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Jungs, wann sind wir cool?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Es gab in meinem Leben eine Zeit, in der ich ernsthaft cool sein wollte. Das war viel Arbeit, hat aber natürlich auch durchaus Spaß gemacht, denn cool ist man ja meist an irgendeinem Tresen oder in gut abgeranzten Jeans auf irgendwelchen Steinstufen und nicht ganz so oft in einem Religionsphilosophie-Seminar oder beim Jobinterview.  Ich wollte auch deshalb gerne cool sein, weil andere weibliche Rollenbilder für mich ausfielen: für niedlich und süß war ich zu grobknochig und groß. Für das romantische Schussel-Mädchen war ich zu ungeduldig, für sexy zu wenig ebenjenes und für nett zu unsicher. Zu meinem Coolness-Training gehörten unter anderem: cool rauchen, cool Bierflaschen öffnen, cool am Tresen stehen und cool nicht tanzen. Ich weiß im Nachhinein wirklich nicht, was ich mir bei diesem Vorhaben eigentlich gedacht habe. Und ob ich wirklich dachte, mit dieser Fassade irgendjemanden von meiner Coolness überzeugen zu können. Passenderweise ist gerade eine Studie erschienen, die auch sagt, dass sich die Vorstellung dessen, was wir als cool sehen, in der letzten Zeit ziemlich gewandelt hat. Nicht mehr der von nichts zu beeindruckende Tresensteher ist der Coole, sondern ein richtig netter Mensch.

 Das finde ich beruhigend, habe ich doch längst aufgehört, angestrengt cool sein zu wollen. Aber trotzdem bleibt bei der Erinnerung an diese Phase eine Frage an euch Jungs: Was ich als cool definierte, war immer von einem männlichen Bild der Coolness abgeleitet. Als cool gilt James Dean im weißen T-Shirt, Marlon Brando und von den gegenwärtigen Schauspielern vielleicht momentan am ehesten Tom Brady. Coole Damen? Da fällt mir einzig die androgyne Marlene Dietrich ein und natürlich noch die Ober-Rock’n’Rollerin Kate Moss, aber die macht nie den Mund auf, deshalb weiß man nicht, ob sie auch wirklich cool ist oder sich nur zufällig so anzieht. Wenn ich gekonnt hätte, wäre ich gerne die weibliche Version von Marvin Gaye gewesen. Oder von Ray Liotta in „Goodfellas“ (natürlich ohne die Drogen, Herrgott!).

Aber was ist für euch Jungs denn ein cooles Mädchen? Setzt ihr da auch eher männliche Maßstäbe an? Oder gelten bei uns andere?       




Die Jungsantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


  Mal ganz abgesehen davon, dass für mich das Wort „cool“ heute ziemlich uncool klingt, weil es in den 90er-Jahren so erschöpfend benutzt wurde, ist cool auch wirklich nicht das erste Attribut, das uns bei der Brautschau einfällt. Schließlich besteht ja ein großer Teil der alten "Cool!"-Definition in einem irgendwie abweisenden, unemotionalen, harten Wesen und das ist gemeinhin nun mal nicht das, was man sich in einem schönen Sommer für eine Liebelei wünscht. Eine coole Frau nach deiner Bauart wäre ja vermutlich auch eine, die uns eiskalt abblitzen lässt oder gar nicht beachtet. Natürlich sind solche Frauen bisweilen gerade deswegen reizvoll - die kettenrauchende Tattoo-Amsel oder die Offiziersanwärterin habe ich mir schon auch wegen ihrer Coolness gelegentlich mal einen Moment länger als notwendig angesehen – aber eben auch, weil sie doch etwas exotisch wirken. Nein, das männlich-coole wie du es am Tresen simuliert hast, suchen wir nicht zwingend in euch (wir haben aber natürlich nichts dagegen, wenn ihr das für euch entdeckt). Es hat eben was Schweres, Öliges, das eher noch Männern steht – eine Frau die todernst und schweigsam zwei Runden Billard spielt, rülpst und dann auf ihrer alten Honda davon knattert, wäre mir einfach zu sehr Walter aus dem Frauenknast. Sie wirkt nicht spannend geheimnisvoll, wie Coolness ja oft wohlwollend interpretiert wird. Oder sie wirkt zumindest nicht auf eine Art geheimnisvoll, die mich sie sofort hemmungslos verehren lässt. Davon abgesehen gibt es sie gar nicht.

Das heißt natürlich nicht, dass es keine tollen und gleichzeitig coole Frauen gibt, ich finde aber „lässig“ als Ajektiv dann besser. Die Hochspringerin Ariane Friedrich ist vielleicht so eine. Konzentriert auf ihr Ding, leicht exzentrisch und dazu das, was man vor hundert Jahren kess genannt hätte, keine klassische Damen-Erscheinung und trotzdem mit Anmut. Ist das nicht eine Mischung, die einem weiblichen „Cool“ näher kommt? Ich weiß schon, die findet ihr jetzt wieder „anstrengend“. Dann eben eine Bekannte von mir, die ohne mit der Wimper zu zucken nach dem Abi Assistentin eines Fotografen in NewYork wurde und deswegen schon am zweiten Tag mit einem Kleinlaster mitten in der City manövrierte, jahrelang zentnerweise Ausrüstung durch die Gegend schleppte, alle Probleme löste und abends trotzdem immer noch freundlich war. Da ist Zielstrebigkeit, Unerschrockenheit und Mut – auch eine gute Zutatenliste für eine coole Frau. Jemand der mit sich im Reinen ist, wirkt cool. Vielleicht nicht auf dem Pausenhof, aber später dann schon ziemlich schnell. Deswegen finde ich es eigentlich auch cool, wie du jetzt deine früheren Ausflüge analysierst.

Ich glaube jedenfalls nicht, dass ihr in unseren Augen cool werdet, sobald ihr einem Mädchenklischee diametral entgegen tretet, also plump gesagt: Frauen die Spinnen total süß finden, am liebsten Hardcore-Pornos schauen und ihre Bierflasche mit der Kniekehle aufmachen sind meinetwegen härter als meine Kumpels, okay, aber in die verliebe ich mich auch genauso wenig wie in meine Kumpels.

Das Komische ist ja: Beim Mann meint das klassische „Cool“ eigentlich eine Zuspitzung von klischeemännlichen Tugenden: Schweigsamkeit, Willens- & Muskel-Stärke, Rebellion etc. Eine Übersteigerung von klischeeweiblichen Tugenden war aber wohl zu keiner Zeit cool. Deswegen ist es schwierig, das jetzt für euch zu benennen. Cool ist ja in den Details und cool ist, bei der Party zu wissen, wie man aufs Dach kommt.

Für beide Geschlechter gilt, Souveränität ist zeitlos cool, umso mehr, wenn sie in Situationen zu Tage tritt, wo auch die ollen coolen Jungs ihre Souveränität gerne einbüßen, eben im Vorstellungsgespräch oder auch wenn ein alter Mann auf der Rolltreppe stürzt. Fundierte Meinung zu haben ohne dabei dogmatisch und unflexibel zu sein ist cool. Dann ist es natürlich cool, etwas richtig gut zu können, ohne je Aufhebens darum gemacht zu haben. Und ja, freundlich zu sein ohne Aufgesetztheit und zu jedem, ohne Übertreibung und ohne falsche Signale zu senden – das ist vielleicht das Coolste überhaupt.

fabian-fuchs

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