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Sind wir jetzt alle Bayern-Fans?

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Nachdem der Fußballclub aus München am vergangenen Wochenende die Meisterschale in Empfang nehmen durfte, schrieb die FAZ, die Bayern seien "so etwas wie der Wellness-Klub der Nation". Und Mark von Bommel (der bisher eher als unympathischer "Aggressive Leader" aufgefallen war), sagte: "Wir gewinnen gerade viele, viele Sympathien." Aber stimmt das wirklich? Sind wir jetzt wirklich alle Fans des FC Bayern, der an den kommenden beiden Wochenenden zwei Endspiele auszutragen hat und vom so genannten Tripple träumt? Fußball-Fan und Moderator Arnd Zeigler beantwortet diese Frage in einem Gastbeitrag auf jetzt.de: Grundsätzlich stelle ich erstaunt an mir fest: Sie bröckelt, die über Jahrzehnte angeeignete, anerzogene, an-was-auch-immer Antipathie gegen den FC Bayern. In diesen Tagen stelle ich fest, dass ich (aber das ist auch wirklich keine Kunst mehr!)

putzig finde. Dass ich Arjen Robben gerne zusehe, vor allem beim Fußball spielen. Dass ich Uli Hoeneß beinahe vermisse. Und Kalle Rummenigge gar nicht mehr immer peinlich finde. Die Bayern haben viele Punkte gemacht in den letzten Monaten. Soviele gar, dass ihnen ein beinahe unmögliches Unterfangen gelang: Am Ende gönnten ihnen viele neutrale Fans den Titel, und für Magaths Schalker langte es nicht einmal mehr zum „Meister der Herzen“. Dafür verhielt sich die Bayerische Kunst des Fußballspielens einfach zu divergierend zu dem, was Schalke 04 unter gleichem Namen anbot. Also: Die Bayern sind akzeptabel geworden, für viele von uns, die das früher niemals von sich hätten sagen können, ohne dabei unmittelbar einen Magendurchbruch zu erleiden. Was aber nicht bedeutet, dass ich nun bei jedem Bayern-Spektakel im Fernsehen innerlich Lahm liebe, mit Schweinsteiger schwofe oder mit Klose knutsche. Denn damit eines mal klar ist: Dieses „Heute sind wir alle Bayern-Fans!“-Gesabbere ist genauso behämmert wie grundlose, platte, gewohnheitsmäßig gepflegte Abneigung. Ich bin kein Bayern-Fan, und entgegen anderslautenden Behauptungen bin ich auch nicht Papst, Schumi oder Lena Meyer Landrut. Und in ein paar Wochen auch nur dann schwarz-rot-geil, wenn mir ein Anlass dazu gegeben wird.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Eine Frage, fast so alt wie die Menschheit, oder zumindest so alt wie die UEFA-Fünfjahreswertung: Muss man aus Patriotismus (oder sogar nur aus niederem, nacktem wirtschaftlichen Kalkül) in der Champions League den anderen Bundesligavereinen die Daumen drücken, egal ob man sie ansonsten mag oder nicht? Ich erinnere mich noch gut: Als ich klein war, drückte ich allen die Daumen, die Deutschland irgendwo vertraten: Bayern München, Schalke 04, sogar dem HSV – ich ekelte mich vor nichts. Und ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich sogar schon so betagt bin, dass ich mit kleinen, schwitzigen Kinderhänden dem MSV Duisburg und Eintracht Braunschweig im UEFA-Cup die Daumen drücken konnte. Heute ist das anders, und das bringt mir alljährlich dieselben Diskussionen ein: Muss man Bayern München die Daumen drücken, wenn sie gegen Tel Aviv oder Inter Mailand spielen? Manche meinen: Man muss! Weil (... und jetzt kommt einer der größten Alltime-Quatschsätze deutscher Fußballfans!!!): „Das ist doch gut für den deutschen Fußball, wenn die weit kommen!“ Wenn man diesen Satz mal hinterfragt, kommt nicht viel dabei raus. Warum soll es gut für den deutschen Fußball sein, wenn Bayern Tel Aviv schlägt? Lassen dann die Serben bei der WM gegen uns freiwillig einen rein? Geht Chelsea mit wackligen Knien auf den Platz, wenn sie in der nächsten Saison gegen die Bayern ranmüssen? Ist es hilfreich für die Reputation deutscher Fußballer, wenn der Niederländer Robben, der Belgier van Buyten, der Franzose Ribéry, der Argentinier Demichelis, der Kroate Olic und der Türke Hamit Altintop schöne Erfolge mit ihrem Club feiern? Und wenn ja, warum? (Stille.) Vorerst also keine Antwort. Zweites Argument der „Bayern-muss-man-die-Daumen-drücken-weil-das-doch-gut-ist-für-den-deutschen-Fußball!“-Mahner ist der sogenannte UEFA-Koeffizient: Je erfolgreicher die Deutschen in den Pokalwettbewerben abschneiden, umso mehr deutsche Teams dürfen vielleicht später mal mitspielen. Aber auch da die Gegenfrage: Na und? Bedeutet es einen großen Lustgewinn, wenn durch einen stark verbesserten UEFA-Koeffizienten irgendwann mal Eintracht Frankfurt regelmäßig in der Europa League spielen darf? Oder wenn Werder Bremen dauernd in der Champions League spielen darf, egal ob man Meister oder Siebter wird? Ich will das nicht. Ich bin da altmodisch: In einem Wettbewerb sollte man wegen eigener herausragender Leistungen mitmachen dürfen und nicht, weil wir einen schnuckeligen UEFA-Koeffizienten haben. Als ich anfing, mich für Fußball zu interessieren, musste man in der Bundesliga mindestens Fünfter werden oder den DFB-Pokal gewinnen, um international dabei zu sein. Und im Meister-Cup spielten nur Meister. Ich kann nicht behaupten, dass mir damals irgendwas Wichtiges gefehlt hätte. Deshalb: Ich will international nicht Teams die Daumen drücken müssen, die ich national auch nicht so mag. Das wäre verlogen, oder? Ohne Namen zu nennen: Mancher deutsche Rekordmeister ist mir eher wenig sympathisch, gegen Tel Aviv habe ich hingegen nichts. Weshalb sollte ich nicht einfach zu der mir weniger unsympathischen Elf halten? Oder anders: Wäre es gut für die deutsche Küche, wenn ich im Ausland engagiert für Bratwurst mit Sauerkraut eintrete? Wäre es gut für die deutsche Schauspielkunst, wenn ich am Broadway mit leuchtenden Augen über das Ohnsorg-Theater schwadroniere? 1982 gewann Nicole den, wie es damals noch hieß: Grand Prix Eurovision de la Chanson. Und, war das nun gut für die deutsche Musik? Keine weiteren Fragen. Arnd Zeigler ist Moderator, Autor und Stadionsprecher beim SV Werder Bremen (dem Final-Gegner der Bayern im DFB-Pokalendspiel am Samstag). Er moderiert eine Sendung im WDR Fernsehen und ist Erfinder von Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs. Diesen Gastbeitrag hat er exklusiv für jetzt.de verfasst.

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