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Wie Dancehall die Townships von Simbabwe eroberte

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Dieser Text ist zuerst bei  journafrica.de erschienen, einem der Blogs, mit denen wir kooperieren.

Ras Marcus arbeitet an seinem Durchbruch. Zwei Songs hat der 21-Jährige bereits aufgenommen, die er stolz auf seinem Handy vorspielt. Natürlich war es nicht einfach für ihn, seine Tracks ins Radio zu bringen. Aber so leicht lässt sich der aufstrebende Künstler nicht von seinem Traum abbringen. Ras Marcus glaubt fest daran, dass er bald ein Star sein wird, und dass seine Musik der Schlüssel zum Weg aus der Armut der Townships sein kann.

Ras Marcus produziert Zimdancehall  – Dancehall aus Simbabwe also. Ursprünglich hat Dancehall seine Wurzeln in den Slums von Jamaika. Die Texte sind seit jeher politisch: Die Künstler singen über die harte Realität und die Schwierigkeiten, denen sie in den Townships begegnen – hohe Arbeitslosenzahlen, viel Kriminalität und schlechte Infrastruktur. Bekannt wurde die Musikrichtung durch Künstler wie Shabba Ranks  oder Chaka Demus & Pliers . Musiker wie Sean Paul  und Vybz Kartel wurden mit Dancehall zu Stars und haben das Genre in andere Länder exportiert.

In Simbabwe kam Dancehall zunächst in die Townships und erst später in den Rest des Landes. "Es begann hier in den Wohnungen der Leute. Zuerst konnten die meisten mit der Musik nichts anfangen", erzählt Fireworks, ein Musiker aus Harare, "aber nach einer Weile fingen sie an, sie zu genießen." Es dauerte nicht mehr lange, bis sich erste Musiker der neuen Strömung annahmen und sie um lokale Einflüsse erweiterten. Der Zimdancehall war geboren. Produziert wurde er meist mit einem minimalen Budget in selbst zusammengebastelten Hinterhof-Studios. Heute haben die jungen Leute in den Ballungszentren von Simbabwe die Musik auf ein neues Niveau gebracht. Dank Internetzugang hören sie sich die neuesten Rhythmen an und produzieren mit Open-Source-Software ihre eigenen Beats. 

Doch Zimdancehall ist mehr als ein Musikgenre. Er bietet eine Plattform für Jugendliche, auf der sie ihre Wünsche und ihre Frustration artikulieren können.„Die Musik spiegelt die Realität der Jugendlichen wider“, so der Soziologe Mlondolozi Ndhlovu. „Die Dancehall-Musik Simbabwes ist die Stimme von Jugendlichen, die bislang ausgegrenzt waren. Sie versuchen jetzt, ihre Ansichten dort zu behaupten, wo sie bisher keine Plattform hatten.“ Und so ist Zimdancehall zu einem Teil der urbanen Kultur geworden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Zwischen Kritik und Restriktionen

 

Die Umstände, unter denen die Künstler arbeiten, sind nicht gerade leicht. Denn der Staat reagiert schnell mit Restriktionen. Als der Dancehall-Künstler Platinum Prince  vor Kurzem einen Song produzierte, in dem er sich über Präsident Robert Mugabe lustig machte, blieb das nicht ohne Gegenreaktion. Das Studio im Mbare Township, in dem der Song aufgenommen worden war, wurde vorrübergehend geschlossen. Es gab Gerüchte, dass Platinum Prince bedroht worden sei.

 

Wegen solcher Ereignisse verzichten die meisten Künstler mittlerweile darauf, die politische Elite des Landes anzugreifen – und das, obwohl ihre Songs gerade vom täglichen Kampf mit den Widrigkeiten der Townships handeln. Denn gerade Mbare, aus dem die meisten Zimdancehall Künstler kommen, ist eine Hochburg der Partei. "Um auftreten zu können brauchst du eine polizeiliche Erlaubnis", erzählt ein Musikveranstalter, der namentlich nicht genannt werden möchte. "Außerdem müssen die staatlichen Radiosender deine Songs spielen. Die meisten Bars und Clubs werden von der Regierungselite geführt. Man verscherzt es sich also besser nicht mit denen", fügt er hinzu. Und so steckt die Dancehall-Musik in Simbabwe in einem Dilemma: Einerseits wollen die Künstler ihre Überzeugungen zum Ausdruck bringen, während ihr Gewerbe andererseits vom guten Willen einer autoritären Elite abhängig ist.

 

Die Anziehungskraft ist ungebrochen

 

Dem Charme des Zimdancehall tut das keinen Abbruch, im Gegenteil: Mittlerweile ist es der Traum eines jeden Jugendlichen in den Townships, eines Tages einen Song aufzunehmen und damit zum Star zu werden. Freilich bleibt der große Erfolg im Musikbusiness oft nichts als ein Wunschtraum. Selbst bekannte Künstler singen davon, wie sie sich von ganz unten bis an die Spitze der Gesellschaft hochgearbeitet haben – und wohnen gleichzeitig noch bei ihren Eltern in ärmlichen Verhältnissen. Und dennoch: Der enorme Erfolg der Dancehall-Szene gibt den Jugendlichen eine Perspektive und eine Plattform. Die Musik ist zum politischen Sprachrohr für Simbabwes Nachwuchs geworden.

 

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