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Macht uns eine Freundin interessanter?

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Die Jungsfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Was gibt es Schöneres, als frisch verliebt zu sein? Gestillt der männliche Jagdtrieb, vorbei der Stress, bei der hübschen Kunststudentin am Tresen gut ankommen zu müssen. Nun ist eine Zeit angebrochen, in der ein Videoabend zu zweit mehr erfüllt als Konzertbesuche und Kneipentouren mit Freunden, die alleine und mit Kater enden. Seit drei Monaten genieße ich diese Zweisamkeit und nichts stört unser trautes Glück, fast nix. Denn meine Beziehung hat einen Nebeneffekt: Mein Sexappeal steigt. Da gab es Sandra, eine 24-jährige Modedesignstudentin, die mich morgens um halb acht in einer überfüllten S-Bahn nach meiner Telefonnummer fragte. Und mein Jugendschwarm Anna, für die ich jetzt auf Parties zu einem gern gesehenen Gesprächspartner geworden bin. Nicht einmal in Begleitung meiner Freundin bin ich vor neuen Avancen sicher. Neuerdings schieben sich Mädchen gerne zwischen mich und meine Freundin und wollen tanzen. Ich bin mit meiner neugewonnenen Anziehungskraft sehr zufrieden, meine Freundin hingegen betrachtet die Angriffsversuche ihrer weiblichen Rivalen als Gift für unser noch zartes Beziehungspflänzchen. Ich habe keinen neuen Duft, keine neue Frisur, kein neues Styling, nur diese neue Beziehung, die als Erklärung für euer gesteigertes Interesse an mir in Frage kommt. Meine Freundin gesteht sogar, sich selbst schon einmal in ferner Vergangenheit an einen vergebenen Mann herangeschmissen zu haben. Ist da was dran? Sind euch Singles einfach zu langweilig? Ist es der Reiz am Verbotenen? Wertet mich ein besonders hübsches Mädchen auf? Seht ihr eine weniger schöne Partnerin als Angriffsmöglichkeit? Und kann es sein, dass ihr liierte Männer als Beweis eurer Überlegenheit anbaggert? Die Mädchenantwort steht auf der nächsten Seite.


Die Mädchenantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Es gibt hier verschiedene schlüssige Antworten, die sich allerdings nur partiell überschneiden und doch irgendwie auf das Gleiche hinauslaufen: Manchmal sind wir Menschen bescheuert und verhaltensgestört. Aber von Anfang an... Theorie 1: Wer vergeben ist, der markiert sich selbst als beziehungstauglich, womit er zwei Drittel der Menschheit meiner Meinung nach etwas voraus hat. Indem ein Junge beweist, dass er fähig ist, sich eine Freundin zu angeln und diese konstant bei sich zu behalten, signalisiert er, dass er ein passables Männchen für etwaige Nachkommenschaft ist. Dieser Steinzeitreflex reizt uns dann so sehr, dass wir recht schnell auf den Jungen aufmerksam werden und unsere Chancen abwägen. Die stehen natürlich im Angesicht der Tatsache, dass der Herr eine Freundin hat, denkbar schlecht. Deswegen wird dieser rudimentäre Reflex von einem noch viel rudimentäreren abgelöst. Hier ist die Gefahr groß, in Theorie 2 abzudriften. Theorie 2: Ich will das, was ich nicht haben kann. Diesen Effekt kennen wir alle. Als wir fünf waren bekam unser bester Kumpel oder unsere beste Kumpelin ein Schokoeis und wir eins mit Vanillegeschmack. Spätestens nach einer Minute gab es große Kräherei, weil man eigentlich jetzt viel lieber Schoko statt Vanille haben wollte. Genauso ist das mit vergebenen Männern. Jetzt da sie eine Freundin haben, finden wir sie doch eigentlich ganz süß und bereuen es zutiefst, die große Chance auf eine Beziehung verpasst zu haben. Dann schwenken wir gerne zu Theorie 3 über, die allerdings auch vollkommen autonom stattfinden kann: Ich, die große Dompteurin rette, zähme und bekehre dich! Schließlich haben wir alle so einen kleinen Mutterkomplex und glauben, per se besser zu wissen, was gut für euch ist. Und in diesem Moment wissen wir eins mit absoluter Sicherheit: Eure aktuelle Freundin, Mann, die ist aber auch echt gaaaar nix für euch. (Wenn man das aufschreibt, klingt es gleich noch dämlicher als dieses Verhalten eh schon ist.) Theorie 4 trifft bevorzugt auf den kleinen Feigling zu, der sich gern mal neben dem Marktwerttester in unserem Kopf breit macht, um uns in Gemeinschaftsarbeit zu schikanieren. Das funktioniert dann folgendermaßen. Der Marktwerttester sagt zum Feigling: „Hey, da vorne ist der Simon, ob der uns wohl scharf findet? Müssen wir gleich herausfinden.“ Darauf antwortet der Feigling: „Ja, tolle Idee, weil wenn der uns nicht scharf findet, dann nur, weil er's vor seiner neuen Freundin nicht zugeben will. Ach sowieso, der und seine Freundin, die sehen so verliebt aus, da kränkt es uns nicht, wenn sie sich nicht für uns interessieren.“ Sprich, wenn ich einen vergebenen Mann anspreche, ist die Fallhöhe überschaubarer. Wahnsinn, in welcher bescheuerten Denkspirale wir uns gerade befinden, oder? Ich schäme mich in Grund und Boden, dass wir Mädels manchmal so verhaltensgestört sind, aber sorry Jungs, es geht noch schlimmer. Theorie 5: Nur erlegtes Wild, ist gutes Wild! Es gibt tatsächlich Mädels, die sich mit Vorliebe an vergebene Männer ranschmeißen, um zu bestätigen, dass Jungs nicht treu sein können und weil sie der Kick des Erwischtwerdens reizt. Mit ihrem Streifzug durch bereits besetzte Schlafzimmer können sie ihre eigene Bindungsangst schön akribisch unter den Teppich kehren und auch noch den Moralapostel raushängen lassen, mit Sätzen wie: „Ich habe niemanden betrogen als wir miteinander geschlafen haben und wenn du deine Freundin betrügst, ist das ganz allein dein Problem.“ So, und an dieser Stelle möchte ich diese Gedankengänge jetzt abbrechen, weil mir schlecht ist. Ist es nicht unfassbar traurig mit welchen Theorien sich dieses hirnrissige Verhalten beschreiben und begründen lässt? Sicherlich jedes Mädchen muss in dieser Sekunde mal in sich gehen und zugeben, dass es irgendwann in seinem Leben mindestens einmal nach einer der Theorien agiert hat und das halte ich für sehr bedenklich. Ich finde, wir gehen uns jetzt alle fünf Minuten schämen und nehmen uns für das Wochenende vor, vergebene Menschen aber auch wirklich, ja ganz bestimmt und wirklich nicht anzuflirten. Ach und was deine Freundin angeht: Kauf ihr mal Blumen und sag ihr, dass sie die Einzige ist und du im Leben nicht an Sandra und Anna interessiert bist. michele-loetzner

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