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Jungs, wie fühlt ihr euch im Anzug?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Wenn wir uns schick anziehen müssen (oder wollen), haben wir sehr viel Auswahl. Das ist einerseits schön, kann aber natürlich auch anstrengend sein. Der erste Schritt ist oft, sich zu überlegen, ob man Rock, Kleid, Hosenanzug oder Kostüm tragen will oder was davon am besten zum Anlass passt. Wobei es da auch Mischformen gibt, Blazer-Jeans-Kombinationen zum Beispiel oder verschiedenste Oberteile zu Röcken. Und sehr viele verschiedene Arten von Schuhen. Wenn wir gar nicht weiter wissen, hören wir auf unser Körpergefühl: Fühle ich mich gerade eher in Hosen oder in Strumpfhosen wohl? Geht Absatz heute gut oder will ich lieber ebenerdig stehen? Oder wir überlegen uns, welches Gefühl wir gerne hätten, ob es zum Beispiel eher seriös-geschäftsmäßig (irgendwas mit Blazer), glamourös (schickes Kleid) oder unbeschwert (leichter Rock) sein soll.  

So viel zu unserer Auswahl. Eure scheint uns dagegen im ersten Moment sehr schlicht. Erstkommunion? Anzug. Abifeier? Anzug. Hochzeit der besten Freundin? Anzug. Absolventenfeier an der Uni? Anzug. Vorstellungsgespräch als Unternehmensberater? Anzug. Wichtiger Geschäftstermin? Anzug. Rede auf dem Podium? Anzug. Es steht einfach fest, dass ihr Sakko, Stoffhose, Hemd und Leder- oder Lackschuhe tragen müsst, wenn es feiner oder seriöser wird, manchmal noch eine Weste dazu, eine Krawatte oder eine Fliege. Aber das war’s dann auch fast schon.  

Klar, wir wissen natürlich, dass Anzug nicht gleich Anzug ist, aber dennoch stellen wir es uns schön vor, dass ihr nicht lange überlegen müsst, welche Art von feiner Kleidung ihr denn heute tragen wollt. Andererseits fragen wir uns auch, ob ihr euch nicht manchmal wünscht, ihr könntet mit eurer Kleidungswahl auch so verschiedenen Wirkungen durchspielen wie wir, die wir von unbeschwertes Mädchen über toughe Business-Lady bis Roter-Teppich-Diva alle Möglichkeiten haben.  

Überhaupt fragen wir uns viel, wenn es um euch und Anzüge geht. Wie ist euer Gefühl, wenn ihr einen tragt? Was macht das mit euch? Wie war es, den ersten Anzug zu tragen, damals, mit neun oder so? Wie war es das letzte Mal, bei der Freunde-Hochzeit? Und könnt ihr vielleicht doch verschiedene Persönlichkeiten damit hervorheben? Indem ihr Weste oder Kummerbund tragt? Ein Einstecktuch in die Brusttasche faltet? Lenkt ihr eure Gefühle mit verschiedenfarbigen Fliegen?  

Also Jungs, Krawattenknoten lockern und dann frei heraus mit eurer Anzug-Evolution und den dazugehörigen Anzug-Gefühlen. Wir lauschen gespannt.


Die Jungsantwort von christian-helten:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Der Anzug und wir, wir haben ein Problem: Wir hatten einen beschissenen Start. Die Veranstaltungen, in denen der Anzug und wir uns das erste Mal näher kennenlernen, sind nie solche, auf die wir so richtig Bock haben: Kommunionsfeiern, Beerdigungen, Cousinhochzeiten. Stillhalten muss man da. Brav sein. Familienfesttauglich sein. Für Jungs zwischen neun und 14 Jahren gibt es nichts Schlimmeres. Wir lernen – und merken uns unterbewusst: Wo der Anzug ist, da ist auch die Tante nicht weit, die uns aufs Familienfoto zwingt und danach lobend in die Wange kneift.  

Das daraus resultierende Unbehagen können die meisten von uns erst ablegen, wenn die Anzuganlässe irgendwann angenehmer und häufiger werden. Denn wenn wir öfter Anzüge tragen, auf Veranstaltungen, zu denen wir gerne und mit Interesse gehen – ganz gleich, ob das Konferenzen oder Hochzeitsfeiern von Freunden sind – verändert sich unser Verhältnis. Wir kramen nicht, wie im Alter zwischen 16 und 21, alle paar Jahre immer denselben raus, den wir mit Mutti in quälenden Prozeduren in der Herrenabteilung eines Kaufhauses erstanden haben. Wir haben mittlerweile so etwas wie einen eigenen Geschmack entwickelt und uns selbst einen Anzug gekauft, der uns gefällt und zu uns passt. Und dann noch einen, und irgendwann noch einen. Wir merken, dass ein Anzug eben nicht einfach ein Anzug ist, sondern dass es sehr viele, wenn auch oft sehr feine Unterschiede gibt. Und wir begreifen, welche davon wir wie für uns nutzen können. Wir müssen uns irgendwann auch nicht mehr ständig darauf konzentrieren, dass wir beim Hinsetzen das Sacko öffnen und es wieder schließen, wenn wir aufstehen.

Das Wichtigste ist aber: Irgendwann merken wir auch, dass so ein Anzug verdammt gut aussehen kann an uns, und vor allem, dass er außer dem Wangenkneifen der Tanten auch noch andere Reaktionen hervorrufen kann: Wir werden ein bisschen ernster genommen als im Kapuzenpulli und ihr schaut uns auf den Hintern. Wir gehen dann sofort ein bisschen aufrechter und dann – so blöd das jetzt vielleicht klingen mag – füllen wir den Anzug aus. Wir tragen ihn, nicht er uns. Wir fühlen uns dann nicht mehr verkleidet. Sondern gut angezogen. Und manchmal, wenn wir unsere Anzüge eine Weile nicht anhatten und in den Schrank schauen, wünschen wir uns sogar, dass endlich mal wieder ein Anlass kommt, wo wir einen davon hervorholen können.

Text: valerie-dewitt - Cover: goegi / photocase.de

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