Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Mädchen, dürfen wir euch Kumpel nennen?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:



Freundschaft ist nicht gleich Freundschaft. Es gibt unterschiedliche Arten und Abstufungen, und die machen sich schon in der Wortwahl bemerkbar. Wenn wir am Wochenende auf die WG-Party des netten Sitznachbarn aus der Vorlesung gehen, könnten wir theoretisch sagen, wir gingen auf die Feier eines Freundes. Tun wir aber nicht. Wir sagen: „Ein Kommilitone macht ne Party.“ Oder: „Ich geh auf die Party von einem aus Statistik.“ Denn den Kommilitonen finden zwar irgendwie sympathisch – sonst säßen wir nicht neben ihm und würden schon gar nicht auf seine Party gehen. Das Gütesiegel „Freund“ muss er sich aber noch verdienen. Dazu braucht es mehr als die Tatsache, dass man sich einmal die Woche erfolgreich gegenseitig von der Vorlesung ablenkt und sich auf einer Party zuprostet und dabei Witze über den Professor reißt.

Ein Freund ist jemand, der ziemlich wichtig ist in unserem Leben, mit dem wir eine Woche Urlaub in einem Zelt trotz fünf Regentagen gut überstanden haben, dem wir gestehen, in welches Mädchen wir ein bisschen verliebt sind. Und dann gibt es da noch eine Bezeichnung für uns freundschaftlich verbundene andere Jungs: Kumpel. Der Kumpel ist irgendwas zwischen Freund und dem sympathischen Menschen aus der Uni oder dem Büro. Wir kennen ihn ziemlich gut und wahrscheinlich auch schon eine ganze Weile, wir mögen ihn und rufen ihn gerne an, um mit ihm ein Bier trinken zu gehen. Er wäre aber nicht derjenige, den wir aus dem Bett klingeln, wenn unsere Freundin uns verlassen hat. Unsere Beziehung ist weniger von Ernsthaftigkeit durchzogen, unverbindlicher, wenn man so will: spaßorientierter.

Ein Kumpel ist nicht beleidigt, wenn wir ihm zu spät zum Geburtstag gratulieren oder uns drei Wochen nicht bei ihm melden. Oft haben wir mit Kumpels auch nur eine Sache gemeinsam. Im Sprachgebrauch – wenn ich mich nicht irre, vor allem in eurem Sprachgebrauch – taucht der Kumpel ja auch oft im Rudel und mit einem Anhängsel auf. Die Skate-Kumpels, die Fußball-Kumpels, und so weiter. Es gibt also in manchen Kumpelschaften einen Bereich, in dem die Kumpels gut zusammen funktionieren und Riesenspaß haben. Außerhalb dieses Bereichs können ihre Leben aber relativ berührungslos nebeneinander vorbeilaufen.

Was aber, wenn wir auch mal ein Mädchen als Kumpel bezeichnen möchten? Klar, der Begriff weist eigentlich keine weibliche Version auf (Kumpelin? Kumpeline?? Kumpelette???). Inhaltlich passend wäre es trotzdem manchmal: Weil wir die oben erläuterte Form der Beziehung pflegen, das Mädchen also gerne mögen, zusammen sehr viel Spaß haben, seine Gesellschaft genießen, ohne es ständig um uns haben zu müssen. Auch wenn das Mädchen mit diesen Grundkoordinaten unserer Beziehung total einverstanden ist, habe ich aber das Gefühl, es wäre wahrscheinlich gekränkt, wenn wir es in einer Runde mit „Das ist die Friederike, ein Kumpel von mir“ vorstellen würden.  

Ist das so? Dürfen wir euch wirklich nicht als Kumpel bezeichnen? Würde euch das stören? Und wenn ja, warum?



Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ich fürchte, meine Antwort klingt furchtbar zickig: Nein, ihr dürft uns wirklich nicht als Kumpel bezeichnen.  Ja, das würde uns sehr stören.  

Warum das so ist? Unter einem Kumpel verstehen wir etwas sehr Männliches: Ein Kumpel ist für uns jemand, mit dem man Fußball guckt und saufen geht – da wären wir unter Umständen noch mit dabei –, aber mit dem man genauso gut auch Furz- und Rülpswettbewerbe veranstalten kann. Da sehen wir uns dann eher nicht. Dass es keine weibliche Version des Kumpels gibt, ist also kein Zufall.  

Wenn ihr uns Kumpel nennt, macht ihr uns damit verbal zum Typen oder, im Zusammenspiel mit unserem tatsächlichen Geschlecht gedacht, zum Neutrum/Zwitter. Aber auch wenn wir uns rein platonisch gut verstehen, ist es uns wichtig, dass ihr uns weiterhin als weibliches Wesen wahrnehmt. Wenn ihr das nicht tut, schließen wir nämlich aus einer relativ komplizierten „Aus A folgt B“-Konstruktion, dass wir in euren Augen hässlich wie die Nacht sein dürften.  

Freundschaften zwischen Männern und Frauen funktionieren in aller Regel ja nur, indem beide Seiten konsequent ignorieren, dass da über tiefschürfende Gespräche hinaus noch interessante Dinge passieren könnten – zumindest, wenn man sich auch nur ansatzweise attraktiv findet. Wir wissen durch unsere freundschaftliche Beziehung zueinander relativ sicher, dass ihr gerne mit uns Zeit verbringt, dass ihr uns nett und sympathisch und charakterlich einigermaßen gelungen findet. Eine sexuell geartete Erweiterung der Beziehung wäre also wahrscheinlich nicht völlig verkehrt, wenn auch eigentlich nicht erstrebenswert, wenn wir nicht ineinander verschossen sind – der Freundschaft zuliebe. Also unterlassen wir es in der Regel, mit euch zu flirten und lassen auch eure bisweilen vorkommenden Charmeattacken an uns abprallen.  

Ignorieren der ab und zu aufkommenden sexuellen Spannung in Freundschaften zwischen euch und uns gibt euch aber noch lange nicht das Recht, sie zu negieren, in dem ihr uns „Kumpel“ nennt. Denn damit sagt ihr dann nicht nur, dass wir uns gut verstehen, sondern auch, dass wir uns nur deshalb nicht mehr als gut verstehen, weil wir eher weniger attraktiv sind. Weil: nett und sympathisch und charakterlich einigermaßen gelungen findet ihr uns ja, daran ist es also nicht gescheitert. Deshalb bitte auch in Zukunft das umständliche „eine gute Freundin von mir“, wenn ihr uns vorstellt.

juliane-frisse

  • teilen
  • schließen