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„Du gehörst zu denen vom Twitter, oder?“, fragt Kathi. Sie kellnert im Münchner Lokal „Niederlassung“ und muss, weil ich zu denen vom Twitter gehöre, heute 50 Cent von meiner Apfelschorle abziehen. Die gehen an die Waris Dirie Foundation, eine Stiftung, die sich gegen weibliche Genitalverstümmelung engagiert. Draußen, auf dem Gehsteig, sitzen an diesem lauen Abend zwischen zwanzig und dreißig Twitternutzer und reden wild durcheinander. Sitzgelegenheiten gibt es hier kaum noch, iPhones dafür umso mehr. Sie feiern das „Twestival“, ein Festival von und für Twitterer, das vom 10. bis 13. September an über 100 Orten auf der ganzen Welt stattfindet. Die Ziele sind immer die gleichen: sich endlich mal „in echt“ kennenlernen, netzwerken und Geld für gute Zwecke sammeln.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

In München hat Heiko Ditges (@heikoditges) das Treffen organisiert. Der 31jährige hatte eigentlich gehofft, Waris Dirie für diesen Abend gewinnen zu können, weil die am Mittwoch eh in Berlin war, um ihren Film „Wüstenblume“ vorzustellen. „Das hat aber leider nicht geklappt.“ Stattdessen hat er ein paar signierte Bücher bekommen, die er im Laufe des Abends verlosen will. Ansonsten hat das alles mehr etwas von einem großen Stammtisch. Die „Twestival“-Teilnehmer, die im Vorfeld Spendentickets für fünf, zehn, 15 oder 20 Euro gekauft haben, sind Technikfreaks, Kreative, Netzbegeisterte in jedem Alter, die vor allem eins gemeinsam haben: Sie kommen alle aus der Werbung oder einer Onlineagentur oder irgendeiner Branche, die so jung ist, das sie noch gar keinen Namen hat. Sabine Sikorski (@siktwin), 33, ist die „Twitter-Beauftragte“ in der PR-Agentur, für die sie arbeitet. Sie ist mit ihrer Freundin Anya Rutsche (@angel_ita), 29, da, die Marketing Managerin bei einem Internetunternehmen ist. Die beiden haben sich im „Social Media Club“ kennengelernt und treffen sich eigentlich nur selten. „Die letzten vier Wochen haben wir uns lediglich über Twitter gesprochen“, sagen sie. Aber gerade das gefalle ihnen so gut an dem Online-Dienst. „Man kann leicht in Kontakt bleiben und erfährt von Dingen, die man sonst aufwendig recherchieren müsste“, sagt Sabine, deren Twitterfeed 185 Follower hat. Anya bringt es sogar auf über 1130 Follower. „Wenn ich eine Frage habe, bekomme ich über Twitter am schnellsten eine Antwort“, sagt sie. Zum „Twestival“ sind sie gekommen, weil man hier all die Leute trifft, die man sonst nur aus Followerlisten und Favcharts kennt. „Hier ist endlich mal wer, der weiß, was das ist!“, freut sich Sabine. Tatsächlich erkennt man die Twitterer zwar nicht am Äußeren, wohl aber an den Gesprächen, weiß Kellnerin Kathi: „Die Technik ist halt der gemeinsame Nenner.“ Hier wird viel darüber geredet, welches Handy am besten zum Twittern geeignet ist, wie sich der Onlinedienst für Vermarktungszwecke einsetzen lässt und welche Apps man unbedingt kaufen sollte. Es geht aber auch um die bevorstehenden Wahlen. Darum, wie man die skeptischen Bekannten von der Piratenpartei überzeugen kann und dass man nicht nach seinem Wahl-O-Mat-Ergebnis wählen soll. Die Diskussionen dauern noch ziemlich lange an diesem Abend. Am Ende kommen 300 Euro für die Stiftung zusammen, um die es aber eigentlich gar nicht mehr ging. Das ist mehr der nette Nebeneffekt des Twitterstammtisches, den man in der Niederlassung (@niederlassung) bald wieder veranstalten will. Nur Kathi, die Kellnerin, ist immer noch nicht überzeugt. „Ich komme ja auch aus der Onlinebranche und interessiere mich für die ganzen social communities und so“, sagt sie. „Aber für Twitter sitze ich einfach zu wenig vorm Computer.“

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