Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Was soll dieser Bachelor-Hype?

Illustration: Lucia Götz

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

„Lasset die Spiele beginnen“ schreibt eine Freundin über ein Foto von sich und sechs weiteren Mädels darauf, die mit jede Menge Knabberkram und Sektgläsern vor einem riesigen Fernseher sitzen.  „Endlich hat mein Mittwochabend wieder einen Sinn“, schreibt eine andere und postet dazu das Foto eines schwiegersohnlächelnden, rehäuigigen Typens. Durch die (ziemlich vielen) Kommentare unter dem Bild wird auch mir dann klar, wer dieser Schönling sein muss: der aktuelle Kandidat der RTL-Show „Der Bachelor“. 

Seit der Bekanntgabe, dass die neue Staffel losgeht, sehe ich überall auf Instagram, Facebook und Twitter: ihn. Den Bachelor. Ein Mann, der sich in den kommenden Wochen zwischen sage und schreibe 20 Frauen entscheiden muss.

Aber was ist das für ein Format? Eines, in dem einem Typen jede Menge devote Frauen zu Füßen liegen, einem Typen, für den sich jede Menge Frauen vor einem Millionen-Publikum zum Deppen machen – damit er dann am Ende mit einer roten Rose entscheidet, wer weiter zur Schau gestellt wird und wer nach Hause fahren muss. Was finden die Frauen in meinen Timelines daran? Die Sendung hat ja Marktanteile, von denen ZDF und ARD nur träumen können. 21 Prozent unter den 14 bis 49-Jährigen. Und das mit einem Frauenbild, das mir vorkommt wie aus dem Mittelalter. Ich checke es nicht. Der große Gentleman Udo Jürgens, der selbst die ein oder andere Rose verteilt hat, sagte einst über die Show: „Ich empfinde es als billig und nuttig, wenn 25 Frauen um einen Mann buhlen.“ Ich selbst kann das schwer einschätzen, ich habe die Sendung ja noch nie gesehen. Aber dass so viele Frauen sie gucken, obwohl ihr Format so mittelalterlich klingt und „nuttig“ sein soll, und dass die Zuschauer ihre Begeisterung auch noch in sozialen Netzen so feiern, finde ich interessant. Also frage ich nach bei den Mädels, die sich in meiner Timeline als Fans geoutet haben. 

 „Man muss sich ja nicht zwingend so an einen Mann ranschmeißen“ 

„Ich gucke Bachelor bzw. Bachelorette, weil die Fernsehreihe immer an super coolen Orten gefilmt wird und die Dates halt eigentlich total unrealistisch sind,“ sagt Alena, 24 Jahre alt und Master-Studentin, auf meine Frage. Ihr mache es Spaß, „zuzusehen wie ein Date über den Wolken von Kapstadt oder an einem Bungee-Seil so ist.“ Aber, das ist ihr wichtig, sie gucke die Sendung nicht, weil sie die Darstellung der Frauen toll fände. „Eher weil es einfach spannend ist, was für Persönlichkeiten dabei sind, für wen sich der Bachelor entscheidet und was so in der „Ladies Villa“ abgeht.“

„Ich schaue es zusammen mit meinen Freundinnen, um über die Frauen und deren Zickereien lachen zu können“, sagt Jenny, 26 Jahre alt und Event-Managerin. „Die Charaktere der Frauen und das Aufeinandertreffen untereinander sind sehr amüsant.“ Und dass sie sich so diesem Typen anbiedern? „Wenn sie mit ihm ein Date haben, ist es in diesem Moment genau so wie im normalen Leben“, meint Jenny. „Dass dort noch viele andere Frauen zur gleichen Zeit versuchen diesen Mann zu bekommen und das öffentlich, das haben sie sich selbst ausgesucht.“

„Es ist ja jedem selbst überlassen, wie er beziehungsweise sie sich präsentiert“, sagt Katrin, 27-jährige Marketing-Assistentin. „Man muss sich ja nicht zwingend so an einen Mann ranschmeißen.“ Und es gäbe ja das gleiche Format auch andersrum, wo Männer um eine Bachelorette kämpfen.

„Die Teilnehmer wissen, worauf sie sich einlassen. Keiner wird gezwungen mitzumachen“, sagt Julia, 26 und Vertrieblerin. Den Konkurrenzkampf der Frauen findet sie witzig. „Und noch witziger: was sie tun, um bekannt zu werden.“ Genau so sei es aber auch andersrum bei der Bachelorette. „Außerdem ist der Bachelor ein guter Grund, wieder häufiger meine Freundinnen zu treffen.“

Diesen Punkt heben sie alle hervor. Das gemeinsame Gucken, verbunden mit dem gemeinsamen Lästern. Beruht der Erfolg des Bachelor also einzig und allein darauf, dass Millionen von Frauen sich am fremdschämenden Verhalten von ein paar Frauen ergötzen?

Tatsächlich sagen die meisten, dass die Tatsache, dass in der Sendung 20 Mädels um einen Typen kämpfen oder 20 Kerle um eine Frau, für sie und ihre Freundinnen keine Rolle spiele. „Deswegen fühle ich mich auch nicht schlecht, wenn manche meinen es wäre frauenverachtend – wäre es bei der Bachelorette dann männerverachtend?“ sagt Alena. Stattdessen wolle sie sich mit ihren Mädels lieber einen coolen Abend machen.

„Wir essen vorher was zusammen und trinken einen Wein dabei und tratschen halt“, sagt sie. „Und wie du dir vielleicht denken kannst, wird oft mehr gequatscht als wirklich hingeguckt. Dass man über diese Plattform tatsächlich die Liebe seines Lebens finden kann, glaubt wohl keiner von uns.“

Nach diesen Antworten denke ich mir so: hm. Schon klar, Kapstadt- oder Bungee-Dates jucken halt mich vielleicht von vorne rein weniger, als Alena. Und anderen bei Zickereien zuzusehen, lockt mich jetzt auch nicht unbedingt vor den Fernseher. Aber ich kann schon nachvollziehen, dass dieses Voyeurismus-Ding, wo das an sich so Private, das in die große Öffentlichkeit gezogen wird, Menschen begeistern kann. Eine Show, die nicht polarisiert, erreicht kein Millionen-Publikum. Die Debatte um Frauenfeindlichkeit schafft Quote. Fragt man aber dann bei Frauen nach, scheint sie überzogen zu sein. Als billiges Kalkül der Macher dient sie alle mal. Aber macht sie die Show dadurch nuttig? Ich glaube nicht. Julia hat schon Recht – die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wissen vorher ganz genau, worauf sie sich einlassen.

Alle, die mir geantwortet haben, beantworten übrigens ungefragt einen weiteren Punkt. Sie alle möchten klarstellen: Selbst in der Show teilnehmen käme für keine von ihnen in Frage. 

Echte Liebe gibt es hier:

  • teilen
  • schließen