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"Man muss Populisten mit ihren absurden Sprüchen an den Eiern packen"

Foto: Lisa-Maria Trauer

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Am 15. Oktober 2017 wird in Österreich der neue Nationalrat gewählt. Knapp zwei Wochen noch, das bedeutet: Der Wahlkampf geht in die heiße Phase. Wie so oft zeichnet sich diese Zeit durch markige Sprüche und populistischen Wählerfang aus – ein dankbarer Nährboden für Satire. Das beweist das Wiener Kabarett-Duo Gebrüder Moped. Franz Stanzl und Martin Strecha-Derkics posten auf Facebook jede Woche ein gefaktes Wahlplakat einer österreichischen Partei. So haben sie sich zum Beispiel schon über Sebastian Kurz amüsiert, den jungen Spitzenkandidaten der rechts-konservativen ÖVP. Auf ihrem Fake-Plakat lassen sie ihn behaupten: „Wenn sie kein Geld haben, sollen sie halt zum Bankomaten gehen.“ Doch auch die anderen Parteien haben die Kabarettisten schon hopsgenommen. Im Interview erklärt uns Moped-Bruder Martin Strecha-Derkics, was es mit den Plakaten auf sich hat.

jetzt: Martin, fallen viele Menschen auf eure gefakten Plakate herein?

Martin Strecha-Derkics: Die Österreicherinnen und Österreicher nicht mehr, weil die so etwas inzwischen gewöhnt sind. Interessant ist aber die Wahrnehmung in Deutschland. Wir posten ja immer wieder auch zu deutschen Themen Fake-Plakate. Da gibt’s dann nette Diskussionen online, die die User aber untereinander ausmachen. Da müssen wir gar nicht erklärend eingreifen.

Was sagt es über die Parteien aus, dass die Leute ihnen gewisse Sprüche anscheinend zutrauen?

Dass der Satz „Satire und Realität sind nicht mehr unterscheidbar“ zwar alt ist, aber immer noch gilt.

Bietet der österreichische Wahlkampf diesmal besonders guten Stoff für Satire?

Ja, das ist zumindest die allgemeine Wahrnehmung. Wobei man das über jeden Wahlkampf sagt. Wahrscheinlich kann man erst nach der Wahl beantworten, ob wirklich alles absurder geworden ist, oder ob es sich einfach nur so anfühlt. Insgesamt ist es schon so, dass die Kommunikation der politischen Parteien sich der Kommunikationskultur im Allgemeinen angepasst hat. Wir kommunizieren in unserer Gesellschaft immer plakativer, populistischer, vielleicht auch aggressiver. Das hat sicher viel mit unseren Mediengewohnheiten zu tun, die sich in den letzten 15 Jahren extrem verändert haben. Die Politiker springen auf diesen Zug auf, um wahrgenommen zu werden.

Würden eure Plakate funktionieren, wenn sie echt wären?

Ja. Gewisse Brüche sind einfach passiert. Unter dem Slogan „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ hat man vor 20 Jahren noch etwas ganz Anderes verstanden als heute. Da hat sich schon eine gewisse Verrohung vollzogen, eine Grenzverschiebung.

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Screenshot: Facebook
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Screenshot: Facebook
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Screenshot: Facebook
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Screenshot: Facebook
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Screenshot: Facebook

Wie haben die Politiker auf eure Fake-Plakate reagiert?

Die klar humanistischen Parteien haben mehr Sinn für Selbstironie und teilen die Plakate in den sozialen Netzwerken. Die Grünen zum Beispiel, oder Walter Baier, der ehemalige Vorsitzende der KPÖ. Die SPÖ unter Christian Kern macht das auch. Diese Selbstironie ist entlarvend im positiven Sinn. Wer selbstironisch ist, kann kein ganz Böser sein. Bei der FPÖ ist das vollkommen anders: Es gibt nichts Humorloseres als diese Partei. Natürlich haben die noch nie ein FPÖ-Bild von uns geteilt. Was sie aber sehr wohl machen, ist, unsere gefakten Plakate von anderen Parteien zu verbreiten. Sie teilen sie nicht nur, sondern laden sie herunter, um sie als eigene Posts wieder online zu stellen. Wir lassen das dann bei Facebook sofort löschen. Da merkt man echte Kulturunterschiede – auch Charakterunterschiede.

Der Ex-Wahlkampfberater der SPÖ hat die gefakten Facebook-Seiten „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“ und „Wir für Sebastian Kurz“ konzipiert, die Sebastian Kurz diskreditieren sollten. Wäre das aus deiner Sicht mit dem Verhalten der FPÖ vergleichbar, die z.B. eure Plakate herunterlädt und selbständig wieder online stellt? Ist die SPÖ doch nicht so humanistisch?

Das wird die Art und Weise zeigen, wie man jetzt in der SPÖ damit umgeht. Die Sache an sich ist unappetitlich. Menschen müssen Fehler machen dürfen. Am Umgang mit Fehlern kann man moralisches Niveau und Glaubwürdigkeit ganz gut messen. Und natürlich auch an der Summe der "bedauerlichen Einzelfälle".

Kann man wirklich so klar zwischen den Parteien trennen: die humorlosen Rechten und die selbstironischen Humanisten?

Keineswegs. Es gibt auch phänomenal humorlose Humanisten.

Kommt ihr mit euch selbst in Konflikt, wenn die FPÖ eure Fake-Plakate teilt und sie so für sich zu nutzen versucht?

Die Frage stellen wir uns immer wieder. Aber wenn den Parteien Ausrutscher passieren – egal auf welcher Seite –, dann machen wir eben Plakate dazu und dann sollen sie auch geteilt werden. Es ist ja nicht so, als würden wir die Userinnen und User irgendwelcher FPÖ-Seiten pauschal ins Eck stellen. Alle sollen sich die Plakate anschauen. Und am schönsten wär’s, wenn FPÖ-Anhänger dadurch ins Nachdenken kommen.

Hat sich Sebastian Kurz zu euren Plakaten geäußert?

Der reagiert gar nicht. Ich glaube, der kann das nicht. Er setzt nicht auf Humor, weil er ihn einfach nicht beherrscht. Deshalb wird man auch nie sehen, wie sich Kurz irgendeiner spontanen Situation aussetzt. Er kann Einstudiertes. Das hat er handwerklich recht gut drauf.

 

Auf Facebook schreibt ihr: „Nur 13 Prozent für die Rechtsextremisten bei der Bundestageswahl in Deutschland. In Österreich wäre das ein Linksruck.“ Ist der rechte Rand in Österreich schon länger salonfähig als in Deutschland?

Auf jeden Fall. Und dieses Mal haben wir am rechten Rand ja die Weißen, die FLÖ, die FPÖ und den strammrechten Wahlverein von Sebastian Kurz. Offensichtlich ist das das Angebot, das gefragt ist. Man muss aber dazusagen: Bis auf die kurze Zeit einer SPÖ-Alleinregierung von 1971 bis 1983 hat Österreich immer rechts-konservativ gewählt. Die Frage ist nur: Was für Tabus gab es damals und welche gibt es heute noch? Das sind ziemlich wenige geworden. Schließlich versuchen populistische Parteien inzwischen, Wahlen zu gewinnen, indem sie Fakten verdrehen und die Realität falsch darstellen.

 

Tabubrüche sind ein wesentliches Stilmittel von Satire und Kabarett. Ist es gut oder schlecht für euch, wenn die Tabus weniger werden?

Es gibt im Moment natürlich viele Anlässe, sich lustig zu machen – was wir auch tun. Zu einem gewissen Maß ist das notwendiger denn je, weil man Tabubrüche durch Satire aufzeigen kann. Aber in erster Linie bin ich in meinem Leben ja nicht Kabarettist, sondern Staatsbürger und Humanist. Und da macht mir die Situation natürlich große Sorgen. Im Hinblick auf die Zukunft finde ich das alles gar nicht lustig.

 

Sollte sich Deutschland im Umgang mit Rechtspopulisten an Österreich orientieren?

Naja, wir dachten in Österreich ja lange, dass in Deutschland diesbezüglich alles halbwegs in Ordnung ist. Aber was eine AfD mittlerweile sagen darf, was ein Gauland sagt, das ist erschreckend. Auf dessen Äußerung zu den Soldaten der Wehrmacht kann man nicht einfach nicht reagieren. Auch als Medien. Die Frage ist nun, wie die Kritik daran aussehen soll. Deutschland hätte zumindest den Vorteil, nach Österreich zu schauen und zu fragen, welche Fehler man dort in den vergangenen 30 Jahren im Umgang mit der FPÖ gemacht hat. Ich habe aber den Eindruck, dass in Deutschland gerade genau die gleichen Fehler passieren. Ich glaube, die Empörung über die Rechten ist zwar gerechtfertigt, steht aber viel zu sehr im Vordergrund. Besser wäre eine sachliche Auseinandersetzung. Man muss Populisten mit ihren absurden Sprüchen an den Eiern packen, nicht mit bloßer Empörung.

 

 

Die Redaktion hat das Interview am 4.10. um eine Frage nach der "Schmutzkübel"-Kampagne ergänzt. 

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