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Jungs, warum denkt ihr immer, dass wir so sauber sind?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Neulich war ich zu Besuch in einer WG. Dort wohnten zwei Jungs und ein Mädchen. Es war gemütlich dort, bewohnt sah es aus, nicht klinisch sauber, aber auch nicht total versifft. Einer der Jungs erzählte, vorher habe in dieser Wohnung eine Dreier-Frauen-WG gelebt. Statt gelebt sagte er „gehaust“. „Das sah aus hier, die haben die Wohnung zugerichtet wie sonst was!“ Und dann sagte er noch etwas, das mich ein wenig erstaunte: „Und das mit drei Frauen. Da denkt man doch immer, dass die irgendwie ordentlicher und sauberer sind.“

Es stimmt vermutlich: Das denkt man. Oder besser gesagt: Das denkt ihr. Ich kenne Jungs, die darauf schwören, dass in WGs immer mindestens ein Mädchen wohnen sollte – dann sei es einfach sauberer. Oder die so eine ganz verklärte Vorstellung von Frauen-WGs haben, in denen es gut riecht, das Geschirr immer abgewaschen wird und der Abfluss nie verstopft ist. 

Ich kenne allerdings auch die Wahrheit. Und die sieht manchmal so aus: rein weibliche Wohngemeinschaften mit den unordentlichsten Zimmern, die ich je gesehen habe, in denen haufenweise Klamotten auf dem Boden liegen, trotz all der Staubmäuse. Mit Badezimmern, aus denen man unter den nackten Füßen büschelweise Haare herausschleppt. Mit Küchen, in denen der Mülleimer stinkt und im Waschbecken im Spülwasser vom Vortag eine fettige Pfanne schwimmt. Mit Fluren voller Leergut. Klar, manchmal ist die Wahrheit auch, dass jeden Tag durchgesaugt, alles immer sofort abgespült und ein Ramduftspray verwendet wird. Aber eben nicht immer. Manche von uns sind sauber und ordentlich, manche nicht. Gilt für euch ja genauso.

Darum frage ich mich: Wieso habt ihr immer noch dieses verklärte Bild von uns und unserer angeblichen Sauberkeit und Häuslichkeit, obwohl wir zum Beispiel viel öfter lange Haare haben als ihr, die man in Wohnungen verteilen kann? Ist das, weil eure Mütter früher geputzt haben, während die Väter auf dem Klo die Zeitung lasen und es danach im Bad unangenehm roch? Und wieso erhofft ihr euch von unserer Gegenwart mehr Sauberkeit? Glaubt ihr, wir wischen euch hinterher? Oder räumt ihr mehr auf, wenn wir da sind, weil ihr denkt, wir wollen das – und dann sind am Ende gar nicht wir die Sauberen, sondern ihr? Los, wischt euch mal durchs Hirn und sagt uns dann, was da an Erklärungen am Lappen hängengeblieben ist!

Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von lucas-grunewald




Die Jungsantwort:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Während ich diese Antwort schreibe, blicke ich auf ein gebrauchtes Schneidebrett und einen milchigen Schneebesen in der Spüle, unter meinen Socken knirschen Baguettekrümel. Meine Mitbewohnerin hätte diese Woche putzen sollen. Hat sie aber nicht.

Ich kenne die Wahrheit also auch: Ihr Mädchen vergesst genauso oft wie wir, wer mit Putzen dran war. Meist sogar absichtlich. Ihr hinterlasst vielleicht kein schwarzes Bartmehl auf den Silikonfugen neben dem Waschbecken – dafür finden wir, wenn ihr das Becken nur lange genug mitbenutzt, irgendwann spaghettilange schleimige Haarbüschel auf der Unterseite des Stöpsels.

Vielleicht ist Teil eins der Erklärung also, dass typischer Mädchenschmutz (abseits aller genderneutralen Pfannen und Knoblauchpressen) auf den ersten Blick etwas weniger grafisch ist als typischer Jungsschmutz. Was ist ein Make-up-Klecks am Seifenhalter schon gegen zwei ordentlich vermatschte Schienbeinschoner im Flur?

Der eigentliche Grund dafür, dass wir von euch oft mehr Stubenreinheit erwarten und dann arg verstört sind, wenn wir mal drei „hausende“ Mädels vortreffen, ist aber ein anderer. Das ist erstens euer Äußeres. Von dem schließt man ja immer auch ein bisschen auf das Innere. Sogar auf das Wohnungsinnere. Und die ganze Mühe, die ihr so durchschnittlich in eure Körperpflege steckt, mit Cremes und Conditioner und Abwedel- und Auftoupierwerkzeug, legt uns irgendwie den Gedanken in den Kopf, dass es in eurer Wohnung ebenfalls cremig und abgewedelt aussehen müsste.

Aber es geht bei diesem Phänomen oft auch gar nicht um Reinlichkeit im eigentlichen Sinne. Das, was eine Wohnung schön und gemütlich macht, ist ja nicht die Sauberkeit. Es sind Dinge wie ein Knarzestuhl am Esstisch. Eine überraschende Wandfarbe hinter dem Bücherregal. Eine schlichte Lampe über einer antiken Getränkekiste, in der jetzt Zeitschriften lagern. Dinge also, die viel Geschmack und Willen zur Schönheit und Samstagvormittage auf Flohmärkten erfordern. Und für die wir Jungs im Schnitt eher kein gutes Auge haben.

Und diesen letzten Touch, der eine Wohnung vom Stand einer sauberen Wohnung in den einer schönen Wohnung hebt – den spüren wir eben häufig dort, wo eine von euch wohnt. Und dann gucken wir auf die Wandfarbe hinter dem Bücherregal und den genial abgeschliffenen Esstisch, wissen gar nicht genau, warum uns das alles so gut gefällt, aber denken: Mensch, so ein Mädchen in unserer WG – das wär’s doch.

Auf dem Küchentisch neben mir steht übrigens eine alte Glasflasche mit Bügelverschluss. Mein Mitbewohner hat darin mal Olivenöl aus Italien mitgebracht. Als sie leer war, wollte er sie wegwerfen. Aber meine Mitbewohnerin spülte sie aus und jetzt steckt da eine langstielige gelbe Blume drin und macht die ganze Küche schöner. Wen stören da schon die paar Baguettekrümel?

lucas-grunewald

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