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Wollt ihr wirklich eure Nachbarin nackt sehen?

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Die Mädchenfrage

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Heißer Spam –Alarm in Jungsposteingängen! Beinahe täglich bombardieren E-Müll-Provider derzeit meine Bekannten mit der frohen Botschaft, dass ihr lang gehegter Traum in Erfüllung gehe: „Endlich kannst du deine Nachbarin nackt im Internet sehen! Schau dir die Bilder unter www.schweinischenachbarin.de an – und, haha, vertiefe eure Bekanntschaft!“ Ich hab nicht viel Erfahrung mit Porno-Spam, aber der Verfasser dieser Mail klingt so begeistert, als hätte er mitten in seinem Vorgarten eine Goldmine entdeckt. Oder eben eine wahre Schatzgrube der Jungsfantasien. Mir erscheint das ja reichlich weit hergeholt. Die anmutige, brünette Tante von schräg gegenüber, die mit nichts als einem Handtuchturban bekleidet durch ihre Wohnung schleicht und den begeisterten Zuschauer zu einem tête-a-tête herüber winkt – so platt können Fantasien eigentlich gar nicht sein! Schließlich sind Nachbarinnen doch meistens dick, alt und/oder schlecht gekleidet. Normalerweise sind das Leute, deren vollgepackte Mülltüten man besser kennt als ihre Gesichter. Von denen man hofft, dass sie einem bitte nicht die Aufzugtür aufhalten, weil man sich sonst auf ein peinliches Dreißig-Sekunden-Gespräch einlassen muss. Aber vielleicht kann ich da auch gar nicht mitreden. Meine männlichen Nachbarn sind ja alle entweder alltagsgestresste Familienväter oder übergewichtige Mineralogie-Studenten – generell wünsche ich mir eher, dass sie aus dem Haus ausziehen, anstatt mich aus meinen Klamotten. Nicht, dass man als Mädchen keine ausgiebigen Sexfantasien pflegt. Nur haben wir meist ziemlich genaue Mitspieler im Kopf: Den Verknallten, weil er so ein grandioser Liebhaber ist. Den Dozenten, weil er immer so schlaue Sachen sagt und dabei noch ideale Augenbrauen besitzt. Oder den Barmann unserer Stammkneipe weil wir seine Tätowierungen unbedingt mal anfassen möchten. Mädchen wollen tendenziell Sex mit einer Person, nicht mit einer Idee. Wenn jemand uns einen beliebigen Nachbarn anbietet, finden wir das eher langweilig. Oder ist das vielleicht so ein Jungsding: Eventuell ist es gar nicht die konkrete Sexbombe aus dem dritten Stock, die euch auf Touren bringt – sondern einfach das Konzept. Oder wie ist das mit euch und der nackten Nachbarin? charlotte-schneider Die Jungsantwort

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Erstmal: Wir mögen nackte Mädchen. Wenn irgendwo eines ist, schauen wir sofort hin. Einmal, hundertmal, immer. Wir können, so unlogisch das klingt, nicht damit aufhören. Es gibt nie genug an nackten Frauen, es gibt da keine Sättigung. Wenn wir heute via Wunschmaschine einen Tag auf der "Insel der 1000 nackten Mädchen" verbringen dürften - spätestens übermorgen blieben wir schon wieder an der beknackten Nackten vom Stern-Cover hängen (Die ja nichts anderes ist, als eine lockende Spam-Überschrift). Insofern ist das Versprechen uns eine nackte Frau zu zeigen, ziemlich gut durchdacht – wir gucken hin oder denken zumindest stark darüber nach, hinzugucken. Und das, obwohl sich ja nie etwas Neues tut beim Nacktsein. Ich glaube, selbst wenn in einer großen Fantasie-Datei alle jungen Menschen der Welt nackt posieren würden und man nur zwei Mädchen aus Versehen vergessen hätte - wir würden alles daran setzen, die zwei auch noch nackt zu sehen. Das ist ein beschämender Einblick in unsere kleine, männliche Wahnhaftigkeit. Andererseits können wir uns ein angezogenes Mädchen nie nackt vorstellen, das geht nicht, egal, wie viele nackte Leiber das Auge gespeichert hat. Wir versuchen es gelegentlich, aber dann nie bei der ollen Kittelschürzen-Sekretärin mit der Blaukraut-Haarfarbe, sondern bei der jungen Nordistik-Dozentin, bei der Frau, die vor uns auf dem Fahrrad fährt, bei der Leichtathletin im Fernsehen und eben bei der Nachbarin, die wir ab und zu im Hausflur treffen und die immer eine Audrey-Hepburn –Sonnenbrille trägt. Wir wählen also unsere Fantasie- Nackedeis genauso aus wie ihr. Uns reicht aber, und das ist der Unterschied, auch das Nackte. Es muss gar nicht immer komplizierte Denkerotik mit „idealen Augenbrauen“, „starken Oberarmen“ und bombiger Sexverführung im Spiel sein. Wie wollen erstmal: nackt sehen. Und zwar möglichst alle netten Damen, die wir kennen. Wir sammeln das. Danke. Dass nun gerade mit der Nachbarin geworben wird, liegt wohl im breiten voyeuristischen Spielraum, den uns dieser Begriff eröffnet. Durch die Gardinen eine Blick erhaschen, das Gestöhne, das man gelegentlich durch die Wand hört, die frivole Unterwäsche auf der Wäscheleine im Hof – all das sind Themen, die unser Kopfgoogle zu den Suchbegriffen „nackt“ und „Nachbarin“ ausspuckt. Natürlich ist das platt! Natürlich ist das eklig! Aber wir denken es ja nur ganz kurz. Dann denken wir sehr vernünftig: „Hö, wie soll denn irgendein Webfuzzi meine Nachbarin kennen?“ Und löschen brav: den Posteingang und den Fantasieausgang.

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