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So siehst du dich selbst auf Drogen

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Manche Menschen nehmen Drogen, um dem Arbeitsalltag zu entfliehen. Andere nehmen sie, um im Arbeitsalltag zu funktionieren. Bryan Saunders nimmt Drogen, weil sie Teil seiner Arbeit sind.  

Saunders, 45 Jahre alt, rundes Gesicht, Brille, Homer-Simpson-Bart und -Haupthaar, lebt in Johnson City in Tennessee und ist Künstler. Sein bekanntestes Projekt trägt den Titel „Drugs“: eine Serie von Selbstporträts, jedes gemalt oder gezeichnet unter dem Einfluss einer anderen Droge oder eines anderen psychopharmazeutischen Medikaments. Auf ein paar Bildern sieht Saunders sehr glücklich aus, mit großen Augen und einem Grinsen im Gesicht. Viele sind fröhlich bunt und überdreht, manche strahlen eine tiefe Ruhe und Zufriedenheit aus, andere sind auf Leinwand gebannte Kiffer-Albernheit. Mindestens genauso viele sind allerdings verstörend: dunkle Fratzen, wirres Gekritzel, ausdruckslose Gesichter – Bilder, die aussehen wie ein Horrortrip.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Einige seiner Drogenerfahrungen waren tatsächlich Horrortrips: Den schlimmsten erlebte er, nachdem er Trazodon genommen hatte, ein Psychopharmakon, mit dem Depressionen und Angststörungen behandelt werden. Er bekam es von einem Kriegsveteranen mit posttraumatischer Belastungsstörung. „Der sagte mir“, erzählt Saunders über Skype, „ich solle zwei davon abends nehmen, dann würde ich wunderbar schlafen und mich am nächsten Tag großartig und fit fühlen.“ Das Gegenteil passierte: „Ich wurde erst total hyperaktiv. Dann senkte sich diese massive schwarze Unheilswolke auf meine Schultern und wurde stündlich fünf Kilo schwerer. Ich musste das Licht ausschalten, weil es mir zu hell war. Im Dunkeln bekam ich dann Angst, also schaltete ich den Fernseher an. Der war wieder zu hell, darum deckte ich ihn mit Kleidung ab. Schließlich habe ich den Kranken­wagen gerufen.“  

 

Saunders kauft die Drogen für sein Experiment nie selbst, er nimmt nur, was Leute ihm geben. Anfangs war das sehr viel. Er lebte in einer Sozialwohnung, in seinem Haus habe fast jeder regelmäßig Drogen oder Pillen genommen. „Da war alles verfügbar, was man sich vorstellen kann.“ Die Leute hörten von seinem Experiment, erzählten ihm von Drogen, die er noch nicht kannte, steckten ihm Sachen zu. Er nahm sie alle. Durcheinander. Manchmal gleichzeitig. „Das Experiment geriet völlig außer Kontrolle“, sagt er.  

 

Mittlerweile ist er vorsichtiger, bereitet sich vor. „Ich will bei jeder Droge die gleiche stabile Ausgangssituation haben, sowohl physisch als auch psychisch“, sagt Saunders. Er achte darauf, nicht unter Stress zu stehen und klar im Kopf zu sein. Psychische Stabilität, das wird im Gespräch mit Saunders schnell klar, ist in seinem Leben nicht immer der Normalzustand gewesen.  

 

Saunders’ Selbstporträts auf Drogen machten schon mehrmals die Runde im Internet, wurden weltweit geteilt und verlinkt. Durch sie kann man Drogen erfahren, ohne sie zu nehmen, sie zeigen gleichzeitig Reiz und Gefahr. „Wir leben in einer Drogengesellschaft“, sagt Saunders. „Sie sind nun mal überall. Auf der Straße. Im Job. Vielleicht ist dein Chef auf Drogen, und du merkst es nicht mal.“  

 

Auch wenn Saunders seine Bekanntheit weitgehend seiner „Drogen“-Serie zu verdanken hat, sind die Bilder nur ein kleiner Teil eines sehr viel größer angelegten Projekts – und wenn man das weiß, werden sie umso interessanter. Saunders porträtiert sich auch selbst, wenn er nüchtern ist. Er tut es so gut wie jeden Tag. Seit fast fünfundzwanzig Jahren. An die 9400 Selbstporträts sind so bislang entstanden, genau kenne er die Zahl nicht, sagt er. Wenn man so will, ist Saunders also wahrscheinlich mehr als jeder andere eins mit seiner Arbeit geworden. Er ist seine Arbeit. Und seine Arbeit ist er.  

 

Begonnen hat er damit auf dem College. Er bekam die Aufgabe, eine Sache aus neun verschiedenen Perspektiven zu malen. Er wählte sich selbst und stellte dabei fest: „Wahrscheinlich kann ich das jeden Tag machen, bis ans Ende meines Lebens, und es wird immer etwas anderes dabei herauskommen.“  

 

Er malt und zeichnet in Notizbücher, den Anstoß geben Gefühle, Stimmungen oder Dinge, die er sieht oder erlebt. Er begann zu experimentieren: Er begab sich in Situationen, vor denen er Angst hatte, und malte sich. Er malte sich einen Monat lang, ohne zu sehen, mit verbundenen Augen oder in einem abgedunkelten Raum. Er malte sich nur mit der linken Hand, nur mit den Füßen, er malte sich verliebt und unter Schmerzen, er malte sich nur in Gelb. Aktuell arbeitet er an einer Serie, für die er Selbstporträts auf Bilder aus psychologischen Persönlichkeitstests malt. In solchen Tests – Saunders musste sie selbst schon mehrfach machen – sollen Patienten Geschichten zu einem Bild erzählen, das ihnen gezeigt wird. Saunders malt seine Geschichten direkt in das Bild, er selbst ist immer irgendwo zu sehen.  

 

Es geht Saunders um Einflüsse, um die Wahrnehmung seiner selbst. Er kann sehr feinfühlig darüber sprechen, wie er sich fühlt oder gefühlt hat. Manchmal kippt er aber auch ins Nüchtern-Medizinische. Er spricht von seiner „Brain Chemistry“ und sagt, dass er sofort spüre, wenn es in seinem Gehirn zu einem Serotoninmangel komme.  

 

Irgendwie passt Saunders damit ganz gut in diese Zeit. Er treibt quasi auf die Spitze, was in der modernen Leistungsgesellschaft viele Menschen tun: sich selbst beobachten. Aber während andere sich selbst vermessen und optimieren, sei es mit Apps, Ernährungsplänen oder Neuro-Enhancern, will Saunders nur beobachten und interpretieren.  

 

Nur deswegen wird er auch noch weiter Drogen nehmen, wenn er welche bekommt, die er noch nicht kennt. Viele sind das nicht mehr, „ein paar Große“ würden ihm aber noch fehlen. Crack zum Beispiel. Hatte er eigentlich nie Angst, süchtig zu werden? Nein, sagt er. Und zwar, weil er Drogen eigentlich gar nicht mag. „Ich habe Drogen nie genommen, weil ich vor etwas fliehen und etwas Belastendes vergessen wollte – oder weil ich Spaß haben und mir ein schönes Leben machen wollte.“ Saunders wollte einfach sehen, was mit ihm passiert. Durch seine Bilder können wir das jetzt auch.

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