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Mädchen, was habt ihr für ein Problem mit Klimaanlagen?

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Ich interessiere mich nicht besonders für Autos. Eigentlich finde ich sie nur nützlich. Ich finde auch technischen Schnickschnack überflüssig. Das einzige Accessoire, auf das ich beim Kauf meines letzten Gebrauchtwagens Wert legte, war die Klimaanlage. Denn diese Erfindung halte ich nicht erst seit dem ersten sommerlichen Stau des Jahres für eine der besten der Menschheit.  

Es vergeht im Sommer kaum ein Tag, an dem ich während der Fahrt noch ein Fenster öffne. Zu schön ist das Gefühl, Herr über die Temperatur zu sein und zumindest im Mikrokosmos Auto das Klima bestimmen zu können. Sogar so schön, dass ich - selbst wenn es überhaupt nicht warm ist - kurz den Klima-Knopf drücke, nur um zu spüren, wie die kühle, trockene Luft um meinen Kopf strömt. Das fühlt sich nach warmen Ländern und weiter Welt an. Nach Amerika, wo sowieso alles klimatisiert ist und nach ein bisschen Luxus. Herrlich! Die schmutzige, schwitzende Welt kann draußen bleiben.   

Leider konnte ich dieses Vergnügen aber bisher nur richtig genießen, wenn ich alleine oder in männlicher Begleitung war. Sobald ein Mädchen neben mir saß, dauerte es nicht lange bis zu den ersten Fragen und Klagen. Warum ich denn nicht die Fenster öffne, es sei doch schließlich so schön warm draußen. Dass das Mädchen schon spüre, wie es gerade krank würde, weil es „Zug“ bekäme. Als ich meine Freundin neulich an einem warmen Abend von der Arbeit abholte, musste sie sogar erstmal alle Türen öffnen, bevor sie sich ins Auto setzte - sie saß lieber von schwüler Gewitterluft umgeben im Auto als von dem gefürchteten „Zug“, der wohl sämtliche Erkältungsviren der Welt zu transportieren scheint.  

Ein weiterer Beweis für die klimatische Geschlechter-These ist die Geschichte eines guten Freundes und Beifahrers, der im letzten Sommer bei sehr herbstlichem Wetter die Klimaanlage auf „ganz kalt“ stellte. Schon bald hörten wir erzürnte Worte von der weiblich besetzten Rückbank, denen er nur mit einem „Wieso? Es ist Juli, da macht man die Klimaanlage an“ entgegnete. Was die Technik möglich macht, wird auch genutzt.  

Obwohl mir diese Argumentation ein bisschen zu gewagt und auch der probierte Witz nicht wirklich lustig ist, zeigt dieses Beispiel doch etwas, das mir viele männliche und weibliche Bekannte bestätigen: Uns Jungs kann es gar nicht kalt genug sein, während euch Mädchen die maschinengemachte Frischluft sehr schnell unangenehm zu werden scheint. Aber warum eigentlich? Ihr mögt doch auch sonst keine Schweißflecken auf Hemdchen und Gesicht und seid Komfort im Allgemeinen doch eher zugetan, während wir lieber versuchen den Naturgewalten zu trotzen. Und im Winter freut ihr euch über funktionierende Heizungen, wenn wir noch den harten Macker im Schneesturm mimen. Oder sind das alles überholte Klischees und ich habe nur vorurteilstreue Freundinnen? Kann mir mal eine von euch erklären was da im Sommer los ist?  
 


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Ich sage es ja wegen akuter Klischeegefahr nicht gerne, aber: Du hast Recht. Auch meiner Erfahrung nach haben wir Mädchen eher Probleme mit klimatisierter Luft als ihr Jungs. Tatsächlich scheint für uns über jedem künstlich erzeugten Kaltluftzug eine Art riesiges Warnschild mit der Aufschrift "Achtung, Erkältung!" zu schweben.

Dass Mädchen um ein Vielfaches empfindlicher sind als Jungs, ist keine Erklärung, die ich hier ernsthaft vertreten möchte - und doch bin ich davon überzeugt, dass wir Mädchen diese Angst vor dem berüchtigten „Zug“ von unseren Müttern und Großmüttern mit auf den Weg gegeben bekommen haben. Sei es, dass sie erkältet von einer Reise nach Hause kamen und sagten: „So anstrengend war die Reise eigentlich gar nicht, aber die Klimaanlage, die hat mir einfach den Rest gegeben!“. Oder dass sie auf Autofahrten plötzlich aus dem Nichts heraus einen Rappel bekamen, die Klimaanlage ausschalteten mit der Begründung, das müsse aufhören, sie vertrügen das einfach nicht. Es wurde uns empfohlen, immer gut auf uns aufzupassen, vor allem dort, wo die unentrinnbare Terrorklimatisierung Programm ist: In Nachtzügen, auf Langstreckenflügen, in großen Möbelhäusern und Hotellobbys.

Die Warnung vor Krankheit durch Klimaanlagen stammt aus einer Schublade, in der auch die Empfehlung wartet, wegen drohender Blasenentzündung bloß nicht zu lange auf kalten Steinen zu sitzen. Zumindest letzteres ist ja, wie man mittlerweile weiß, Quatsch: Blasenentzündungen entstehen nicht durch Kälte, sondern durch Bakterien. Genau so, wie Klimaanlagen auch nur schädlich sind, wenn zum Beispiel die Lüftungsfilter nicht regelmäßig gereinigt werden oder man bei 45 Grad Außentemperatur innen stundenlang auf Dauerfrost stellt. Nur wussten das unsere Mütter damals eben noch nicht und wurden von ihrem, zugegebenermaßen leicht hypersensiblen, Schutzinstinkt gesteuert: Kälte macht mich krank, macht mein Kind krank, ist also hochgefährlich!

Dass die Angst vor der künstlichen Frischluft noch immer tiefer im Mädchenempfinden verankert ist als in dem von Jungs (die ja durchaus auch Kinder von Müttern sind), erkläre ich mir so. Jungs sind ohnehin von klein auf daran gewöhnt, gegen das Sicherheitsdenken der Mutter zu rebellieren und in unbeobachteten Augenblicken alle verbotenen Dinge erst recht und mit größter Freude zu tun. Vielleicht habt ihr eben doch in einigen Belangen ein größeren Hang zum Risiko und ein ausgeprägteres Faible dafür, etwas zu regieren, ganz so wie es euch passt. Die Temperatur in einem Raum zu bestimmen verleiht euch eine Genugtuung, die bei uns nicht unbedingt Priorität hat. Im Gegenteil, wir denken eben eher langfristig und finden, dass es das nicht wert ist, für fünf Minuten Kühlung fünf Tage mit Erkältung im Bett zu liegen.

Ich gebe zu, dass ich meine Kinder mit dieser übervorsichtigen Klimaschnupfenlegende eines Tages lieber verschonen würde, aber garantieren kann ich es nicht. Denn jedes Mal, wenn mir der trockenkalte Luftzug ins Gesicht bläst, schrillen bei mir Alarmglocken: Steifer Nacken! Dicke Nebenhöhlen! Waargh, ein Wochenende im Krankenbett! Und dann ziehe ich es doch wieder vor, stur zu schwitzen. Ich weiß nicht, ob sich das noch ändern lässt.

mercedes-lauenstein 

Text: juri-gottschall - Foto: Jelka / photocase.com

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