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Flüchtlinge solidarisieren sich mit Terror-Opfern in Deutschland

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"Angehörige der Opfer der Anschläge, ich kenne euer Gefühl sehr gut", sagt Ahmad Alrifaee. Der 24-Jährige ist vor zwei Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen. In seiner Heimat hatte er Bauingenieurswesen studiert, sich dann als Videoreporter und Fotograf der Revolution gegen Assad gewidmet. Jetzt nimmt er an einem Programm der Hamburg Media School für geflüchtete Medienschaffende teil - und hat mit seinen Kommilitonen ein bewegendes Video als Reaktion auf die Anschläge in Nizza, Würzburg, München und Ansbach gedreht. 

Sie alle, elf Geflüchtete aus Syrien, Iran, Ruanda und Afghanistan, kennen das Gefühl der Trauer um Angehörige. Und sie alle schaffen mit ihrem Video so etwas wie einen Paradigmen-Wechsel. Sonst ist die Perspektive ja immer ziemlich klar: Sie haben in ihrer Heimat Schlimmes erlebt, haben alles, was sie hatten, zurückgelassen, um sich auf die gefährliche und oft dramatische Flucht in den Westen zu machen. Sie haben unser Mitleid. Jetzt, nach den Anschlägen in jenem so sicher geglaubtem Westen, haben wir ihres. 

"Uns war sehr wichtig, in dieser schrecklichen Situation ein Signal zu senden", sagt Zahra Sadat, eine 29-Jährige aus Afghanistan. "Wir alle haben solche Erfahrungen in unserer Heimat erlebt, da wollten wir Solidarität zeigen. Vielleicht können wir ja ein bißchen Angst nehmen und helfen." 

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Zahra arbeitete für verschiedene Medien in Afghanistan und wurde dafür immer wieder von den Taliban bedroht.

Foto: Inken Jaacks/ Hamburg Media School

"Diese Ereignisse hatten auch für Unruhe unter unseren geflüchteten Studenten gesorgt", sagt Tina Fritsche, die den halbjährigen Kurs an der Media School koordiniert. "Sie waren besorgt, haben sich gefragt, ob die Stimmung gegenüber Flüchtlingen in Deutschland kippen könnte, waren unsicher, was diese Anschläge jetzt für sie bedeuten." Aus den vielen Gesprächen dazu entstand die Idee zum Video. 

"Ich weiß, wie schwer es ist, zu glauben, dass eure Lieben nicht mehr bei euch sind", sagt Sadat im Video. "Aber auch wir denken an sie und an euch. Ihr alle seid hier bei uns, in unseren Herzen und unseren Gedanken." 

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Ahmad berichtete für die Nachrichtenagentur Reuters als Fotograf und Videoreporter aus seiner syrischen Heimat.

Foto: Arman Ahmadi / Hamburg Media School

"Jeder sollte ein, zwei Sätze aus seinem Herzen sagen", erklärt Alrifaee. Er hat selbst viele Freunde in Syrien verloren. "Als ich dann in die Kamera gesprochen habe, kamen die Erinnerungen an diesen Verlust hoch." Man kann sie nicht verdrängen, und sie zu bewältigen, ist sehr schwierig", sagt er. Nach dem Videodreh hatte er erst mal drei Tage schlechte Laune. "Vielleicht hilft es, wenn man sich bewusst macht: Die Toten sind jetzt an einem friedlichen Ort, müssen keine Gewalt und Schmerz mehr ertragen." 

Ihn interessiert, was die Deutschen von ihrem Video halten. Alrifaee hat alle Kommentare auf Youtube und Facebook gelesen. Die, die es gut finden, dass Flüchtlinge ihr Mitgefühl ausdrücken. Aber auch die, die sich negativ und rassistisch dazu äußern. "Solche Leute gibt es eben in jeder Bevölkerung", sagt er. "Das Schöne an Deutschland ist doch, dass man seine Meinung offen sagen kann. Hier hat man Freiheit und seine Würde." Alrifaee ist stolz, jetzt Teil dieser Bevölkerung zu sein.

Ende September geht der Kurs von Alrifaee, Zahra und ihren Kommilitonen zu Ende. Dann werden sie ein dreimonatiges Praktikum in einem deutschen Medienhaus absolvieren. Sie hoffen, dass sich dadurch Türen in die Arbeitswelt ihrer neuen Heimat öffnen. Nicht, weil jemand Mitleid mit ihnen und ihrer Geschichte hat - sondern weil sie verstehen, was sie tun. Mit ihrem Video haben sie das bekräftigt. 

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