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Jungs, was ist mit Schminki, Schminki?

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Wir sind das schönere Geschlecht, flötet der Volksmund. Aber halt! Alles ist relativ. Es hat seinen Grund, warum ihr unserem Antlitz selten in der unbehandelten 1.0-Version begegnet (es sei denn, wir werden von Paparazzi beschattet oder sind mehr als ein Jahr mit euch zusammen). Besonders bezaubernd ist unser Gesichtslook nämlich nicht mehr, wenn wir eine durchzechte Nacht und drei Stunden Schlaf hinter uns haben. Manche Mädchen sehen zwar sogar in so einem Moment aus, als kämen sie frisch aus dem Beauty-Salon, aber damit macht sich diese Minderheit in der übrigen Mädchenwelt nicht gerade Freunde. Die Normalsterblichen unter uns sind daran gewöhnt, Zeit und Geld in Fassadengestaltung zu investieren. So gesehen seid ihr ein, ja, genauso schönes Geschlecht. Wir kennen euch normalerweise nur naturbelassen und mit Schminke kommt ihr ja gar nicht in Berührung (es sei denn, ihr seid ein Emo oder arbeitet beim Film). Meistens seht ihr auch so gut aus und seid mit euch zufrieden. Oder? Dabei war das mal anders, fragt die Jungs aus der Barock-Epoche! Ok, über Perücken, Brokatröcke und Kriegsbemalung brauchen wir nicht zu diskutieren, aber habt ihr schon mal über ein dezentes Maß an Gesichtsoptimierung mithilfe kosmetischer Mittel nachgedacht? Und umgesetzt? Zum Beispiel bei Akne oder Leichenteint? Ein Meer an Hochglanzmagazinen für Männer versucht gerade, genau das zu propagieren. Und es ist auch ein Schritt der Gleichberechtigung, dass Schminkzeug für Männer seinen Weg aus den Gay-Shops in die Drogeriemärkte gefunden hat: Dort habt ihr jetzt eine eigene Abteilung mit Abdeckstiften, Cremes und Pipapo. Eure kosmetische Emanzipation bringt sogar eigene Begriffe hervor: Guyliner und Manscara. Solche Produkte werden immer gefragter, der Umsatz von Männerkosmetik stieg erst im letzten Jahr um 5%. Also: Schminken oder nicht schminken? Die ungeschminkte Jungsantwort gibt es auf der nächsten Seite!


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Jungsantwort Erfahrungen mit Schminkzeugs kann man als Junge natürlich nicht verallgemeinern, ich kann nur erzählen, wie es bei mir war. Von der großen Pickel-Epidemie anno 97/98 blieb auch ich nicht verschont. Das war deshalb besonders ungünstig, weil ich gleichzeitig heftig verknallt war. Und zwar in ein Mädchen mit Haut so rein, dass ein Glas Volvic neben ihr wie Brühe aussah. Ich hingegen konnte mein Gesicht nur in verschiedene Elendsviertel einteilen: Entzündet, verkrustet, gerötet, vernarbt. Kein Wunder, dass mir die Leichtigkeit beim Anflirten ein bisschen verlustig ging. Ehrlich gesagt hielt ich sogar einen Sicherheitsabstand zu der Wunderfrau ein und grüßte höchstens von weitem. Eines Abends war Party und klar, dass der Partykeller meinen Sicherheitsabstand nicht zulassen würde. Also tat ich, was mir bisher unmännlich und unseriös vorkam (man ist in diesen Jahren ja besonders auf Geradlinigkeit bedacht): Ich benutzte den Abdeckstift meiner Schwester. Die Wirkung war verblüffend angenehm, die vielen roten Dellen in meinem Gesicht wurden zu vielen beigen Hügelchen, die man mit ein bisschen Unschärfe im Blick fast überhaupt nicht sah. Begeistert deckte ich doppelt gründlich ab. Mein Selbstbewusstsein ging hoch, wie die Gondel beim FreeFall-Tower. Der FreeFall ließ allerdings nicht lange auf sich warten, als mich nämlich mein bester Freund Lars auf der Party eine Sekunde zu lang anstarrte und dann fragte, was denn, heilige Scheiße, in meinem Gesicht los wäre? Er selber trug stolz und entzündet die alte Pickeltracht. Ich stürzte ins Bad und im Neonlicht wirkten da die abgedeckten Stellen wie grüngelbe Teigbatzen, die sich deutlich von meinem rosigen Grundteint abhoben. Also runtergeschrubbt und original verkrustet zurück ins Getümmel. Meine Schwester unterrichtete mich ein paar Tage später im richtigen Abdecken. Ich erfuhr, dass es unterschiedliche Farbtöne gab und wie man das Zeug mit den Fingern vorsichtig anwischte und so fast unsichtbar machte. Danach war der Abdeckstift ein wirklich brauchbarer Nothelfer, den ich vor besonderen Aufgaben des Lebens benutzte. Irgendwann aber, war der Abdeckstift aufgebraucht und ich nicht Manns genug, mir selber einen zu kaufen. Das waren immerhin die 90er, Metrosexuelle wurden damals noch bestraft. Als es in meine Gesicht trotzdem wieder was zum Abdecken gab, suchte ich in den erstaunlich kleinteiligen Schminkwaffenkammern meiner Mutter und Schwester nach Ersatz und fand eine alte Tube MakeUp in dunkelrotbraun, die stark nach Paris roch. Damit tupfte ich bei mir rum, was aber nicht recht funktionierte, da das Zeug zu ölig und falschfarbig war. Beim Abwischen allerdings blieben wunderschöne braune Streifen auf meinen Wangen, die kaum mehr zu beseitigen waren. Das machte mir ziemlich bewusst, dass diese Anmalerei noch mehr Expertise brauchte, als ich gemeinhin angenommen hatte und dass man als Junge dafür nie genug Geduld und Fingerfertigkeit haben würde. Danach ließ ich die Hände davon und zum Glück der Bedarf auch etwas nach. So richtig geschminkt wurde ich ein Jahr später, als ich einer Theatergruppe beitrat, in der es eine eigene Stylistin gab. Da wurde in der Garderobe gemalt, was das Zeug hielt und das Zeug hielt besonders gut. Ich bekam Grundierungen, Liedstriche, Wimperntusche und Kajal ins Gesicht und was soll ich sagen: es sah sehr gut aus, gar nicht besonders unnatürlich. Meine Augen strahlten, es waren Linie und Kanten angedeutet, die extrem markant wirkten und meine Hautfarbe insgesamt war sehr gesund. Ich fand das toll, ich liebte es, nach der Aufführung noch geschminkt rumzustehen und den Mädchen zuzusehen, die wegen meiner langen Wimpern ohnmächtig wurden. Männer haben nämlich meistens tolle Wimpern, man sieht sie nur so schlecht, ohne Tusche. Puder und Tusche vermisste ich tatsächlich, als der letzte Vorhang fiel. Heute, ohne Pickelpest und Theatergruppe, bin ich wieder weit entfernt davon mir morgens was zu malen, obwohl ich durchaus nicht abgeneigt bin, bei kleinen Schwächen nachzuhelfen. Es müsste eben etwas sein, das so unsichtbar funktioniert wie die BlendWeiß-Zahncreme, die ich ja auch benutze. Denn das ist das Problem - bei euch gehört Make-Up durchaus zum Style, bei uns sollte es gar nicht auffallen. Leicht getönte Tagescremes für Männer oder diese soften Selbstbräuner finde ich schon ziemlich normal, mir scheint nur, dass diese Produkte für uns oft noch nicht ganz ausgereift sind. Für Männer-Wimperntusche im Büro ist die Zeit irgendwie noch nicht richtig bereit. Ich denke aber, das kommt. So sicher wie die nächste große Pickel-Epidemie. fabian-fuchs

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