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Mädchenfrage: Jungs, warum dürfen wir nicht rumprollen?

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Die Mädchenfrage: Eigentlich bin ich kein Proll. Wenn ich nüchtern bin, zumindest. Habe ich etwas getrunken, sieht die Sache etwas anders aus. Dann lache ich laut und dreckig über irgendwelchen Schweinkram, erzähle politisch derbe unkorrekte Witze und labere Blödsinn mit Titten, ficken und/oder Klabusterbeeren. Gelegentlich muss ich auch beweisen, dass ich eine Flasche Bier in einem Zug leertrinken kann. Und ich rülpse gern sehr laut. Die Jungs, die ich so kenne, sind eigentlich auch keine Prolls. Sie haben Lehramt studiert, Medizin oder Innenarchitektur und machen oft irgendetwas mit Medien. Wie man ein Bügeleisen hält, wissen sie ganz gut, genauso, ob Waschnüsse etwas bringen und was so in der „Visions“ steht. Das vergessen sie aber gerne mal, wenn sie auf einer Party sind. Sie haben dann Bierflaschen in der Hand, reißen die Klappe auf und das Niveau sinkt-sinkt-sinkt. Und das sind alles Dinge, die ich leicht betüdelt unwiderstehlich finde. Ich kann also gar nicht anders, als mit einem besonders geschmacklosen Witz reinzugrätschen. Nichts spektakuläres, nur irgendetwas zu dem, worüber die Arztsöhne und Lehramtler am Tisch sich noch gerade eben weggeschmissen haben vor Lachen - und halt in noch ein bisschen krasser. Doch, komisch, sobald ich anfange, das Niveau mit zu unterbieten, scheint das alles nicht mehr halb so lustig. Zumindest hören die Jungs dann ziemlich schnell auf mit Rumprollen und sind verwirrt. Manchmal entsteht auch eine peinliche Pause, in der irritiert geschaut oder rumgekichert wird. Das Thema ist durch und ich fühle mich dumm. Geht es später weiter im Text (wir reden nun über Hamburger Biersorten und Kathis Jahr in Kopenhagen), merke ich, dass sich etwas verändert hat: Die Jungs schauen jetzt schon anders. Weniger interessiert, irgendwie. Es ist nichts Großes, aber es ist da. Mein Attraktivitätsindex ist gefallen, ich ahne, dass mein Ausschnitt den restlichen Abend keine Rolle mehr spielen wird. Wieder zuhause, bin ich dann genervt. Dass Mädchen keine prinzessinnenhaften Geschöpfe sind, die niemals pupsen und deren Witze stets nach Veilchen duften, sollten Jungs doch eigentlich wissen. Und eigentlich sollten sie es auch gebacken bekommen, rülpsende Nichtprinzessinnen interessant zu finden. Wir Mädchen schaffen das mit unseren Gelegenheitsprolls ja auch. Warum bloß haut das nicht hin? Auf der nächsten Seite kannst du die Jungsantwort lesen.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Erkenntnis, dass auch aus euren Körpern hin und wieder Gase entweichen, war für uns ein Schock. Sei es nun aufgrund frühkindlicher Prägung, als man uns himmelblaue und euch aber rosarote Socken anzog, versteckter Chauvinismen oder biologischer Faktoren – seit unserer Kindheit nehmen wir Mädchen als sauberere, feinere, bessere, schönere Wesen wahr als uns selbst. Mit zunehmendem Alter erfahren wir nach und nach die Wahrheit: Auch ätherische Wesen mit blonden Locken müssen kacken. Widerwillig finden wir uns damit, versuchen aber, möglichst nicht daran zu denken. Aber jede Bumsenarschlochhämorroidenscheiß-Bemerkung aus eurem Mund erinnert uns wieder daran. Diese Geschlechterrollenvermischung macht uns ziemlich nervös. Denn in unserem Selbstverständnis sind wir diejenigen, die über Titten, Bier und Kotzen reden, und applaudieren, wenn einer von uns einen fahren lässt, auf das die Bank, auf der wir sitzen, bebt. Und ihr diejenigen, die dann „Ihhhh“ kreischen, woraufhin wir dann wieder dreckig lachen und ihr das insgeheim auch wieder ein bisschen süß findet. Wenn ihr jetzt auch noch anfängt, Bier zu exen und zu rülpsen wie ein Elch, wenn ihr bei jedem Furz die Hand hebt und „Check di nei!“ brüllt und wenn ihr euch totlacht bei Witzen wie „Wenn ein Mann einer Frau die Tür aufhält, ist entweder die Frau oder das Auto neu“, dann kriegen wir entweder Angst vor euch und sind von dieser neuen Rollenaufteilung total irritiert. Oder ihr tappt in die Kumpelfalle. Und die geht so: Ihr verhaltet euch genauso wie wir und wir registrieren euch fortan nicht mehr als weibliches, prinzipiell bewunderns- wie begattenswertes Subjekt. Ihr werdet dafür in den Kreis jener echten Kerls aufgenommen, die es unglaublich witzig finden, wenn sie ihren schlafenden Kumpel ins Gesicht rülpsen und ihm mit Edding einen Bart malen. Die meisten von euch haben darauf aber keine Lust. Also wir Prolls – ihr Prinzessin, klar? ...wir merken gerade, wie schlimm das alles nach Mario Barth und dämlichen Steinzeitstammtischhumor klingt. Entschuldigt, bitte – wir müssen uns wohl einfach daran gewöhnen, dass ihr genauso rumprollen könnt wie wir. Fickscheiße. martin-hastenberg

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