Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Mädchenfrage: Habt ihr ein Beuteschema?

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Die Mädchenfrage

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Tina hatte ein eher rundes Gesicht, braune Wuschelhaare und eine Vorliebe für hippieske Outfits, bunte Röcke über Schlabberhosen und so. Sie war die Exfreundin des Jungen, mit dem ich mit 17 zusammen kam. Übrigens war das eine Zeit, in der ich mein Haar eher wuschelig und meine Beinbekleidung grundsätzlich zwei Nummern zu weit trug. Mit der Frisur und den Klamotten änderte sich irgendwann auch mein Beziehungsstand. Was sich allerdings nicht änderte, war scheinbar der Geschmack meines Exverliebten. Als ich nämlich vor einer Weile ihn mit seiner neuen Gefährtin sah, musste ich ein bisschen schlucken: Ihr Kopf war rund, ihr Haar braun und lockig – und was ihr Outfit betrifft, muss ich vermutlich nichts hinzufügen. Oder mein Kumpel Jan. Seine große Liebe zu einer manisch-depressiven Deutsch-Koreanerin endete qualvoll. Nach einer Weile begann er, wahllos jede hübsche Asiatin abzuschleppen, die er zwischen die Finger bekam. Als das nichts brachte, verlegte er sich darauf, mit Neurotikerinnen auszugehen – ich habe eben ein Helfersyndrom, war sein Lieblingsspruch. Lernt ihr denn niemals? Wir nehmen uns nach jedem Beziehungspatzer zumindest vor, eine andere Art von Junge auszuprobieren, bis irgendwann der passende passiert. Ihr dagegen scheint euch irgendwann im Kindergartenalter auf eine ganz bestimmte Sorte Mädchen festgelegt zu haben. Dass ihr damals noch keine Erfahrung mit uns hattet, ist ziemlich offensichtlich. Doch egal, wie oft ihr an eurer Lieblingssorte scheitert, nichts lässt euch davon abkommen. Das ist auch bei in die Jahre gekommenen Jungs prima zu beobachten: Boris Becker mit seinen Afrofrauen oder Diether Bohlen mit seinen immer jünger werdenden Pseudolatinas. Was ist es, habt ihr so wenig Phantasie? Oder rieche ich ein Beuteschema? meredith-haaf Die Jungsantwort

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Was heißt da riechen? Wittern ist das Wort, das hier in der Luft liegt: Immer nachts, wenn ein böser Mond aufgeht, peitschen wir rollig durch unser Revier, das Beuteschema im Kopf und die Witterung der bevorzugten Weibchen in den Nüstern, die wir dann jagen, hetzen, erlegen, der Paarung wegen, und paaren, wisst ihr doch, ihr Beute auf zwei Beinen, paaren läuft so: Wir sind brünstig, und ihr Weibchen da draußen – genau: du, du und du, und deine Schwester auch – seid gefälligst brünftig, aber flott, denn wir wollen, wir müssen, wir – wo waren wir? Ach ja. Hoffentlich hat sich jetzt wenigstens die Frage nach unserer Phantasie beantwortet. Beuteschema? Klar. Haben wir, keine Frage. Aber Pseudolatina, Blond/Busen oder „17 Jahr´-Antifa“-Schlabberhosen/Locken sind kein Beuteschema. Das sind Kategorien der Art, wie sie in Frauenzeitschriften immer im Mode-Teil stehen: Ach, du bist eher so der Latina-Typ? Dann probier doch mal dieses schicke Styling! Du stehst mehr auf Hippie-Accessoires – hey, wir haben das Schlabberlook-Special mit Blumen im Haar in San Francisco fotografiert! Entschuldigung, aber die einzigen Menschen, die in solchen Kategorien denken, seid ihr und die Männer von der Rasterfahndung (BKA, FBI, Bohlen, Becker). Ein wirkliches Beuteschema ist anders, schwieriger, komplizierter, und es fängt meist ganz unscheinbar an: Vielleicht sieht ein Junge eines Tages, sagen wir mal, den Film „Night on Earth“ von Jim Jarmusch, dieses Fünf-Episoden-im-Taxi-Cineastenfest. Weil sich Jungs in Filmen gerne ein paar Szenen lang verlieben, verliebt sich dieser Junge in Corky, das Kaugummi kauende, Kette rauchende und auch ansonsten großartige Jungs-Mädchen, das als Schauspielerin entdeckt wird, aber diesen nassen Traum aller Mädchen mit den Worten ablehnt, sie wolle lieber Automechaniker werden. Corky sieht auch noch aus wie Winona Ryder, Wahnsinn, und plötzlich wird der Junge, auf der Suche nach seinem großartigen Mädchen, mehr auf braunhaarige und zugleich ruppige Mädchen mit teichtiefen Augen achten, weil doch Corky, also genauer gesagt Winona – schon hat der Junge einen kleinen Tick weg. Nun muss man dieses Beispiel aber mit 10 hoch 12 multiplizieren, weil es außer Corky noch unzählige andere Prägungen gibt: Eher Locken, weil damals in der Grundschule, bloß keine Gazellen-Beine, weil einmal diese Schnepfe, lieber Killers- als Marusha-Fan, weil auf dem Festival vor vier Jahren, auf keinen Fall den leisen/lauten/vorlauten Typ, weil diese vier Wochen in den Sommerferien, gerne einen Hauch von emotionalem Hang-Over, weil Trösten schon immer das Beste… Dann ist noch das Lachen wichtig und das Lächeln, die Stimme, der Stil, wie sie geht und wie sie steht, wie sie das Haar hinter das Ohr zurückstreicht und wie das Haar am Morgen auf dem Kopfkissen aussieht und wie am Abend vor dem Ausgehen, und außerdem gibt es natürlich noch Busen-Jungs, denen Busen wichtiger ist als den Beine-Jungs, denen Beine wichtiger sind als den Arsch-Jungs, denen der Hintern wichtiger ist als den Busen-Jungs. Das alles zusammen – Beuteschema. Und nichts lässt uns davon abkommen. Außer ein Mädchen, von dem wir dachten, es passe nicht in unser Beuteschema – wir aber passten in ihres.

  • teilen
  • schließen