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Mädchen, was soll das Hopsen, wenn ihr euch freut?

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Die Jungsfrage:

Liebe Mädchen,

wenn wir uns freuen, also jetzt nicht in der Variante „Ui, nett“, sondern in der „Oooiiidaaaaa, wie hart geil ist das denn?!?!“-Version, dann wirkt viel stoische Kraft auf unseren Körper. Stellt euch mal eine geballte Faust vor. Eine richtig eng geschlossene. Habt ihr’s? Gut, dann rechnet das jetzt mal auf den ganzen Körper hoch.

 Denn ungefähr das passiert: Bei großer Begeisterung scheint sich bei uns viel zu ballen. Körperspannung, Erdung und dann vielleicht noch ein bisschen Energie-Entladung – durch Trommeln zum Beispiel. Nicht mehr unbedingt auf der Brust, aber auf Tischen oder Menschen oder was sonst gerade so da ist, das schon.

Wir haben da kaum Einfluss drauf. Es passiert einfach mit uns. Große Euphorie hat bei uns also etwas tendenziell Primatenhaftes. Denkt an Cristiano Ronaldo, wenn er ein Tor geschossen hat und an der Eckfahne seine Brustmuskeln herzeigt - und zieht 40 Prozent vom Gepose und die beschissene Frisur ab.

Bei euch ist das anders. Ihr freut euch mehr in Adjektiven, bei denen ich mir jetzt schon vorstellen kann, wie ihr mit den Augen rollt, wenn ihr sie hier lest. Aber das ist mir egal. Ich weiß ja, dass ich Recht habe. Ihr freut euch nämlich irgendwie ätherischer, luftiger, körperloser. Nicht so geballt. Und weil das bei euch alles eher eine große Leichtigkeit hat, hebt ihr beim Freuen manchmal ganz leicht ab. Und seltener auch ein paar Mal hintereinander. Ihr hopst dann ein ganz winziges bisschen. Ungefähr so wie Reese Witherspoon als Tracy Flick in "Election":  

Das kann sich in einem beschwingten Heisasa-Gang ausdrücken, zum Beispiel, wenn ihr uns (oder einander) auf dem Bahnsteig entgegeneilt. Aber ihr könnt es auch im Sitzen. Doch, doch: Sitzhopsen, das gibt’s. Und es verwirrt uns nicht nur technisch. Wir fragen uns auch und vor allem, was das über euch aussagt. Wir haben hier in einem Nebensatz ja schon mal die Theorie geäußert, dass ihr uns bei Begrüßungen ganz leicht anhopst, damit wir euch hochheben.

Jetzt wollen wir das mal ausführlicher wissen. Denn Hopsen, das sieht ja auch immer etwas niedlich aus. Und eigentlich ist niedlich sonst keines von den Adjektiven, denen ihr hinterher jagt. Oder doch? Geht es am Ende genau darum? Macht ihr das also bewusst? Im Ernst? Oder ist es Koketterie? Könnt ihr Grad und Höhe steuern? Oder habt ihr über das alles keine Kontrolle? Was ist da also los? Lasst mal hüpfen, die Antwort.

Die Mädchenantwort von Merle Kolber:

Zu Beginn eine Anekdote, die mein Großvater sehr gerne erzählt: Als ich sehr klein war, vielleicht vier Jahre alt, kam er uns besuchen. Ich freute mich riesig auf ihn, musste allerdings auf dem Weg zur Haustür noch eine Treppe überwinden. Für eine Vierjährige ist das anstrengend. Aber ich wollte ihn so gern begrüßen, dass ich die Treppe runterfegte und die letzten zwei Stufen sogar übersprang. Ich hopste also und landete mit beiden Füßen auf dem Boden, um ihn dann zu umarmen und mich hochheben zu lassen. „Und wie du dann so da standest, voller Stolz über deinen Sprung und gleichzeitig so fröhlich, da wusste ich, dass du gut durchs Leben kommst“, sagt Opa immer am Ende der Anekdote und lacht in seinen Rauschebart hinein.

Hopsen ist für mich also von klein auf mit etwas Positivem verbunden. Wer hopst und dabei nicht stürzt, hat's drauf und macht andere Menschen gleichzeitig auch noch fröhlich. Das hat dazu geführt, dass ich zu einem Hopse-Mädchen wurde. Das hat auch viel mit Emotionen zeigen zu tun: Ich muss Menschen nicht sagen, dass ich mich freue, ich kann es ihnen zeigen. Der Text wird gelobt? Hopser. Wiedersehen nach langer Zeit? Hopser. Es gibt Eis? Dreifach-Hopser. Das ist natürlich ein bisschen albern und kindisch und hat vermutlich auch viel mit „Süß-sein-wollen“ zu tun. Es gibt Frauen, die deshalb mit den Augen rollen. Die absolut keine Hopser-Frauen sind. Das sind dann auch solche, die zu einem Geschenk sagen „Danke, ich hab mich sehr gefreut“, und lächeln. Das war's.

Mir reicht diese unterkühlte Freude nicht. Ich gehöre auch zu den Menschen, die gerne umarmen. Lieber albern als unemotional. Lieber für „süß“ befunden und dann unterschätzt werden als künstlich hart zu sein. Nur weil man hopst, heißt das ja nicht automatisch, dass man weich ist. Zuckerguss über Stahl und so. Aber es hat zumindest die eindeutige Aussage: Ich freu' mich gerade wirklich, ohne großes Ruminterpretieren. Da liegt übrigens auch der Unterschied zwischen uns Mädchen und euch Jungs: Ihr freut euch über Geschenke immer wie besagte Anti-Hopser-Mädchen. Und da weiß ich dann auch nie so recht, ob ihr euch wirklich freut oder eher beschämt seid.

 

Und, um da auf deine Frage zurückzukommen: Natürlich ist das manchmal inszeniert. Aber ist das wirklich so schlimm? Man schadet damit niemandem, im Gegenteil: Alle freuen sich - und ein bisschen süß gefunden zu werden ist nicht das Allerschlimmste auf der Welt, oder?

Allerdings, das muss ich mir selbst eingestehen: Hopserei hat ein Verfallsdatum. Spätestens, wenn man selber Kinder hat und denen nicht die Show stehlen will, muss Schluss sein. Bei Kinderlosen würde ich die Grenze, abhängig vom Kontext (beruflich hopst es sich schwieriger als privat), bei Mitte 30 setzen. Spätestens da wird es unauthentisch, da kann man noch so viel vom inneren Kind faseln.

 

Wer dann die Hopserei zu sehr vermisst, dem sei hier noch ein Hoffnungsschimmer mitgegeben: Mit zunehmendem Alter wird sie nämlich wieder gesellschaftsfähig. Schonmal eine hopsende Omi gesehen? Vielleicht eine, die, wenn die Enkel sie besuchen auf ihrem Sessel oder Rollstuhl leicht aufspringt? Bei der wird niemand sagen, das sei albern. Das ist dann einfach wieder: süß.

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