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Jungs, was ist euer Gegenstück zum String-Tanga?

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Die Mädchenfrage

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Liebe Jungs, ihr müsst jetzt mit auf eine kleine Reise in die Vergangenheit: Mit 12 oder 13 Jahren fingen wir an, uns vor halb vorgehaltener Hand für mehr als nur euer süßes Lächeln zu interessieren. Auf Geburtstagspartys, die nicht mehr Kindergeburtstag, aber auch noch nicht rauschendes Alkoholfest waren, und die bevorzugt im Keller des elterlichen Hauses stattfanden, wollten wir fortan nur noch Flaschendrehen mit euch spielen. Jede Runde hofften wir insgeheim, die Flasche bliebe bei uns stehen, so dass jemand laut und deutlich PFLICHT! und Küssen! rufen könne. Auf dem Pausenhof bewunderten wir die sechszehnjährigen Mädchen, die in engen Hosen und bauchfreien T-Shirts zwischen älteren Jungs an den Tischtennisplatten lehnten. Was in der Bravo stand und was uns die großen Schwestern unserer besten Freundinnen an Jungsgeschichten erzählten, machte uns brennend neugierig. Wir sahen zwar noch aus wie Kinder (außer der dicken Elli konnte keiner von uns auch nur den Ansatz einer Brust unter dem Top vorweisen), aber verdammt, wir waren bereit! Weil Körbchengröße 65 A vor unserer Kinderbrust also traurig in sich zusammenfiel, brauchten wir ein anderes Symbol, um mit unserer prätentiösen Bereitschaft zu kokettieren. Blieb nur noch: der in der H&M-Unterwäscheabteilung unter dem BH wartende Tanga. Aber so ein Teil war schon krass pornös. Beinahe pervers! Wir trauten uns lange nicht. Bis eines Tages unsere Freundin Vicky in heller Aufregung präsentierte, was ihre schwedische Cousine ihr per Post geschickt hatte: einen winzigen Tanga, leopardenbemustert. Das sei in Schweden in unserem Alter total normal, schrieb diese Cousine und erlöste uns so von unseren Hemmungen. Yes! Was war auch dabei? An die H&M-Kasse trugen wir vor lauter Scham dann aber doch bloß die harmlose Snoopy-Version. Fühlte sich ohnehin besser an, immerhin beschützte uns Snoopy vor der schnell befremdlich wirkenden Sexwelt da draussen – wir wollten ja keine Pamela Andersons sein. Jede Woche verglichen wir: „Und, wie viele hast du schon?“, „Ich hab schon acht.“ „Was, hast du mir ja gar nichts von erzählt!“, „Och, hab’ letzte Woche welche im Dreierpack gekauft“. Und bei jedem Tragen taten wir alle heimlich, was am Verpöntesten war: Wir zogen den Tanga unauffällig unter der Hose hervor. Gerade so, dass im Sitzen auf dem Schulstuhl zu erahnen war, was man da Heißes drunter trug. Das war verschrien, weil wir damals schon ahnten, wie albern es im Grunde war. Aber sich aus dem Kinderzimmerfenster in die vermeintliche Erwachsenenwelt zu lehnen fühlte sich zu gut an, um der Vernunft nachzugeben. Ihr Jungs solltet ruhig ein bisschen staunen, wir weit wir waren. Unsere Mütter durften dahingegen nichts davon erfahren. Wir hatten ja nicht vor, ernsthaft Sex zu haben. So, wie Barbie und Ken sich in unserer Dachkammer nicht mehr zu Heile-Welt-Familie-Spielen, sondern nur zum Nackt-Im-Wald-Picknicken trafen, trugen wir nun also auch keine Frotteeunterhosen mehr, sondern Tangas. Nicht, um ernst zu machen. Nur, um zu sehen, wie sich das so anfühlt. Wenn wir nun all das nostalgisch Revue passieren lassen, fragen wir uns aber : Was habt ihr damals eigentlich so gemacht? Was war euer heimlich und halbverboten anmutendes Symbol des Einzugs in die Light-Gebiete der sexuellen Bereitschaft? Gab es das bei euch überhaupt? Wie war das, jetzt sagt doch mal! (Achso, und: Natürlich sind wir mittlerweile aus dem String-Tanga Alter raus. Wir tragen ihn heute nur noch, wenn es wegen eines wirklich extrem hinternengen Kleidungsstückes gar nicht anders geht!)


Die Jungsantwort

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Also eins zu eins ist das mit dem Tanga bei uns natürlich nicht übertragbar. Die Männerunterhosen-Welt ist ja in Form und Vielfalt ihrer Arten eher übersichtlich. Das Höchstmaß der Adoleszenz, das man dabei erreichen kann, drückt sich eben nach Knabenslips (von Mama gekauft), weit flatternden Witz-Boxershorts (geschenkt bekommen), schließlich in anliegenden Markenpants aus. Dabei bleibts dann. Tangas gibt es zwar auch, aber die markieren bei Männern nicht den Einstieg in die erste Sexwelt, sondern eher schon den Ausstieg aus der zweiten. Also insgesamt taugen die Unterhosen bei uns nicht als Symbol für irgendwas. Auch andere Kleidungsstücke drängen sich da nicht unbedingt auf, vielleicht weil wir in dieser Frühphase unserer Selbstdarstellung insgesamt noch viel unsortierter und irgendwie einzelner waren als ihr. Dass beste Freunde mit zwingenden Kleidungsteilen ums Eck bogen, war jedenfalls deutlich seltener als bei euch und dann handelte es sich in den meisten Fällen auch nur um Fußball- oder Band-T-Shirts. Natürlich gab es Marken, deren Besitz uns in eine gewisse erwachsene Stimmung versetzten, aber die Strahlkraft ging dabei nicht unbedingt in eure Richtung, sondern erstmal an die Anerkennung der Kumpels. Wenn wir euch beeindrucken wollten oder uns auf einen Abend vorbereiteten, an dem unserer bescheidenen Vorstellung nach alles Mögliche passieren konnte, dann bedeutete das vor allem erstmal: gesteigerte Körperpflege. Da wir dazu eher ungern jemanden unseres Alters befragten, orientierten wir uns an zwei ungefährlichen Fixpunkten: unserem Vater bzw. dem was sein Fach im Badezimmer so hergab – und an der Werbung. In echt bedeutete das, dass wir zu den ersten Partys mit einer komischen Duftmarke aus Irish Moos und dem erstaunlich scharfen Rasierwasser des Erzeugers antanzten und uns damit wie ein veritabler Sexköder fühlten. Etwas später dann, schlich sich ein Verdacht über die Bedeutung des Wörtchens „altbacken“ ein und bewirkt, dass wir zum ortseigenen Drogeriemarkt sausten und dort unsere erste eigene Lockausstattung erwarben. Diese wurde dann weitgehend von konsumierter Werbung und unserem schmalen Geldbeutel bestimmt, sprich: Axe-Deo und Rossmann-Eigenmarken-Männercreme plus Odol-Mundspray für die Hostentasche plus Big-Red-Kaugummi, welcher uns männlicher vorkommt als alle anderen Kaugummis. Die letzten Utensilien waren eindeutig knutschorientiert. Im Kosmetik-Metier wart ihr an diesem Zeitpunkt natürlich weit überlegen, ihr wusstet ja sogar, dass man Duftwasser nur in die Luft sprüht und dann drunter durch geht, während wir uns wie bessere Feuerwehrmänner damit links und rechts einkübelten. Viel hilft viel, dachten wir und standen als stark kontaminierte Duftbäumchen neben euch. Aber so richtig brachial erotisch waren wir damit noch nicht, das war uns schon klar. Um dem abzuhelfen, dachten wir aber nie Richtung Leoparden-Slip, sondern wollten eher einen Gorilla-Brustkorb oder bärenstarke Bizepsmuskeln vorweisen. Deswegen waren die Hanteln unter unserem Bett, zumindest für unsere Mütter, ein deutlicher Hinweise auf unsere grassierende Geschlechtsreife. Uns wuchsen ja auch nicht wie euch in dieser Zeit die interessanten Körperteile von selber zu imposanter Größe, sondern wir mussten uns dahingehend trainieren. Als letztes untrügliches Merkmal für unsere ersten Freiersfüße würde ich das Kondom im Geldbeutel anführen. Obwohl man schon in der Vorschule mitbekam, dass ein Kondom im Geldbeutel etwa so gut aufgehoben ist, wie eine Orchidee im Kettenkarussell. Aber in Ermangelung von Handtaschen fiel uns kein anderer Aufbewahrungsort mit persönlichem Touch ein. Immerhin wussten wir, dass auf jeder Party mal der Punkt kam, an dem Geldbeutel ausgeleert und rumgeworfen wurden. Wenn bei dieser Gelegenheit zufällig das Kondombriefchen raus- und auffiel, dann kam uns das geradezu verwegen erwachsen vor. Auch wenn ihr dann gleich loskreischen musstet und Vorträge über Kondome im Geldbeutel halten: Weiche Knie hattet ihr schon kurz, gebts zu! fabian-fuchs

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