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Jungs, warum lest ihr keine Jane Austen-Romane?

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Ihr seid, das wissen wir genau, kluge Menschen, sehr belesen und nur sehr selten werden eure Urteile von macho-haften Attitüden und Vorurteilen getrübt. Ihr seid modern, mitunter gar ein bisschen metrosexuell und zupft euch im Buchgeschäft elegant den „American Apparel“-Schal zurecht. Ihr habt noch nicht einmal mehr Berührungsängste mit eurer emotionalen Seite. Und dennoch habe ich einen schwarzen Fleck auf dieser so schönen Landkarte entdeckt – genauer gesagt mitten in der schönen Welt der Literatur. Dort habt ihr anscheinend immer noch eine eher altertümliche Vorstellung davon, was sich für euch schickt und – da noch ein bisschen genauer – was nicht. Nur mal so als Beispiel: Schon mal jemals einen Roman von Jane Austen in der Hand gehabt und gar gelesen? Ich wage mal zu behaupten: Noch nie. Ich zumindest kenne in meinem Umfeld keinen einzigen Jungen, der zugegeben hätte, ein Buch dieser Frau gelesen zu haben. Und selbstverständlich gebe ich mich nicht mit Comic lesenden, Computer spielenden, Stephen King für den einzig wahren Schriftsteller haltenden Jungs, sondern mit klugen und netten Exemplaren dieser Gattung. Und Jane Austen ist ja nun nicht so ein dahergelaufener Gaby Hauptmann-Verschnitt, sondern eine wohlgelittene, dem Literatur-Kanon zugehörige Autorin, deren Werke nicht in der peinlichen „Chick-Lit“-Ecke einsortiert werden, sondern im Deutschen Taschenbuch Verlag in der Reihe „Klassiker“ mit Goethe, Fontane und Flaubert herausgegeben wird. Zugegeben: In Jane Austens berühmtesten Roman „Stolz und Vorurteil“ (und auch in allen anderen) geht es um das eine, das ewige Thema: „Boy Meets Girl“ und schon der erste Satz lässt auf den Rest der Handlung schließen: "Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein Junggeselle im Besitz eines schönen Vermögens nichts dringender braucht als eine Frau." Aber diesen Vorwurf kann man ja nun mindestens drei Viertel aller männlichen Autoren auch machen. Ich hab es ja eh erst einige Male versucht, und einem Jungen Jane Austens Romane in die Hand gedrückt. Die Reaktion war aber auch entmutigend. Entweder wurde es mit spitzen Fingern und gepresstem Dankeschön entgegen genommen und dann zufällig doch vergessen. Oder mir wurde das böse - wenn auch zugegenermaßen recht lustige – Zitat Mark Twains an den Kopf geworfen, der sagte: “Any library is a good library that does not contain a volume by Jane Austen. Even if it contains no other book.“ Warum also macht ihr einen so großen Bogen um Jane Austen im Besonderen und andere Autorinnen im Allgemeinen? Ist das Bosheit, Ignoranz, Blindheit oder Angst vor Pimmel-Verlust bei zu viel Romantik? Oder lest ihr Bücher nicht, um zu lesen, sondern um euer Image zu schärfen? Und findet ihr deshalb auch noch mit 25 Jahren Charles Bukowski ’nen echt verdammt guten Schriftsteller? Auf der nächsten Seite kannst du die Jungs-Antwort lesen.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Liebe Mädchen, schwierige Frage: Wer zum Teufel ist denn Jane Austen? Ich muss gestehen, dass ich den Namen zwar schon mal gehört habe, aber jetzt gerade nicht so genau weiß, wer das ist. Aber vielleicht trägt genau das ja zur Beantwortung dieser schöngeistigen Frage bei. Auch ohne Frau Austen zu kennen, gehe ich einmal davon aus, dass ihre Werke so gar nichts mit Groschenromanen zu tun haben. Das Genre Trivialliteratur trägt zur Beantwortung der Frage also schon mal nicht bei. Aber irgendwie habt ihr schon Recht mit dieser Austen-Sache: Ich kenne viele Mädchen, die Bukowski zwar nicht gut finden, aber zumindest eines seiner Bücher gelesen haben. Wenn einer von uns bei einer von euch das Bücherregel inspiziert und „Faktotum“ sieht, dann guckt er nicht, als ob er sich nicht mehr sicher sei, in Wirklichkeit im Zimmer eines Mannes gelandet zu sein. Im Gegenteil – er denkt sich: Diese Frau kriegt nicht nach dem zweiten Bier plötzlich Kopfschmerzen und will nach Hause. Mit dieser Frau kann man acht Bier trinken, danach wilden Sex haben und sich am nächsten Morgen ein bisschen wie Bonnie und Clyde fühlen. Oder wir sehen Hemingway: Dann fühlen wir uns verstanden, denn das Blut eines sterbenden Stieres ist die Blutgrätsche des kleinen Mannes auf dem Fußballplatz. Und der erlegte Elefant am Kilimandscharo das auf dem Balkon des besten Kumpels gegrillte Schweinekotelett. Wir wissen also: Diese Frau versteht, wie Männer manchmal ticken – oder sie hat es zumindest versucht (die meisten von Euch mögen Hemingway ja nicht, aber das ist ok.) Wenn aber eine von euch auf die „Bibliothek“ eines von uns schaut, dann steht da fast immer „Elementarteilchen“ von Houellebeque, ein Krimi von Mankell und „Illuminatus“ von Dan Brown. Nur mal angenommen, ihr seht dann aber nicht diese gerade eben genannten Bücher, aber stattdessen „Liebesleben“ von Zeruja Shalev, „Schokolade zum Frühstück“ von Bridget Jones und „Mondscheintarif“ von Ildiko von Kürthy. In diesem Fall denkt ihr euch: Netter Kerl. Und das Attribut „nett“ fungiert hier als kleiner Bruder von … ihr wisst schon. Um herauszufinden, weshalb das so ist, müssten wir jetzt ein sehr großes Fass aufmachen. Das Fass, wo draufsteht: frühkindliche Prägung, Kinderbücher und die männlichen und weiblichen Rollenbilder darin. Vielleicht hat es damit zu tun, dass es für kleine Mädchen irgendwie cool ist, mit Jungs Cowboy und Indianer zu spielen, kleine Jungs aber sofort als „Sissyboys“ verschrien sind, wenn sie mit Puppen spielen. Das Fass ist uns viel zu groß und ehrlicherweise muss ich jetzt doch mal sagen: Bukowski sticht „Beim nächsten Mann wird alles anders“. johannes-siebold

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