denke, jetzt mit meiner neuen Veröffentlichung auf „Gigolo“ ist es so weit, dass man sagen kann: das ist Martin Matiske. Wie würdest du den Stil beschreiben, den du gefunden hast nach all den Jahren? Ich würde meine Musik als Down-Elektro oder Downbeat-Elektro bezeichnen. Das Tempo ist sehr gediegen, damit die Stücke schön grooven, ein bisschen so wie im Miami Bass. Die Stimmen sind ins Minus gepitcht, ähnlich wie das Ende der Achtziger im Chicago House Künstler wie Lil Louis oder Adonis gemacht haben. Das sind so Größen für mich, die ich immer noch sehr verehre, weil sie zu der Zeit was bombastisch Schönes geschaffen haben mit ihrem Sound. In die Richtung werde ich weitergehen. Gibt es im Studio den Moment, in dem du dir eine tanzende Meute zu deiner Musik vorstellst? Ich stelle mir vieles vor, wenn ich im Studio bin, aber ich denke nie an tanzende Leute. Ich verbinde mit meiner Musik ganz andere Bilder: moderne Bauten zum Beispiel, aber manchmal auch grüne Wiesen oder Kornfelder, durch die der Wind durchbläst, oder ein verlassenes Dorf.

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