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Mein Leben nach dem Polaroid. Heute mit Johanna, Isaac und Clemens

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Clemens, 22 Ich glaube, ich hatte gerade eine Pause von der Arbeit, als das Foto entstand. Ich saß in Bayswater, unserem Comunityhouse in Bristol in der Küche. Zu der Zeit war ich schon mehr als drei Monate dort. Insgesamt war ich ein Jahr in Bristol und habe als "Teacher Assistent" in einer Schule mit geistig und körperlich behinderten Kindern gearbeitet. Ich wollte nach 13 Jahren Schule nicht sofort studieren und es zog mich ein wenig in die weite Welt - auch wenn England nicht so weit weg ist, ist es dennoch ein großer Unterschied zu Deutschland, wie ich finde. Im Wintersemester 07/08 habe ich angefangen, in Dresden Jura zu studieren. Momentan studiere ich im vierten Fachsemester "Law in Context", einen juristischen Bachelor an der TU Dresden und werde im Sommer 2010 fertig sein. Dann geht’s hoffentlich für den Master nach Australien - seit dem Jahr im Vereinigten Königreich bin ich innerlich immer ein bisschen auf dem Sprung. Damals war ich auf jeden Fall deutlich schüchterner als jetzt, war ich doch erst wenige Monate in England. Eine ziemlich neue Erfahrung für mich. Ansonsten war ich damals zwar offen gegenüber neuen Leuten, aber ich hätte mir gewünscht noch mehr mit Engländern oder Nicht-Deutschen gemacht zu haben. (Die Deutschen waren mir für ein Jahr im Ausland doch ein wenig zu oft vertreten dort.) Zurück in die Zeit, in der das Polaroid entstand, möchte ich aber nicht. Man sollte nie zu lange nach hinten schauen. Wer weiß, was man in der Gegenwart so alles verpasst!


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Johanna Bernkopf, 25 Es war im September 2006, kurz bevor die Uni wieder losging. Ich war gerade 23 geworden und war nach Granada geflogen, um dort mein Erasmusjahr zu verbringen. Vorher arbeitete ich auf diesem Hof im Süden Portugals, aber auch während der Zeit in Granada immer wieder. An meinem Studium hatte mir schon immer die Praxis gefehlt. Ich bin ein sehr praktischer Mensch und genoss deshalb die Ablenkung von der Kopfarbeit durch die Handarbeit in Cunca. Außerdem war es der ideale Ort, um alleine hin zu reisen, weil man dort immer interessante Leute traf. Nach meinem Erasmusaufenthalt in Granada, zurück zu Hause in Österreich, begann ich mir langsam Gedanken über mein Diplomarbeitsthema zu machen. Ich hatte unzählige Einfälle, doch der, der mir immer wieder in den Sinn kam, führte nach Portugal. Zu viele Fragen beschäftigten mich in diesem Zusammenhang und ich wollte mehr erfahren und auch mehr verstehen. Warum gibt es im 21. Jahrhundert eine alternative Bewegung, deren Konzept aus den 70er Jahren stammt, die so viele junge Leute anspricht, obwohl es hier in erster Linie um teils harte, körperliche Arbeit geht? Was suchen die Leute dort bzw. was hoffen sie zu finden? Warum sehnen sich Menschen nach einem Leben in einer Kommune? Was machen diese Leute in ihrem „normalen“ Leben und welche Veränderungen bringt dieser Aufenthalt mit sich? Im Oktober 2008 besuchte ich für meine Feldforschung im Zuge meiner Diplomarbeit noch einmal für einen Monat den Cunca-Hof, um meine Fragen zu klären und direkt mit den Leuten und dem Besitzer über das Thema zu sprechen. Und jetzt bin ich gerade dabei, meine Diplomarbeit zu beenden. Wie ich mich in den Jahren, die nun zwischen dem Zeitpunkt des Fotos und jetzt liegen verändert habe, kann ich schwer selbst beantworten. Ich bin sicher reifer geworden, wissender, lustiger, trauriger, dicker und dünner, aber auf alle Fälle habe ich viel gelernt und erfahren und verstanden. Jetzt befinde ich mich in einer Umbruchphase, also Diplomarbeit-Abschluss, Studienabschluss, Arbeitssuche, Umzug, etc. In die Zeit von damals möchte ich nicht unbedingt zurückkehren. Ich hab so viel gelernt und geschafft in dieser Zeit, dass ich das nicht missen möchte.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Isaac, 28 Wir haben beide in St. Christophers gearbeitet - ich arbeitete mit Peter zu der Zeit. Nach dem ich dort aufhörte, ging ich für drei Monate nach Hause nach Spanien und verbrachte viel Zeit mit meiner Familie und hatte den Plan, für zwei Jahre nach Indien zu gehen, um dort zu arbeiten und zu reisen. Die ersten sechs Monate sind meine Freundin und ich nur herumgereist. Dann trennten wir uns, um unabhängig voneinander Reisen zu gehen und an verschiedenen Stellen zu arbeiten und auch vielleicht, um eine Pause von einander zu haben. Aber im nächsten Monat trafen wir uns schon wieder im Himalaja. Wir verbrachten ein paar Tage zusammen und fanden heraus, dass sie schwanger war, im dritten Monat. In diesem Moment brachen all meine Ziele und Zukunftsvorstellungen in kleine Teile zusammen. Das war Ende Mai. Wir kauften ein Ticket zurück nach Spanien für den September, das wir wiederum gegen ein Ticket im Juli tauschten, da es für meine Freundin schwierig wurde zu reisen. Wir kamen zurück in meine Stadt, wo wir seit dem sind. Ich habe mittlerweile eine Arbeitserlaubnis bekommen und genieße die Zeit, Vater zu sein. Zu der Zeit auf dem Foto möchte ich nicht zurück. Nicht zu diesem Ort und auch zu keinem anderen in der Vergangenheit.

Text: evi-lemberger - Fotos: el

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