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Mädchen, dürfen wir öffentlich eure Brüste loben?

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Folgendes berichtete mir ein Freund aus seinem Surfurlaub: Er hätte eine andere Gruppe deutscher Surfer kennengelernt, darunter auch ein paar Mädchen. Wie es Surfer so machen, ging man zusammen surfen und naja, mein Kumpel sah eines dieser Mädchen im Neoprenanzug und sagte im Affekt: „Schöne Brüste." Einfach so, er kannte die Dame erst seit einer Stunde. Er ist eine Ausgeburt des Charmes und ich bin mir sicher, das kam viel netter rüber, als es hier geschrieben aussieht. Er meinte, er hätte es einfach so betont wie „Schöne Schuhe." Das solcherart angesprochene Mädchen war wohl eine Sekunde verdattert, meinte dann aber ziemlich cool: "Danke." Und fertig war der normalste unnormalste Dialog über Brüste, den ich mir denken kann.

Ich meine, ich würde nie bei einer Bekannten einfach mal so die Brüste loben. Die Frisur, die Augen, die Armmuskeln, meinetwegen auch die Beine und den Hintern, das alles würde noch als unverfängliche Nettigkeit durchgehen. Bei Busenlob aber, so stelle ich mir vor, würde ich ziemlich nahe an einer Ohrfeige spazieren gehen. Dabei denke ich natürlich ziemlich oft genau das: Schöne Brüste. Auch, wenn man sie nicht nackt sieht, findet man sie ja manchmal schon ganz sehenswert. Aber sollen wir das einfach mal sagen? Freut ihr euch darüber? Machen wir uns da unnötige Sexismus-Vorwürfe? Oder ist dieses Lob den Lebensabschnittspartnern vorbehalten?

Die Antwort vom Mercedes Lauenstein liest du auf der nächsten Seite.



Wir können ja jetzt schlecht sagen, dass ihr immerzu unsere Brüste loben sollt - denn selbstverständlich sind sie ein mit diversen Tretminen bestücktes Intimterrain, das wir bittesehr mit größter Vorsicht behandelt wissen wollen. Trotzdem können wir nicht genug schmeichelnde Worte über unsere Brüste hören. Die sind nämlich ein Thema, um das sich seit jeher Unsicherheiten ranken. Erst wollen sie einfach nicht wachsen. Oder sie wachsen  viel zu früh. In den ersten Jahren tun sie dauernd weh, beim Sport, beim Schlafen, beim Ausversehen-gegen-die-Tür-rennen. Dann haben sie irgendwie nicht die Form oder die Größe wie bei den Frauen in der Werbung oder dem Lieblingsmodel – und bei jedem Blick in den Spiegel prüft man sie auf den meistgefürchteten Brust-GAU neben Krebs: Hängepotential! Alptraum, hilfe, Angst! Hinzu kommt, dass die eigenen Freundinnen gefühlt sowieso viel schönere Brüste haben als man selbst, ein bisschen so wie bei ihren Müttern auch das Essen immer besser schmeckt. Und selbst wenn wir uns eines Tages ans Brüstehaben gewöhnt haben (und sie plötzlich sogar gelungen finden): Insgeheim freuen wir uns immer noch über jedes Kompliment - ganz egal, auf welchem Wege es uns übergeben wurde.

Aber wie wir darauf reagieren und ob diese Freude nicht zur gleichen Zeit auch wegen Zu-nahe-Rückens eine der Tretminen zündet, das hängt davon ab, wann und wie ihr es sagt. Das vorlaute Brustkompliment an sich identifizieren wir nämlich schnell als billige Anmachwaffe. Schielende Prollhähne oder besoffene Schwerenöter, die es uns entgegensabbern, bekommen bestimmt kein Surfergirl-„Danke", sondern irgendwas zwischen Arschtritt und kalter Ignoranz. Gleiches gilt für zugekokste Clubbetreiber und selbstüberschätzte Lackaffen an der Supermarktkasse.

Sollte sich die von dir gemeinte Komplimentsituation aber tatsächlich so spontan und unschuldig zugetragen haben, wie du sie beschreibst, dann klingt sie genau so schön und klar und aufregend wie man sich das Meer an den Füßen der beiden vorstellt.

Man müsste es also so sagen: Ihr dürft unsere Brüste natürlich nicht öffentlich loben, so lange ihr nicht unser Lebensabschnittsjunge seid. Aber wenn es doch passiert und ihr euch selbst ein wenig dafür schämt, was ihr da gerade gesagt habt, dann ist es überhaupt nicht schlimm. Dann ist es sogar sehr schön, dass es mal einer sagt. Und dann sagen wir Danke, ein bisschen distanziert, ein bisschen grinsend und ziemlich euphorisiert.

mercedes-lauenstein

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