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Mädchen, warum hört ihr irgendwann auf, den perfekten Mann zu suchen?

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Die Jungsfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Genau das regt mich am meisten auf: Jahrelang habt ihr nichts Besseres zu tun, als euch den perfekten Mann auszumalen, auszudenken und zu suchen und am Ende nehmt ihr den letzten Hans-Dietrich. Aber von vorne. Ihr sucht zu Beginn eures Lebens nach Mister Right, Mister Perfect, Mister Spiderman mit Öko-Antrieb. Nun, machen wir umgekehrt schon auch; aber wir, mein Eindruck, unternehmen die größeren Anstrengungen, nach eurem erlesenen Geschmack zu sein. Wir lernen, sanft und schroff zur gleichen Zeit zu wirken, wir sind süß-sauer, wir sind eine Art Gewürzboard der Gefühle. Magste Rosmarin nicht? Hab auch Majoran. Warum? Weil wir den Eindruck nicht loswerden, dass ihr in Sachen Liebe die schlimmeren Scharfrichter, die ungeduldigeren Sucher, die akribischeren Hingucker seid. So glücklich die Beziehung sein mag, ihr schlaft dennoch einmal die Woche mit einem Gesichtsausdruck ein, der uns sagt: Ein bisschen was fehlt diesem Kerl da neben mir aber noch. Sei es Humor, sei es Belesenheit, sei es Eigeninitiative. Ein ewiges Geschustere und Gediskutiere hat man mit euch in den ersten Beziehungsjahren - wir lassen uns fallen und ihr macht euch Gedanken. Ihr nehmt das Projekt Mann schon sehr ernst, ein langes Frauenleben voll von Suche. Und dann passiert das: Ihr seid sechs Jahre mit uns zusammen, dann Trennung wegen Warumauchimmer und man würde denken, dass ihr die neu gewonnene Freiheit am Ende der Zwanziger Jahre dazu nutzt, euch redlich und ausgiebig auf dem Freundschafts- und Heiratsmarkt zu trollen; auf der Suche nach Dr. Sautoll. Aber! Ihr hüpft dem erstbesten Trottel in den Arm, einem hageren Maschinenbauer, einem genarbten Losbudenbesitzer, einem geschleimten HedgeFondser. Den heiratet ihr, der schenkt euch Kinder und Feierabend Emma. Jetzt mal: Hä? Warum geht bei euch plötzlich alles so schnell? Warum gebt ihr mit einem Mal eure Ideale an der Garderobe ab und bequemt euch mit Vollhonks, die früher ungangbar gewesen wären? Warum hört ihr mit einem Mal auf zu Suchen? Und bitte kommt uns nicht nur mit der biologischen Uhr. Da steckt doch mehr dahinter!


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Mädchenantwort Uff, also wenn wir das so lesen, wird uns jedenfalls klar, mit wem wir nach euch unter gar keinen Umständen zusammen kommen wollen. Mit uns selbst – denn das ist offenbar sauanstrengend. Tatsächlich rührt die Mäkeligkeit, die ihr uns da unterstellt, nicht von ungefähr. Wir meinen es eben ernst mit euch, verdammt noch mal! Es ist so: Anfang, Mitte Zwanzig begegnet eine von uns einem von euch und es macht Liebe. Und zwar so richtig und auf beiden Seiten. Aus dem dichten, unentschlossenen Nebel der postpubertären Phase, als wir noch mit ungewaschenen Drogenboys oder 15 Jahre älteren Bandgitarristen herum machten, taucht auf einmal der EINE von euch auf, den wir uns immer her gewünscht haben. Den wir, jawohl, lange gesucht haben. Der schlaue Sätze sagt, coole Sachen macht und aussieht wie der Vater unserer zukünftigen Kinder. Wir lassen uns also volle Kanone auf euch ein, verbringen zahllose begeisterte Tage und hingebungsvolle Nächte an eurer Seite und nehmen uns ganz fest vor, dass ihr dieser EINE für uns bleiben werdet. Und das tut ihr auch und wir planen euch in den Rest unseres Lebens immer enger ein. Dieser Rest schiebt sich halt immer weiter hinaus. Früher hättet ihr uns geheiratet, „die Tüte geklebt“ und fertig. Nix Gewürzmischungsproblematik. Heute haben wir die Zeit, an und mit euch zu lernen, was wir in einer Beziehung und von einem Jungen wirklich wollen. Oft stellen wir nach einer Weile nämlich fest, um jetzt in eurem aromatischen Bild zu bleiben, dass euch eben doch ein Hauch Zimt-Eigenschaft fehlt. Oder vielleicht fehlt sie euch gar nicht, sondern wir haben erst jetzt gemerkt, dass wir doch Bock darauf haben und weil ihr ja der EINE seid, wollen wir euch diesen Mangel gar nicht vorwerfen. Sehr wohl möchten wir aber, dass ihr ihn behebt. Vielleicht bekommt ihr das auch hin, aber euch nervt, dass ihr das sollt. Dann wird die Beziehung ein bisschen doofer, weil wir euch ja eigentlich nichts Böses wollten sondern nur alles besser machen – für uns beide. Und nach wieder mehr Zeit merken wir, dass uns immer noch Zimtmäßigkeit an euch abgeht und außerdem haben wir auch Lust auf was Süßes. Und dann versuchen wir wieder euch das klar zu machen und schämen uns auch dafür, aber wir glauben doch an unsere Liebe und Beziehung ist ja auch Arbeit, und ihr seid jetzt noch genervter und findet, dass wir nie zufrieden mit euch sind. Wir verstehen selbst nicht, warum es uns auf einmal um Zimt und Zucker geht, wenn wir uns doch in eure eher salzige Bombenmischung so sehr verliebt haben. Wir stellen auch fest, dass ihr euch von uns nicht so einplanen lasst, wie wir das wollen. Oder aber, dass wir uns nicht in euren Plänen feststellen können. Und mit den zunehmenden Inkongruenzen, die zwischen unseren Wünschen und Vorstellungen und euren Eigenschaften und Plänen entstehen, lernen wir endlich einzuschätzen, was wir wollen. Wie wir leben möchten und mit was für einer Art Mensch wir so ein Leben teilen können. Dass so ein Mensch vielleicht eben eher Zimt als Paprikapulver sein muss, und dass es manchmal nicht auf einzelne Eigenschaften ankommt, sondern auf die Gesamtmischung. Irgendwann fühlt ihr euch nicht mehr geliebt oder wir uns nicht geschätzt und dann geht das Ding in den Eimer. Aber im Unterschied zu euch wissen wir, warum das so war. Denn von unserem Erkenntnisprozess während der Beziehung habt ihr leider nur den Druck wahrgenommen. Deswegen geht ihr nach Trennungen oft erstmal wieder auf die Pirsch, wir aber erkennen den Zimtundzuckerjungen – den ihr für den Vollhonk haltet – sehr schnell und haben überhaupt kein Problem damit, ihn einzupacken und nach Hause zu nehmen. Denn wenn wir schon wissen, was wir wollen, dann wollen wir auch nicht mehr darauf warten.

Text: peter-wagner - und meredith-haaf

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