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Jungs, warum haut ihr einander auf den Hintern?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Es gibt da eine Sache, die wir seit Jahren auf Bolzplätzen, in Sporthallen, bei TV-Übertragungen von Fußballspielen und in Elena’s Eckkneipe beobachten und nicht ganz verstehen. Es geht um eure Hand und die Hinterteile eurer Kumpels oder Mannschaftskollegen. Und darum, dass die beiden recht oft den Weg zueinander finden – viel öfter als bei uns auf jeden Fall.

Nehmen wir zum Beispiel das Einwechselszenario beim Fußball oder beim Handball: Jochen soll aufs Feld, und während er die Seitenlinie überschreitet, bekommt er vom Trainer oder einem Mitspieler einen Klaps auf den Po. Wenn Jochen ein Tor geschossen hat, der jubelnde Pulk um ihn sich langsam zerstreut und der Torschütze davon trabt, was gibt ihm sein Mannschaftskollege dann noch schnell mit auf den Weg? Einen Klaps auf den Po. Und wenn Jochens kleiner Bruder, der mit Fußball gar nichts am Hut hat, abends einen Kumpel an der Bar entdeckt, der mit dem Rücken zu ihm steht, haut er ihm manchmal auch auf den Hintern. 



Das Klatschen auf das Hinterteil kommt also in verschiedenen Situationen und Kontexten vor. Aber es zieht sich gleichzeitig durch so ziemlich alle Schichten und Ebenen. Man sieht es sowohl beim FC Bayern, wenn ein Millionenpublikum das Spiel verfolgt, als auch beim 1. FC Vordorf mit seinen 28 Zuschauern. Man sieht es in der sowohl in der Großraum-Disko unter Komasäufern als auch beim Konzert der Geheimtipp-Band im kleinen Indie-Club.

Nicht, dass es uns euer Pogeklapse stören würde. Ihr seht dabei ja tatsächlich eher niedlich als in irgendeiner Art und Weise versaut aus. Aber es irritiert uns ein bisschen, vor allem, weil wir es so häufig in nicht gerade homophilen Sportarten (Wie viele schwule Profifußballer gibt es nochmal?) sehen.

Warum also macht ihr das? Warum der Po? Ein Klaps auf den Hintern ist schließlich viel doppeldeutiger als es ein Schulterklopfer je sein könnte. Irgendwie sinnlicher. Intimer. Sexueller. Deswegen lassen wir Frauen das gegenseitige Klapsen meist. Das ist uns zu „Britney-Spears-Hit-Me-Baby-One-More-Time“-mäßig. Euch offenbar nicht. Ihr scheint das zu mögen. Erklärt uns doch bitte mal, warum.



Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von christian-helten.



Die Jungsantwort von christian-helten:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Na wunderbar. Jetzt ist Weihnachten, und ich muss über die Hintern anderer Jungs nachdenken. An meiner ersten Reaktion auf deine Frage merkst du vielleicht schon: Unser Verhältnis zu Jungshintern ist nicht so locker, wie die Klopp-Klapse für den Auswechselspieler es suggerieren. Und mit sexueller Begierde haben sie auch nichts zu tun. Wobei – das stimmt nicht ganz. Aber dazu komm ich gleich.

Zunächst mal ist ein Jungshintern für uns ein Tabubereich. Er ist immer bedeckt. Er ist ein Körperteil, das in wohlgestalter Ausprägung einen gewissen sexuellen Reiz auf euch ausüben kann. Das bedeutet gleichzeitig, dass er bei uns das Gegenteil auslöst: das Verlangen nach einem ausreichenden Sicherheitsabstand. Wir können an Jungshintern nichts Attraktives erkennen und wir möchten Jungshintern nicht anfassen. Und, so blöd das jetzt klingen mag: Genau deshalb tun wir es.

Einen Klaps auf die Schulter kann man fast jedem geben. Da ist nichts dabei, das geht zwischen Vater und Sohn genauso wie in bestimmten Situationen zwischen flüchtigen Bekannten oder Kollegen. Beim Klaps auf den Hintern ist das anders: Den gibt es nur unter Jungs, die ein engeres Verhältnis zueinander haben. Denk noch mal an die Beispiele aus deiner Frage, die hast du intuitiv vielleicht besser gewählt, als du selbst dachtest. Jochen und sein Bruder hauen Jungs auf den Po, zu denen sie ein enges Verhältnis haben. Jochen und sein Mannschaftskamerad sind Teil einer Gemeinschaft, deren Erfolg darauf fußt, dass man zusammenhält, für den anderen ackert und das Team zu etwas Größerem macht als die Summe seiner Einzelteile.

Diese Fußballerfloskeln haben uns Bundesligakommentatoren, Bundestrainer und Kapitanos unser Leben lang eingebläut. Der Klaps ist Geste gewordener Ausdruck dieses Zusammengehörigkeitsgefühls, deshalb funktioniert er tatsächlich bei den Bayern-Profis genauso wie bei den Vordorfer Kreisklasse-Kickern. Denn der Schlag einer Männerhand auf eine Stelle, an der die meisten Männer eigentlich keine Männerhand haben wollen, ist ein Tabubruch. Wer diesen Tabubruch begehen darf, ist ein Vertrauter.

In der Fußballerversion tendiert der Klaps auch ein bisschen in Richtung des Klapses, den uns Mutti früher gab, wenn sie uns morgens an der Haustür in Richtung Grundschule verabschiedete. Vor allem, wenn der Ausführende ein Trainer ist.

In der Version „Kumpel an der Bar“ tendiert er in eine andere Richtung. Er funktioniert zwar nach demselben Vertrauens-Grundprinzip. Auch hier ist der Schlag ein Ritterschlag in Sachen Nähe. Aber es gibt noch eine weitere Komponente. Wer solche Bar-Klapse genauer betrachtet, wird da eine bis fünf Nuancen sexueller Konnotation mehr wahrnehmen. Es wird ein bisschen fester geklopft, weniger in Richtung tätscheln, mehr in Richtung Porno. Ernst gemeint ist das freilich nicht. Dieser Hinternschlag ist eine mit Ironie aufgeladene Liebeserklärung an den Kumpel und funktioniert auf derselben Ebene, auf der sich Jungs gegenseitig manchmal als „geile Sau“ und „geiler Typ“ bezeichnen oder sich zum Abschied laut "Bussi" zurufen. Da ist das Nichteinhalten des Sicherheitsabstands so deutlich, dass allen klar sein muss, dass da was gespielt wird.

Jetzt gebe ich die Antwort mal einem jetzt-Teamkollegen zum Gegenlesen. Vielleicht krieg ich ja nen Klaps.


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