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Ein Arsch voll Musik

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Wäre ich Hieronymus Bosch, ich hätte mein Leben und meinen Tod lang auf diesen Moment gewartet. Ich sehe den Künstler vor mir, wie er da an einem Abend des Jahres 1503 mit dem Pinselchen vor seiner Holztafel steht, noch mal von seinem Wein nippt und dem nackten Hintern, den er gerade gemalt hat, mit einem breiten Grinsen die Noten einer Melodie verpasst. Und der gute Hieronymus wird sich dabei gedacht haben: "Möge eines Tages einer meine Arschkomposition finden, sie spielen und sie zu einem Erfolg machen".

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Gute 500 Jahre später betrachtete eine Studentin der Oklahoma Christian University mit einem Freund das Tryptichon von Hieronymus Bosch mit dem Titel "Der Garten der Lüste". Ein Bild mit zwei Seitenflügeln: Klappt man sie zu, sieht man die Darstellung des dritten Schöpfungstags. Öffnet man die Flügel, findet man auf der linken Seite das Paradies, in der Mitte einen Garten voll lüsterner Menschen und auf der rechten Seite die musikalische Hölle, eine Unterwelt, in der Musikinstrumente als Foltergeräte benutzt werden. Das Ganze ist dank der wahnsinnig vielen Details eine Art Wimmelbild.

Äußerst amüsiert entdeckten die beiden Freunde unter einer überdimensionalen Laute ein Hinterteil, auf das einige Notenzeilen gemalt sind. Andere Verdammte singen unter der Aufsicht eines rosa Monsterfroschs die Melodie. Und die Studentin, die - zumindest im Internet - Amelia heißt, tat das, was Bosch sich seit 500 Jahren gewünscht haben muss: Sie vertonte seinen Arsch-Song und stellt ihn auf ihrem Tumblr online.
"Ich beschloss, die Melodie in die moderne Notation zu übertragen", erklärt Amelia, denn auf dem Hintern gibt es nur vier Notenlinien statt der heute üblichen fünf. "Ich bin davon ausgegangen, dass die zweite Notenlinie ,C' ist, wie es für Gesänge dieser Zeit üblich war. Also ja, das ist WIRKLICH der 600 Jahre alte Po-Song aus der Hölle". Dass sie sich dabei um 100 Jahre verrechnet hat, da das Bild um 1500 herum enstand, tut der Großartigkeit keinen Abbruch.

Amelia postete eine Klavierversion der Melodie auf Tumblr. Und tatsächlich: Es klingt ein wenig nach christlichem Höllenchoral. Bosch hatte also nicht einfach irgendwelche Noten malerisch auf den Hintern des armen Menschen tätowiert. Der Eintrag hat mittlerweile mehr als 49.000 Likes auf Tumblr und es gibt bereits eine Chorversion des Lieds mit Lyriks ("Das ist der Po-Song aus der Hölle, wir singen von unseren Ärschen, während wir im Fegefeuer brennen"). Selbst der Guardian berichtete über das Po-Lied. Überrascht von der großen Aufmerksamkeit schrieb Amelia auf ihrem Tumblr: "Ich kann immer noch nicht glauben, dass das so abgeht. Das ist verrückt???". Sie gestand auch, dass die Übertragung der alten Noten noch nicht ganz perfekt und die Aufnahme auch nicht die beste sei. "Aber ich arbeite gerade zusammen mit der Musikfakultät meiner Uni daran". Vielleicht dürfen wir uns bald über eine professionelle Inszenierung freuen: Der Arsch-Song aus der Hölle - ein Arrangement für großes Orchester. 

Text: teresa-fries - CC BY 2.0

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