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Jungs, wollt ihr wirklich ein "Cool Girl"?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

  In dem Thriller "Gone Girl" von Gillian Flynn, dessen Verfilmung gerade bei uns im Kino läuft, gibt es einen wichtigen Monolog der Hauptfigur Amy. Darin denkt sie über das "Cool Girl" nach, das angeblich die Traumfrau aller Männer sei. Das Problem ist nur: Dieses Mädchen existiert nur im Kopf der Männer. "Cool Girl" ist ein Fabelwesen, das am liebsten auf dem Sofa oder in einer verranzten Bar sitzt, sich die Plauze kratzt, Fußball glotzt und das ganze Alphabet rülpsen kann. Es kann jeden Typen unter den Tisch saufen, ist extrem unabhängig und wird auch dann nicht sauer, wenn ihr Freund zum dritten Mal das Essen mit ihren Eltern sehr kurzfristig absagt. Dabei sieht sie – natürlich – supermodelmäßig aus. Amy erzählt, wie sie in den ersten Jahren der Beziehung dieses "Cool Girl" gegeben hat, um ihren Mann Ben zu beeindrucken. Und wie sie irgendwann damit aufgehört hat, weil es nicht mehr ging. Und wie Ben sauer wurde, dass seine Amy nicht mehr die war, in die er sich verliebt hatte. Ich weiß nicht, ob ich Amys These, dass es das "Cool Girl" gar nicht gibt, unterschreiben würde. Ich weiß nur, dass ich eine ganze Weile lang selbst sehr viel Wert auf das Attribut "Cool" gelegt habe. Und dass es sehr viel Spaß gemacht hat, meine Zeit in Bars und Clubs zu verbringen, alle Konzerte der Stadt zu besuchen, in verkramten Plattenläden meine Nachmittage zu verbringen, alle Verbindlichkeiten zu scheuen und mir so wenig Sorgen zu machen wie möglich. Ich glaube schon, dass ich zu dieser Zeit relativ authentisch war. Ich weiß auch, dass ich damals einen ziemlichen Schlag bei Jungs und Männern hatte, auch wenn ich mit meinem unsteten Lebenswandel und dem Unabhängigkeitsbestreben keineswegs "Girlfriend Material" war. Diese Ära ist mittlerweile vorbei. Denn ewig kann man das "Cool Girl" nicht sein, weil man bescheuerterweise dann doch erwachsen werden muss, und mindestens für sich selbst Verantwortung übernehmen muss. Wenn man das zu vermeiden sucht, kann es übel ausgehen, denn dieser Lebensstil geht ziemlich an die Substanz. Aber wie ist das bei euch? Stimmt, was Amy behauptet? Wollt ihr alle dieses "Cool Girl" haben? Und habt ihr schon mal in einer Beziehung diese Transformation erlebt von der Bier trinkenden lässigen Frau, in die ihr euch verliebt habt, zur ernsten ordentlichen Frau, mit der man keinen Spaß mehr haben kann?
Die Jungsantwort von jan-stremmel:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ja, wir wollen das "Cool Girl". Ein cooles Mädchen macht Spaß. Vor allem am Anfang, wenn das böse B-Wort (BEZIEHUNG!) in unseren Single-Ohren noch furchteinflößend klingt, nach Unfreiheit und Früh-ins-Bett und gemeinsamem Wäschekorb. Das Cool Girl, das nur ein Daumen-rauf-Emoji schickt, wenn wir ein Abendessen abgesagt haben, dämpft diese Angst. Es sagt: Hey Dude, mach dich mal locker, es kann doch auch mega entspannt sein, in einer Beziehung zu leben – zumindest mit mir! Also ist euer Cool-Girl-Verhalten durchaus zweckmäßig. Eines muss ich aber gleich hinterherschicken: Wir Jungs machen das nicht anders. Wir führen am Anfang auch ein kleines Einmann-Theater auf. Wir schmücken unsere Erzählungen neonfarben aus und tragen sie mit unnötig rauer Stimme und unnötig viel Schmunzeln vor. Unsere Nächte mit "den Jungs" (die wir auch nur in dieser Phase so nennen) sind, wenn wir euch davon erzählen oder per Whatsapp live dazuschalten, immer deutlich verrückter und krasser als je zuvor. Wir erzählen euch von unseren Kollegen, Vätern und Schwestern, als wären alle lässige Buddys, die uns meganatürlich mit Fistbump begrüßen, wir versuchen uns sogar an einem lässigeren Gang, wenn wir mit euch eine Bar betreten oder vom Klo zurückkommen. Kurz: Wir spielen, um mal im Jargon zu bleiben, den "Cool Boy". Wir zeigen die bestmögliche Version von uns, wobei wir "bestmöglich" sicherheitshalber wie "coolstmöglich" interpretieren. Denn wir kennen euren Geschmack in dieser Phase natürlich nur rudimentär, und so unterschiedlich die Geschmäcker auch sind, was nun an einem Jungen genau attraktiv wirkt: auf "souveräne Coolness" können sich doch die meisten von euch einigen, glauben wir. Später dann, wenn wir lange genug cool voreinander herumgestenzt sind und das B-Wort plötzlich doch ganz vielversprechend klingt, entspannen wir uns langsam. Dann kommt der Moment, in dem wir zum ersten Mal ganz wir selbst sind. Mit all den Zweifeln, Kleinlichkeiten, Quengeleien, Launen und Vaterkomplexen, die wir in Wahrheit mit uns rumschleppen. Wenn in diesem Moment die Beziehung zerbröselt, liegt das aber eher nicht daran, dass "alle Jungs" ein Cool Girl wollen, wie Amy behauptet. Da macht sie sich was vor. (Und wer das Buch kennt, weiß, dass die Frau ja auch sonst nicht alle Latten am Zaun hat.) Der Normalfall ist nämlich eher der, dass wir uns nach ein paar Monaten Coolsein irgendwo in der Mitte treffen. Wo es nicht ganz so cool und rau und krass ist, wo es sich aber dauerhaft ganz angenehm rumhängen lässt. Und wir stellen fest: Ganz schön lässig, wenn man nicht ständig cool sein muss.

Text: christina-waechter - Cover: Hannchen86/photocase.de

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