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3000 Euro brutto für die Location Scout

Marie sucht für ihren Job in Berlin und Brandenburg nach guten Orten für Film-, Fernseh- und Serienproduktionen.
Foto: Privat / Bearbeitung: jetzt

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Was ich als Location Scout mache

Als Location Scout halte ich Ausschau nach Drehorten für Film-, Serien- oder Werbeproduktionen. Ich arbeite selbständig, aber mit einer Motivagentur zusammen, über die ich Aufträge und Kontakte bekomme. Außerdem darf ich die Datenbank im Büro der Agentur nutzen, in der alle Orte stehen, die wir schon haben – das erleichtert die Arbeit sehr. Ich werde direkt von den Filmproduktionen angefragt, ob ich Zeit habe, ihren Film, Werbespot oder ihre Serie zu betreuen. Zuerst bekomme ich das Drehbuch zugeschickt, unterhalte mich mit dem Szenenbildner oder der Szenenbildnerin und gucke, welche Motive ich brauche. Dann suche ich erstmal in der Datenbank. Wenn ich dort nichts finde, gehe ich selbst auf die Suche. Das ist ein sehr kreativer Prozess, der mir gut gefällt. Einerseits bin ich viel unterwegs, fotografiere, lerne Leute kennen, andererseits muss ich auch Organisatorisches bedenken, also Fragen wie: Kann man hier rein logistisch überhaupt drehen? Die Abwechslung ist es, die mich so an meinem Job reizt.

Wie man den perfekten Drehort findet

Die Produktionen sagen häufig, dass sie eine Location mit dem „gewissen Extra“ wollen. Da frage ich mich oft, was das denn bedeuten soll. Man merkt aber sofort, wenn man an einem Ort steht, der genau dieses „gewisse Extra“ hat. Das sind zum Beispiel Perspektiven, die toll aussehen. Eine meiner ersten Locations, die ich gescoutet habe, war das Berliner Velodrom. Da stand ich unten auf dieser ovalen Fläche innerhalb der Radbahn. Ich war ganz allein, es war komplett dunkel, ich habe kaum was gesehen, aber die gigantischen Ausmaße der Halle wahrnehmen können. Das war schon sehr beeindruckend. Die Drehorte müssen irgendetwas Besonderes haben. Was genau das Besondere ist, ist von Projekt zu Projekt verschieden. Die Machbarkeit spielt aber auch eine Rolle: Der Drehort muss nicht nur das beste Bild liefern, sondern auch logistisch und finanziell tragbar sein. Meistens läuft es also auf einen Kompromiss hinaus.

Wie ich zum Job als Location Scout gekommen bin

Dass ich Location Scout geworden bin, war eher zufällig. Ich habe eigentlich Geografie in Berlin studiert und war in einer Sinnkrise, was ich denn nun damit machen soll. Also habe ich geschaut, was mich sonst noch interessiert. Ich war immer schon eine große Cineastin und habe auch mein Studium finanziert, indem ich im Kino gearbeitet habe. In einem Zeitungsartikel habe ich dann vom Job des Location Scout gelesen. Da wurde einer meiner jetzigen Kollegen interviewt, den ich dann angerufen habe. Zufällig hat der Bundesverband Location Scouts gerade eine Ausbildung angeboten, an der ich zusammen mit neun anderen Leuten teilgenommen habe. Dort habe ich einen Monat lang Theorie gelernt und dann gab es noch einen Monat Praktikum. Das habe ich bei der Motivagentur gemacht, bei der ich jetzt auch arbeite. Dass es so eine Ausbildung gab, war aber bisher einmalig, weil damals Nachwuchs gesucht wurde. Normalerweise kommen Leute zu dem Job, die vorher schon beim Film gearbeitet haben und sich dann aufs Location Scouting spezialisieren. Es hat also Glück und gutes Timing eine Rolle gespielt – dann war ich drin.

Wie mein Arbeitsalltag aussieht

Ich arbeite viel mit Google Maps oder recherchiere im Internet, wo ich die Locations finden könnte, die ich suche. Dann setze ich mich aufs Fahrrad oder ins Auto, fahre los und mache vor Ort Fotos. Außerdem spreche ich die Leute an, die dort wohnen, oder werfe Zettel in den Briefkasten, um herauszufinden, ob sie ihre Wohnung für Dreharbeiten zur Verfügung stellen würden. Manchmal frage ich auch die Hausverwaltung an. Manches entdeckt man auch durch Zufall – indem man mit den richtigen Leuten in Kontakt kommt oder in den richtigen Hinterhof läuft.

Meistens arbeite ich von 9 bis 16 oder 17 Uhr. Man wartet häufig bei meinem Job, etwa auf Feedback auf die Vorschläge, die man rausschickt. Manchmal kann ich also schon um 14 Uhr Feierabend machen, weil ich weiß, dass ich am gleichen Tag ohnehin keine Rückmeldung mehr erwarten kann. Dafür sitze ich manchmal auch bis in den Abend hinein oder am Wochenende am Schreibtisch, wenn es wirklich brennt.

Was der Job mit dem Privatleben macht

Mein Job ist grundsätzlich gut vereinbar mit dem Privatleben, da ich nicht rund um die Uhr, sondern zu überschaubaren Zeiten arbeite. Trotzdem beeinflusst die Arbeit mein Privatleben: Ich kann kaum noch durch die Stadt gehen, ohne irgendwelche Drehorte aus der Datenbank wiederzuerkennen. Ich sehe Orte, die ich aus Filmen kenne oder mir fallen Perspektiven auf, die gut wirken würden. Es ist schwer, das auszuschalten, aber eigentlich ist das auch schön, so über die Welt nachzudenken. 

Vorstellung vs. Realität

Was ich mache, ist ja nichts Alltägliches. Wenn ich von meinem Beruf erzähle, sagen die Leute oft: „Boah, das ist ja cool.“ Und es ist auch cool und sehr abwechslungsreich, allerdings hat der Job als Location Scout wie jeder andere auch seine Schattenseiten. Es gibt sehr stressige Tage, manchmal stehe ich unter Zeitdruck, mal läuft es nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich arbeite viel mit anderen Leuten zusammen, die natürlich auch manchmal gestresst sind. Der Ton wird schonmal etwas rauer, damit muss man umgehen können und nicht immer alles persönlich nehmen. 

Was ich auf Partys immer gefragt werde

Oft werde ich gefragt, wie die Location-Suche abläuft. Viele wollen auch wissen, wie lange ich fahren muss, um einen Drehort zu finden. Eine häufige Frage ist auch: Kann man davon denn überhaupt leben? Ich suche vor allem in Berlin, aber auch in Brandenburg. Da muss ich manchmal schon eine gute Ecke fahren, um Locations zu finden. Und leben kann ich von meiner Arbeit als Location Scout auf jeden Fall.

Häufig bekomme ich auch die Frage gestellt, ob man seine eigene Wohnung als Drehort anbieten kann. Das geht tatsächlich. Die Vorstellung, dass ein Film in den eigenen vier Wänden gedreht wird, ist für viele spannend und reizvoll. Man verdient dadurch auch ein bisschen was, weil die Produktion eine Motivmiete zahlt. Allerdings muss man als Mieter beachten, dass in der Regel der Vermieter zustimmen muss, wenn man in seiner Wohnung drehen lassen will.

Wie viel man als Location Scout verdient

Mein Einkommen schwankt stark, je nachdem, wie die Auftragslage ist. Über die vergangenen drei Jahre hinweg habe ich kontinuierlich mehr verdient. Am Anfang habe ich immer einen Auftrag nach dem anderen erledigt, aber inzwischen bin ich in der Lage, an mehreren Projekten parallel zu arbeiten. Im Schnitt liegt mein Gehalt jetzt bei 2900 bis 3000 Euro brutto im Monat. Da ist aber noch Luft nach oben. Die Kolleginnen und Kollegen, die das schon seit 20 Jahren machen, verdienen nochmal einen guten Schlag mehr. Das Geld reicht mir, es bezahlt mein Leben. Aber es ist natürlich schön, zu wissen, dass noch mehr möglich ist, wenn man dazu bereit ist, mehr Aufträge anzunehmen. 

Wie sich die Krise auf das Location Scouting auswirkt

Ich habe bisher in meinem Beruf noch kein normales Jahr mitgemacht, weil ich 2020 angefangen habe. Das erste Projekt konnte ich vor Beginn der Corona-Pandemie gerade noch so abschließen. Dann ging es für mich erstmal für sechs Monate ins Arbeitslosengeld, weil es einfach nichts zu tun gab. Wir haben unter der Pandemie zwar nicht so sehr gelitten wie die Kollegen vom Theater, aber auch einige Filmproduktionen konnten nicht durchgeführt werden. Das merken wir jetzt nicht mehr, dafür fängt es jetzt an, dass wir den Ukraine-Krieg und die Energiekrise zu spüren bekommen. Aufgrund der steigenden Kosten für Benzin und Strom werden viele kleinere Projekte verschoben oder abgesagt.

Welche meiner Locations man schon auf der Leinwand gesehen hat

Da ich erst 2020 angefangen habe, befinden sich die Projekte, an denen ich gearbeitet habe, gerade noch in der Post-Produktion. Die dauert ja immer sehr lang. Ich habe zum Beispiel für den vorletzten Berliner Tatort Orte gesucht. Das war eine meiner Lieblingssuchen. Da wurde viel am Engelbecken zwischen Kreuzberg und Mitte gedreht. Ich sollte zwei Wohnungen finden, die vom Typ her sehr verschieden sind – eine hochwertiger, eine etwas runtergekommen. Beide mussten aber dort liegen, weil es für die Story wichtig war, dass beide sich in dieser Gegend befinden. Das könnte man wiedererkennen, wenn man mal dort in der Gegend unterwegs ist. Ich habe zudem bei einem großen Projekt mitgewirkt, einer Sky-Serie, die aber wohl erst im Verlauf des kommenden Jahres herauskommen wird.

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