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Rap Review Rendezvous – Vol. VIII. Wir hören neue Platten mit Azad

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In dieser Kolumne geht es um einen Dialog. Um ein Zwiegespräch zwischen Rapper und Rezensent. Azad ist bereits seit mehr als zwanzig Jahren im HipHop aktiv und steht mit seinem Namen für sämtliche Säulen der Kultur. Der „Bozz“ gilt als Prototyp des deutschen Straßenrappers, ohne sich jedoch den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, in seinen Texten stets bloß stumpfe Plattitüden aneinander zu reihen. Im November geht „die Faust des Nordwestens“ zusammen mit Jeyz, Manuellsen und 439 auf „Assassin“-Tour und wird in sämtlichen Ecken der Nation ordentlich auf den Tisch hauen.

Aber jetzt geht es los mit dem Rap Review Rendezvous und Jay-Z / The Blueprint 3

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

jetzt.de: Die Erwartungshaltung bei einem Jay-Z-Album ist immer wahnsinnig hoch. Ist die Platte deinen Erwartungen gerecht geworden? Azad: Ja – zu meiner eigenen Überraschung. Mit so einem guten Album hatte ich nicht gerechnet. Mir haben die Singles „D.O.A.“ und „Run This Town“ im Vorfeld bereits sehr gut gefallen, und das Album hat bestätigt, was die Singles versprochen haben. Es gab zwar auch ein paar typische Jay-Z-Fahrstuhlmusik-Nummern, die er sich hätte schenken können, aber insgesamt ist „The Blueprint 3“ dennoch ein gelungenes Album geworden. Es ist auf der einen Seite sehr musikalisch, auf der anderen Seite aber auch sehr roh und echt. Dieses Verbinden von Gegensätzlichem gefällt mir. Obwohl Jay-Z mit nahezu jedem hätte arbeiten können, hat er vornehmlich Leute der neuen Generation um sich geschart wie Drake, Kid Cudi oder Mr Hudson. Was hältst du davon? Ich finde das gut, aber das hat Jay-Z eigentlich immer schon gemacht. Letzten Endes haben Namen aber auch keinen Wert, es kommt auf das Endergebnis an. Ob du dafür mit Karl-Otto vom Dorf oder Kanye West aus New York arbeitest, ist dabei vollkommen egal. „Empire State Of Mine“ Jay-Z - New Music - More Music Videos Mit dieser Platte hat Jay-Z sein elftes Album an der Spitze der US-Charts platziert und damit Elvis Presley hinter sich gelassen. Welche Bedeutung hat das für HipHop und Rap allgemein? Eine sehr große, weil der Mainstream eben nur auf solche Zahlen kuckt. Zukünftig führt kein Weg mehr daran vorbei, Jay-Z in einem Atemzug mit Elvis zu nennen, und das ist doch großartig. Das hebt die ganze Kultur auf eine neue Ebene. Und gerade Leute, die nicht aus der Kultur kommen, werden spätestens jetzt merken, wozu HipHop in der Lage ist. Max Herre hat in einem Interview gesagt, dass er Jay-Z zwar cool findet, er aber seit zwanzig Jahren dieselbe Attitüde an den Tag legen würde. Siehst du das auch so? Ich finde, man darf nicht immer erwarten, dass sich ein Mensch ständig neu erfindet – besonders als Rapper nicht. Jay-Z ist schließlich nicht Madonna, die sich wie eine Puppe mit jeder Platte neu einkleidet und einen komplett neuen Style an den Tag legt. Man muss Jay-Z zugestehen, er selbst bleiben zu können. Ich finde, es ist eine hohe Kunst, nach so vielen Alben immer noch eine so hohe musikalische Qualität abliefern zu können. Das muss man erstmal nachmachen. Dass sich dabei auch mal etwas wiederholt oder gewisse Attitüden bleiben, ist klar, weil der Mensch dahinter natürlich immer noch derselbe ist. Wenn er sich extrem wandeln würde, würden alle sagen, dass es aufgesetzt wirkt. Das ist doch immer so. KRS-One & Buckshot / Survival Skills

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Hat dir die Platte gefallen? Sehr sogar. Der Titeltrack des Albums läuft bei mir im Auto ständig auf Repeat, und das passiert wirklich selten. Aber der Song hat mich komplett umgehauen. Die ganze Platte vermittelt mir ein sehr gutes Gefühl beim Hören und erinnert mich an selige Mitt-Neunziger-Zeiten. KRS-One hat meiner Meinung zwar noch nicht alles aus sich herausgeholt, aber dafür rappt Buckshot einfach unfassbar. KRS-One stammt noch aus einer Generation vor Buckshot. Findest du es gut, dass die beiden eine Platte zusammen gemacht haben, um damit ein musikalisches Statement zur Generation-Gap zu setzen? Auf jeden Fall. Man muss KRS-One auch Respekt dafür zollen, dass er es immer noch schafft, neben den jungen Rappern zu bestehen. Das kann man von vielen Leuten aus der alten Riege leider nicht gerade behaupten. „Survival Skills“

Wäre es für dich auch denkbar, dass du mit jemandem aus deiner Nachfolge-Generation eine gemeinsame Platte machst? Absolut. Gerade in der Musik wäre es doch schwachsinnig, wenn man sich da irgendwelche Grenzen aus Zahlen auferlegen würde. Das muss alles aus dem Bauch herauskommen. Wie Free-Jazz, wo die Musik lebt und macht, was sie will. Du bist ja mittlerweile auch schon seit über zwanzig Jahren im HipHop aktiv. Was sind deine „Survival Skills“, die dich so lange haben durchhalten lassen? Realness. Man muss immer echt bleiben und Mucke machen, die man selber fühlt. Man muss Spaß daran haben. Aber natürlich gehört auch ein gesundes Maß an Perfektionismus und Ehrgeiz dazu. KRS-One veröffentlicht demnächst „The Gospel Of HipHop“, das erste HipHop-Evangelium auf 800 Seiten, das wohl eine Mischung aus Selbsthilfe-Ratgeber, Genre-Gebrauchsanweisung und Kultur-Manifest in Bibelform sein soll. Was hältst du davon? Schwer zu sagen, weil ich es nicht gelesen habe. Aber vom Prinzip: Warum nicht? Ein Kultur-Manifest ist doch etwas Schönes und wenn es jemandem auf seinem Lebensweg hilft, ist das doch auch gut. KRS-One ist auf jeden Fall jemand, der aus einem ganz großen Repertoire an Geschichten schöpfen kann, deshalb ist so ein Buch von ihm sicherlich interessant.


Kid Cudi / Man On The Moon: The End Of Day

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mit „Day N Nite“ ist auf der Platte ein waschechter Großraumdisco-Hit vertreten. Was hältst du von dem Stück? Ich finde das gut und ich glaube, dass HipHop in Zukunft häufiger so eine Richtung einschlagen wird. Wo die Lyrics ein bisschen mehr in den Hintergrund geraten und der HipHop-Vibe mit einem House-Music-Gefühl vermischt wird. Das hat auf diesem Track auch hervorragend funktioniert und diese Herangehensweise bietet noch Unmengen von Möglichkeiten. Die Platte ist insgesamt sehr futuristisch geraten. Kannst du damit etwas anfangen oder ziehst du eher Bodenständigeres vor? Doch, mir gefällt das. Ich mag auch solche Stücke wie „Sexy Bitch“ von David Guetta und Akon. Das hat auch ordentlich Biss mit diesem gefilterten Breakbeat am Anfang. Für mich darf es bloß nicht zu weichgespült sein. Ich habe da keine Berührungsängste. „Day N Nite“
Kid Cudi -- Day and Nite - MyVideo In einer Review zum Album wurde die Frage gestellt: „Ist das alles noch Rap?“ Was wäre deine Antwort auf diese Frage? Im Grunde genommen ist es natürlich Crossover, aber in meinen Augen ist Rap der Teil, der dabei am meisten heraussticht. Ich finde diese ganzen Diskussionen auch vollkommen unnötig, ob so etwas noch Rap ist oder nicht. Man sollte sich doch freuen, dass Rap mittlerweile so vielschichtig geworden ist und die hervorbrechende Kreativität nicht gleich wieder im Keim ersticken. Das ist doch eine gute Sache. Du hörst ja auch gerne Mucke beim Autofahren. Eignet sich die Platte dazu? Auf jeden Fall. Zum Genuss höre ich Musik sowieso zu 90% im Auto – und ab und an auch mal beim Krafttraining auf dem mp3-Player, wenn ich ihn denn mal finde. Ein Song wie „Day N Nite“ kommt außerdem oft im Radio, was natürlich immer die Gefahr birgt, dass man sich schnell daran satt hört. Raekwon / Only Built For Cuban Linx II

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dem Album-Teaser „House Of Flying Daggers“, der von J-Dilla produziert wurde, haben viele Leute nachgesagt, dass er klingen würde wie aus den Hochzeiten des Wu-Tang Clans. Würdest du dem zustimmen? Der Song ist richtig geil! Das ist wirklich der alte Wu-Tang-Flavour mit geilem Flow und super Technik auf einem tighten Beat. Eine richtig gute Nummer. Man hätte auch wirklich gedacht, dass der Beat von RZA stammt, und nicht von Jay Dee. Welche Relevanz haben der Wu-Tang Clan und seine Mitglieder heutzutage denn überhaupt noch? Für mich gar keine mehr. Wenn der Wu-Tang ein Album macht, dann juckt mich das nicht mehr. Das letzte Album habe ich mir bis heute nicht angehört. Selbst jemand wie Method Man hat in meinen Augen komplett seinen Biss verloren. Das ist für mich Comedy geworden. Interessant sind wirklich nur noch Raekwon und Ghostface.

Raekwon hat in einem Interview mal gesagt, dass es niemals HipHop sein kann, wenn das Element der Straße nicht vorhanden ist. Siehst du das ähnlich? Nein. Da sollte man schon einen etwas breiteren Horizont haben. Natürlich kommt HipHop von der Straße, aber da muss er doch nicht bleiben. HipHop kann alle Formen annehmen, und das sollte er auch tun. Früher habe ich das anders gesehen, da war ich gegen alles, was auch nur einen Funken Pop-Appeal hatte. Aber heute bin ich da relaxter. Raekwon ist jemand, der nicht krampfhaft cheesige Chart-Singles auf seine Platten packt, sondern mehr Wert auf ein stimmiges Album legt. Bei dir hat man einen ähnlichen Eindruck – ist das so? Absolut. Natürlich ist es ein gutes Gefühl, wenn man einmal auf der Eins war und den Everest bestiegen hat. Aber wenn ich heute noch mal eine Platte wie „Leben“ auflege, bin ich jedes Mal aufs Neue komplett hypnotisiert und bleibe darauf hängen. Und das macht mich stolz. Auf die Eins kommen kann jeder, aber einen Text zu schreiben, der tief geht und Gefühle transportiert, das wiegt für mich mehr. Für mich ist jede Platte ein lebendiges Kunstwerk für die Ewigkeit. Aber eine Chartplatzierung ist bloß eine tote Zahl fürs Jetzt. Auf der nächsten Seite noch die Lieblingsplatten von Azad.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Azads Alltime-Album-Top-Five: 1. Eric B. & Rakim / Paid In Full Das Album der Alben für mich. 2. Shurik’N / Ou Je Vis Das Album lief bei mir ohne Witz drei Jahre lang auf Heavy Rotation – das hat bisher keine andere Platte je bei mir geschafft. 3. Public Enemy / It Takes A Nation Of Millions To Hold Us Back Das hat so eine unglaubliche Energie, die ich in dieser Form nie mehr sonst irgendwo gefunden habe. 4. 50 Cent / Get Rich Or Die Tryin’ Eine absolute Granate. Darauf bin ich komplett hängen geblieben. Nach der Shurik’N-Platte war dieses Album das nächste, was mich komplett geburnt hat. 5. Mobb Deep / Infamy Dieses Album ist einfach nur geil. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen An folgenden Terminen ist Azad (mit Jeyz, Manuellsen und 439) live zu bewundern: 20.11.2009 Aschaffenburg Colossaal 21.11.2009 Hannover Steintor Event Hall 23.11.2009 Bochum Matrix 24.11.2009 Hamburg Markthalle 25.11.2009 Berlin Sage Club 26.11.2009 Bremen Modernes 27.11.2009 Köln Essigfabrik 28.11.2009 St. Gallen Grabenhalle 29.11.2009 Stuttgart Röhre 01.12.2009 Freiburg Jazzhaus 02.12.2009 Frankfurt Batschkapp

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