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Jungs, esst ihr wirklich gerne so scharf?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Liebe Jungs, es gibt eine Frage, die mich immer beschäftigt, wenn ich mit euch am Tisch sitze oder irgendwo anders beim Essen bin. Egal, ob beim Mexikaner, Italiener oder beim Sushi-Essen, ihr bestellt euch mit Vorliebe das Gericht mit drei Ausrufezeichen (oder drei Peperoni, das gibt’s auch) hinter dem Namen, das Chili con Carne spezial (!!!) oder die Spaghetti Arrabiata (Spezial Brutal!), oder schmiert extra viel Wasabi auf euer Sushi. Keinen Döner ordert ihr ohne den Hinweis "Mach’ aber gscheit scharf" und wenn man an der Currywurst-Bude verschiedene Schärfegrade wählen kann, müsst ihr mindestens die zweitschärfste Variante nehmen.

Danach läuft es immer gleich ab: Nach den ersten Bissen - ihr habt die Tabasco-Flasche noch in der Hand - beginnt ihr leicht zu schwitzen, wischt euch aus den rot unterlaufenen Augen mit der Serviette heimlich eine Träne ab (ich hab’s gesehen!) und sagt dann noch ganz cool: "Ach, ist ja gar nicht scharf."

Nichts ist schlimmer als lasches Essen. Aber: Wenn es wehtut, schmeckt man doch gar nichts mehr. Es muss also einen anderen Grund geben, aus dem ihr euch immer die "Spezial-Brutal"-Gerichte aussucht. Als ich wieder einmal beim Essen war, beim Thailänder, und mein Gegenüber nach dem Bestellen des Chili-Huhns noch "ruhig ganz scharf" verlangt hat, musste ich an "How I Met Your Mother" denken. In einer Folge steckt sich Barney eine Hand voll Wasabi in den Mund, um Robin zu beeindrucken und neben ihrem neuen Freund cool rüber zu kommen (was natürlich nicht so recht geklappt hat), weil scharfes Essen anscheinend für Männlichkeit steht.

Seht ihr das auch so? Wollt ihr uns mit dem scharfen Essen beeindrucken? Zeigen, wie tapfer ihr seid?

Warum macht ihr aus Essen so einen Wettbewerb? Mögt ihr euer Essen wirklich so scharf, oder esst ihr das nur nur, weil ihr uns beeindrucken wollt? Weil: Wir mögen euch auch, wenn ihr die mittelscharfe Currywurst bestellt.

Jungs

Illustration: Dirk Schmidt

Nach der Lektüre deiner Frage hatte ich zunächst gehofft, es gäbe irgendeine genetische Erklärung dafür, dass wir mehr Wasabi auf unser Sushi schmieren als ihr. Ich dachte, dass wir Schärfe vielleicht nicht so gut wahrnehmen können, weil irgendwo auf unserem Y-Chromosom ein kleiner Fehler versteckt ist, der unsere Zunge unempfindlicher macht. Nach einem kurzen Abtauchen in die Genforschung musste ich aber feststellen, dass es nicht danach aussieht.

 

Vielleicht kann ich deine Frage aber mit einem Hinweis auf die Simpsons beantworten. In einer Folge schiebt sich Homer bei einem Chili-con-Carne-Esswettbewerb mehrere grell leuchtende Todes-Schoten in den Mund und erntet dafür Begeisterung und Bewunderung der anwesenden Einwohner von Springfield (das Chili löst dann Halluzinationen aus, aber das nur am Rande). Dass so ein Wettbewerb Homer Simpson ins Drehbuch geschrieben wird und nicht etwa seiner Frau Marge, sagt viel über das männliche Verhältnis zur Schärfe. Homer vereint ja so ziemlich alle fragwürdigen Eigenschaften des männlichen Wesens in sich, er ist quasi die personifizierte Ansammlung all unserer kleinen und großen Unzulänglichkeiten. Die Vorliebe für scharfes Essen hängt glaube ich mit einer dieser Unzulänglichkeiten zusammen.

 

Zwar wollen wir euch mit dem Schwingen der Tabascoflasche nicht direkt beeindrucken. Uns ist schon klar, dass so ein Gekasper bei euch keine nachhaltige Wirkung darauf hat, ob ihr uns toll findet oder nicht. Und ich konnte bei meinen bisherigen Currywurst- und Dönerbudenbesuchen auch nicht feststellen, dass unser Schrei nach Schärfe sehr viel lauter geworden wäre, wenn die Besuche in Begleitung von Damen stattfanden.

 

Aber so ein gewisser Sportfaktor ist beim Scharfessen schon vorhanden. Das ist diese Unzulänglichkeit, von der ich sprach: Wir neigen beim Essen dazu, uns zu messen, wenn es irgendwas zu messen gibt, das ist so eine Art innerer Drang zur Gamification und zum Höher, Schneller, Weiter. Und so klettern wir auf der Currywurst-Schärfeskala lieber eine Stufe höher als wir es aus rein nüchternen Geschmacksgründen eigentlich müssten. Wir rufen den Essenscontest nicht immer gleich lauthals aus. Aber im Zweifelsfall essen wir das Riesenschnitzel auf, obwohl wir längst satt sind. Die Frage, ob der werte Herr Ober uns den Rest bitte einpacken könne, stellen wir auch höchst selten.

 

Wir bleiben in diesen Fragen also immer im Homer-Simpson-Modus, in einem Zustand also, der nicht frei ist von irrationalem Schwanzvergleich-Gehabe pubertierender Jungs. Zu unserer Verteidigung sei aber noch eines gesagt: Die Rezeptoren, die auf Schärfe reagieren, werden schwächer, je häufiger und regelmäßiger wir Scharfes essen. Wenn wir also schon mit 14 an der Dönerbude den Chili-Contest machen, muss das zwangsläufig dazu führen, dass wir später noch mehr davon brauchen.

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