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Sind Jungs, wie soll man sagen: gruppengeil?

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Die Mädchenfrage:

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wenn der Satz "Wo Jungs sind, ist Rudelstruktur nicht weit" gilt, dann bedeutet das meinen Beobachtungen nach zwei Dinge. Erstens: Personalvariationen im Stile von Alphamännchen vs. stiller Mitmacher, dicker Spaßvogel und Bücherwurm. Zweitens: Gemeinschaftsbegierde. Wenn Jungscliquen sich mit den Mädchen ihrer Umgebung beschäftigen, kristallisiert sich oft genau eine Einzige heraus, auf die sie alle abfahren. Dieses Mädchen erlangt kraft kollektiver Jungsgeilheit einen Sonderstatus. Sie ist umgeben von einem Schwarm männlicher Satelliten, die dafür sorgen, dass sie nie jemanden anrufen muss und immer genügend Umzugshelfer hat. Der eine Faktor, der dieses Mädchen auszeichnet, ist ihr besonders gutes Aussehen. Doch auf Außenstehende übt sie bei aller Hübschheit nicht die halbe Wirkung. Die andere Eigenschaft des Supermädchens scheint ihre relative Unerreichbarkeit zu sein. Sie hat zwar immer wieder Beziehungen – doch nie mit den Cliquenjungs. Die schwirren nur um sie herum, in ewiger, unerfüllter Hoffnung und zu fasziniert, um auch nur die Existenz anderer Mädchen zu registrieren. Was ich mich frage: Wie kommt es dazu, dass lauter individuelle Jungs sich so oft auf genau ein Mädchen als das Urmaß aller Attraktivität einigen können? Sonst seid ihr doch auch gerne überzeugte Individualisten. Gibt es in Jungscliquen so etwas wie einen Geilheitsgruppenzwang? charlotte-schneider Die Jungsantwort

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Zur männlichen Peergroup-Phänomenologie gibt es allerlei kluge Theorieansätze, die im Allgemeinen so zusammenfassen sind: Reich an Mythen, arm an Informationen. Dagegen lässt sich vieles einwenden. Ein grundlegendes Missverständnis ist, dass wir ausser Gruppenzwang nichts zu tun haben. Dabei gibt es da einiges, frustiertes Schweigen etwa, nach der Niederlage des Fußballvereins, den wir mögen. Gemeinsames Schwärmen aber – oder auch gemeinsam ausgelebte Geilheit – gehört, wie die Sozialisation in einer Clique auch, allenfalls zu den Wirrungen der Spätpubertät. Und die besteht ja bekanntlich eh aus nicht viel mehr als eben Desorientierung. Bildet sich ein als „Jungsclique“ bezeichneter Testosteron-Cluster, kann man sicher sein, dass es sich bei den Beteiligten, Alphamännchen hin, dicker Spaßvogel her, nicht gerade um Shootingstars im lustigen Spielchen Sexualität handelt. Das sind eher Randfiguren mit immer wieder aufflackernden Hoffnungen nach klaren Strukturen und hehren Idealen. Wenn bei oben angesprochener Jungs-Mädchen Konstellation noch die leichtfertig vergebene Bezeichnung „hübsch“ ins Spiel kommt, kann es schon mal passieren, dass eine Einzige zum bieder-totalitären Fixstern verkommt, um den dann das Satellitendasein geprobt wird. Abseits aller Astronomiemetaphern ist so ein Mädchen aber auch eine prima Projektionsfläche für all die Sehnsüchte und Erwartungen an ein besseres, weil gemeinsam nackt verbrachtes Morgen. Also projiziert man eifrig vor sich hin und wartet ab. Man wartet und, wie man es dreht und wendet, dieses Warten ist eigentlich auch der einzige Anspruch, den man hat. Denn wenn sich mal ein Anlass ergibt, der nichts mit Möbelrücken zu tun hat, ist man meist viel zu schüchtern, als dass man es nicht gründlich vermasselt. Das kann eine ganze Weile oder auch ein paar Jahre sehr gut gehen. Irgendwann in dieser Zeit aber kommt dann doch die Gelegenheit, sich näher mit dem Übermädchen zu beschäftigen oder, und das klingt jetzt komisch, sogar mit ihr zu reden. Viel zu oft stellt sich bei dieser Verliebtheitsverifikation dann heraus, dass ihr Zimmer komisch nach Pfirsich riecht, Hundertwasser-Kunstdrucke an den Wänden hängen und sie selbst eigentlich auch eher doof ist. Später dann, nachdem man sowohl Mädchenorbit als auch die Wirrungen der Adoleszenz verlassen hat, merkt man, dass all die dort verbrachte Zeit, wie so oft in jungen Jahren, irgendwie verschwendet war. jonathan-treibel

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