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Jungs, warum wollt ihr den Alkohol zum Beruf machen?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Schnapsbrennen oder Bierbrauen scheint das neue Ding bei euch zu sein. Überall sprießen momentan Gin- oder Wodkabrennereien aus dem Boden, in denen hipsterbärtige Jungmänner ihr Selbstgebranntes verticken. Meistens sind die Flaschen dann noch mit irgendeiner Form des Lokalkolorits („The Duke – Munich dry gin“ oder „Our Berlin“) verziert und werden exklusiv in eigens eingerichteten Bars verkauft – fertig ist das neue Berufsmodell. Und auch das Bierbrauen scheint seinen Weg über hochspezifische Studiengänge hinaus gefunden zu haben. Immer öfter höre ich von Jungs, die ihr Wochenende in Brauereiseminaren mit anschließender Bierverköstigung verbracht haben. Früher hätte ich gedacht, das ist ein Vorwand zum kostenlos trinken. Aber danach erzählt ihr mit so einer Begeisterung von Sudpfannen, Stammwürze und Gärprozessen, dass es fast so wirkt, als geht es dabei doch um mehr? Und auch das „Brauset“ für 25 Euro zum Selberbrauen scheint sich mittlerweile vom präpubertären Notgeschenk zu einem echten Highlight etabliert zu haben. Zumindest freut ihr euch darüber immer mehr, als über unseren selbstgenähten Tabakbeutel, für den wir uns die halbe Hand zerstochen haben.  

Ein bisschen kann ich es ja auch verstehen, dass man sein Hobby zum Beruf macht – war bei mir mit dem Schreiben ja ähnlich. Aber muss es direkt das Saufen sein? Schließlich war es doch eher so ein Running-Gag mit 16, auf die verhasste „Was willst du mal werden?“-Frage trocken mit „Bierbrauer“ zu antworten. Vielleicht habe ich damals eure Antwort auch nur fälschlicherweise als Trotzreaktion eingeordnet und im Herzen wolltet ihr schon immer alle Bierbrauen. Aber irgendwie konnte ich mir das damals einfach nicht vorstellen. Also Jungs, erklärt uns: Was soll das mit dem Schnapsbrennen?

Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von christian-endt.


Die Jungsantwort von christian-endt:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Ich muss gestehen, dass ich selbst noch nie Schnaps gebrannt oder Bier gebraut habe. Und beides steht auch nicht auf meiner To-Do-Liste für die nächsten Tage und Wochen. Trotzdem kann ich die Faszination nachvollziehen, und wenn morgen ein Kumpel anrufen und zu einer Verkostung seines “Olibräu Unfiltriert” einladen würde, wäre ich auf jeden Fall und mit ganz viel Begeisterung am Start.
 
Selbstgemacht oder nicht, alkoholhaltige Getränke sind in vielen Jungsrunden grundsätzlich recht beliebt. Aber ich glaube, darum geht es beim Selberbrennen-Phänomen wirklich nicht so sehr. Klar, die Affinität zum Endprodukt ist schon eine Voraussetzung. Aber wenn wir nur trinken wollen, reichen uns die am Markt verfügbaren Flüssigkeiten voll und ganz, da können wir uns den Aufwand mit Sudpfannen, Stammwürze und Gärprozessen sparen. Mit der gleichen Leidenschaft wie am eigenen Bier arbeiten wir Jungs auch am selbstgezimmerten Bücherregal. Nur verkaufen wir das dann nicht gleich.

Wir wollen einfach mit unseren Händen etwas tun und am Abend ein Ergebnis sehen. Etwas in Händen halten, was wir selbst geschaffen haben. Dazu kommt noch diese ganz besondere Müdigkeit, die sich nur mit körperlicher Anstrengung erreichen lässt. Ein himmlisches Gefühl. Nie schmeckt das Bier besser, sogar wenn es aus dem Supermarkt kommt. Auch wenn wir an sich ganz gern in die Uni oder ins Büro gehen: Mit ehrlichem Handwerk ist das nicht zu vergleichen. Das muss gar nicht unbedingt wahnsinnig kreativ sein. Die meisten von uns nehmen auch gern eine Axt in die Hand und machen aus einem Stapel Holzstücke einen Stapel mit etwas kleineren Holzstücken. Ich habe Freunde, die in einen Tag intensiver Fahrrad-Wartung zum Frühlingsauftakt mehr Hingabe investieren als in sechs Semester Studium.

Bei euch Mädels gibt es ja auch dieses Comeback von greifbaren Tätigkeiten wie Stricken, Nähen und Backen. Das ist in vielerlei Hinsicht bestimmt vergleichbar mit dem Brauen und Brennen. Nur stört uns an so Handarbeitskram, dass man da stillsitzen muss, fast wie am Schreibtisch. Wenn wir etwas basteln, sollte das im Idealfall mit Schweiß, Lärm und Dreck verbunden sein.

Mein ganz persönlicher DIY-Traum geht übrigens so: Ich will meinen eigenen Käse herstellen. So einen, der bei jedem Öffnen des Kühlschranks zu gestankbedingten Ohnmachtsanfällen führt. Auf einer Alm in den Bergen, wo man nur mit einem dreistündigen Fußmarsch raufkommt, wo außenrum Kühe grasen und am Abend ein Kaminfeuer angemacht wird. Beibringen muss mir das Käsen natürlich ein ganz alter Bauer mit langem grauen Bart, Filzhut und unverständlichem Dialekt. Der kann mir dann bestimmt gleich zeigen, wie man Obstbrand macht.



Text: charlotte-haunhorst - Cover: dpa

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