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Rihanna kommt und Patrice trägt keine Unterhose.

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Nicki hat eine rote Rose dabei. Sie ist in viel zu viel Kunststofffolie eingeschlagen, die oben von einem roten Band zusammengehalten wird, was aber nicht so schlecht ist. Denn der Kopf der Rose hängt etwas, weil sie und Nicki schon seit einer Weile warten. Seit neun Uhr morgens, um genau zu sein. Jetzt, zehn Stunden später, ist dem 16-Jährigen durchaus eine gewisse Erschöpfung anzusehen. Aber er steht immerhin ganz vorne in der Warteschlange, die sich durch ein Absperrgittersystem einige Male um die Bühne und sich selbst dreht und in einem Pulk endet, der dafür sorgt, dass bei S. Oliver und H&M keiner mehr einkaufen kann, weil keiner mehr rein- und rauskommt. Es ist kurz nach sieben. Eigentlich sollte Rihanna längst da sein. Ist sie natürlich nicht. MTV-Urgestein Patrice kommt die undankbare Aufgabe zu, die circa 2000 Kids bei Laune zu halten. Etwa eine Stunde lang erklärt er, dass Rihanna "auf dem Weg" sei. Dazwischen plappert er allerlei Unsinn. Das geht in Ordnung, er hat ja gerade nichts mitzuteilen. Also fragt er bei den anwesenden Fernsehteams, wer der größte Star der Berlinale war (Die Antwort: Leonardo di Caprio). Anschließend erzählt er irgendwas über Jeanette Biedermann, von den Kids möchte er wissen, welche Zeitschriften sie lieber läsen, Yam oder BRAVO. Ein älterer Herr ruft schenkelklopfend: "Junge Freiheit, höhöhö!" Auf der Großleinwand hinter der Bühne laufen Rihanna-Videos. Anja steht drei, vier Positionen hinter Nicki. Sie ist so eine Art 2.0-Fan. Schon erwachsen - 29 Jahre alt, um genau zu sein. Alles gesehen, alles erlebt. 15.000 Autogramme habe sie, das erste stammt von "GZSZ"-Star Andreas Elsholz. Sie weiß, in welchem Hotel Rihanna untergebracht ist (Hyatt) und wo Robbie Williams schläft (Ritz), legt aber Wert darauf, dass sie bei der Autogrammjagd nicht in die Privatsphäre der Prominenten eindringt, höchstens mal in die Tiefgarage. Den Star des heutigen Abends hat sie schon einige Male getroffen, zuletzt bei einem sogenannten "Meet & Greet". "Sie wird mich hundertpro wiedererkennen", sagt Anja mit sicherer Stimme und erzählt, Rihanna habe ihr sogar schon einmal ein Päckchen mit CDs geschickt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Um halb acht sitzt Rihanna, so Patrice, "fast schon" im Taxi. Er weist auf den Sonderverkauf eines Sportgeschäftes hin, und fragt ein Mädchen im Pulk, wie lange sie morgens denn brauche, bis sie ausgehfertig sei. Anschließend erzählt er, dass er keine Unterhose trägt. Das Scheuern des Jeansstoffs an der blanken Haut sei ein so schönes Gefühl. Die Rihanna-Videos auf der Großleinwand werden jetzt ab und zu von Bildern aus der Fanmeute abgelöst: Junge Menschen winken in die Kamera, ein Mädchen schwenkt seine Hello-Kitty-Tasche. Die Fotografen im Pressebereich langweilen sich, Nicki und seine rote Rose hat mittlerweile wohl jeder fotografiert, Patrice ebenso. Um 19.58 Uhr wird "Umbrella", das zum etwa achten Mal über die Videoleinwand flimmert, ausgeblendet. "Rihanna is in the house" schreit Patrice. Die Fans schreien lauter, Anja am lautesten. Irgendwo fällt ein Absperrgitter um, was die Security aber schnell wieder im Griff hat: "Bei den Backstreet Boys war's schlimmer", sagt einer von ihnen. Es sieht lustig aus, wie all die Fotografen auf ihren Trittleiterchen stehen. Die gute Stunde Verspätung verzeiht man Rihanna, eh klar. Ein paar Fragen von den Reportern am roten Teppich, die im Lärm untergehen. Patrice will von ihr wissen, was ihr an Berlin am Besten gefällt. Sie erzählt von der lebendigen Kunstszene der Hauptstadt. Die sei "so inspirierend". Nach drei Minuten sitzt sie an ihrem Tischlein. Sie wirkt nett, wirklich sehr nett - und setzt sogar ihre Sonnenbrille ab, bevor sie zum Stift greift. Nicki ist der Erste. Er überreicht die Rose, bekommt seine Unterschrift, strahlt, muss weiter. Elf Stunden Warten für drei Sekunden - das ist wahre Hingabe.

Text: jochen-overbeck - Foto: ddp

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