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Jungs, warum lenkt ihr so komisch?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Immer, wenn jemand „viertel vor drei“ sagt und damit wahrscheinlich meint, dass er in einer Viertelstunde irgendwo sein muss, aber viel zu spät dran ist, kann ich mich seinem Zeitdruck nicht widmen. Ich bin dann nämlich plötzlich viel zu beschäftigt damit, mich an die Fahrschule zu erinnern. Laut Fahrlehrer war „viertel vor drei“ nämlich die aller-, allerbeste und sicherste Art, das Lenkrad zu halten. Dafür musste man es sich als Uhr vorstellen und die rechte Hand auf die drei und die linke auf die neun legen. Andere Fahrlehrer propagierten „zehn vor zwei“, und mittlerweile, in Zeiten flächendeckender Servolenkung, lässt mancher sich sogar zu „zwanzig vor vier“ hinreißen. Hauptsache beide Hände am Lenkrad. Denn was mein Fahrlehrer nie gesagt hat und was sicher auch kein Fahrlehrer jemals sagen wird, ist: „Lenk ruhig mit einer Hand, das reicht.“  

Natürlich nimmt sich nach der Fahrschule kaum noch jemand ein Vorbild an irgendwelchen Uhrzeiten. Autofahren soll ja möglichst lässig vonstatten gehen, ansonsten wird man verdächtigt ein langweiliger, sicherheitsbesessener, verängstigter Mensch zu sein. Also: auf graden Strecken den Ellebogen auf den Fensterrahmen oder den Arm auf dem Knie ablegen, das Lenkrad nur ganz leicht umfassen und sehr oft auch mit nur einer Hand. Das reicht. Bloß muss man ja manchmal auch noch richtig lenken, immerhin sind deutsche Straßen nicht die Route 66. Und eben dann, wenn scharfe Kurven oder gar U-Turns zu bewältigen sind, oder wenn das Auto rückwärts in eine Parklücke gefahren werden muss, tut sich auf einmal ein Unterschied auf, zwischen euch und uns. Wir kurbeln beidhändig am Lenkrad herum, während ihr einfach nur den Handteller drauflegt und einarmige, große, runde Bewegungen vollführt. Wenn ihr rückwärts fahrt, kombiniert ihr den linken, lenkenden Handteller gerne mit einem um die Kopflehne des Beifahrers gelegten rechten Arm. Dann füllt ihr fast das ganze Auto aus und das Lenkrad ist eine Verlängerung eures Arms. Als wolltet ihr das Auto nicht bloß fahren, sondern mit ihm verschmelzen, als wärt ihr ein Teil des Autos, und zwar der wichtigste.  

Ich schwöre: Ich habe noch nie eine Frau so lenken sehen. Aber eine Menge Männer und zwar nicht nur solche, denen das Auto ein Statussymbol ist. Darum frage ich mich: Wieso macht ihr das? Habt ihr zu viele Filme geschaut, in denen männliche Fahrer lässig lenken? Hat euch das unbewusst beeinflusst? Fühlt es sich durch die weitläufige, runde Bewegung so an, als wäre das Auto eigentlich ein echt großer Truck und dann wird die deutsche Straße eben doch ein bisschen zur Route 66? Oder bewältigt ihr so einfach nur das viertel-vor-drei-Trauma aus Fahrschulzeiten?



Die Jungsantwort von eric-mauerle:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Schließt bitte mal einen Moment eure Augen und stellt euch einen Rennfahrer in einem Formel-Eins-Wagen vor. Enges Cockpit, die Hände um das Lenkrad gekrampft, das so nah vor seinem Körper angebracht ist, dass er es abnehmen muss, um Platz zum Aussteigen zu haben. Sieht der Rennfahrer auf dem Bild in eurem Kopf lässig aus? Hat er es bequem? Sieht dieses Bild nach Freiheit aus? Nach Unabhängigkeit? Nach Fahrt in den Sonnenuntergang oder ans Meer?  

Eben. Genau das sind aber die Dinge, die wir Jungs fühlen, wenn wir unseren Führerschein zum ersten Mal in den Händen halten. Der Atlantik scheint plötzlich sehr nahe, genauso wie das nächste – oder das erste – große Abenteuer. Und in ein Abenteuer, das ist ja wohl klar, zieht man nicht mit „Viertel vor Drei“-Lenkradhaltung.  

Das Auto ist für uns generell ein bisschen mehr Wohlfühlort als für euch. Mag daran liegen, dass wir als Kinder fortwährend welche geschenkt bekommen, zum Herumschieben, Draufsetzen oder mit der Fernsteuerung durchs Wohnzimmer Sausen. Oder daran, dass in den Filmen und auch sonst meistens Männer hinter dem Steuer sitzen, und wir deswegen irgendwann sehr vertraut sind mit der Symbiose Auto und Mann. Jedenfalls: Wo man sich wohlfühlen will und soll, macht man es sich bequem, und einen Arm im Auto irgendwo abzulegen, sei es auf den Fensterrahmen oder auf den Schaltknüppel. Außerdem will man ja manchmal auch noch rauchen, was trinken oder das Radio richtig einstellen. Geht alles schlecht mit zwei Händen am Lenkrad. 

Beim Einfahren in eine Kurve oder beim Einparken die zweite Hand wieder ans Lenkrad zu führen, erscheint uns nicht nötig. Wäre ja auch irgendwie eine Art Kapitulation vor der Straße oder der Situation, ein Geständnis, dass das Autofahren jetzt unsere volle Konzentration und Aufmerksamkeit erfordert. Also Handteller drauf und Rührlenkung – übrigens eine tolle Bewegung, weil man zwar alles im Griff hat, aber eben nicht fest zupacken muss dabei.  

Wir rührlenken aber glaube ich noch aus einem anderen Grund: Wegen unseres grundsätzlichen Hangs zur Selbstüberschätzung und zum Besserwissen, die sogar denen von uns innewohnt, die man nicht als Besserwisser bezeichnen kann. Wir tendieren dazu, Dinge anders zu machen als uns Beipackzettel, Sicherheitshinweise und Mütter vorschreiben. Für den Fahrlehrer gilt das in besonderem Maße. Der will uns zügeln und zu Sicherheit ermahnen, während wir der Meinung sind, in den heimlichen Fahrstunden, die wir mit unseren Vätern schon auf abgelegenen Parkplätzen absolviert haben, längst zu den besten Autofahrern unter der Sonne gereift zu sein. Die einhändige Rührlenkung ist der erste Ausdruck unserer Fahrlehrer-Rebellion, unserer „Hab alles im Griff“-Haltung. Dass die auch ein bisschen dämlich ist und der Fahrlehrer schon recht hatte mit seiner Empfehlung zu beidhändigem Lenken, merken wir leider auch irgendwann. Früher oder später rutscht nämlich jeder Mal ab, wenn er nur mit einer Hand durch die Kurve kurbelt. Kann einen ganz schön erschrecken. Und dann sitzen auch wir wieder in der Formel-Eins-Krampfhaltung.


Text: nadja-schlueter - Cover: don limpio / photocase.com

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