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Rap Review Rendezvous .Wir hören neue Platten mit Flipstar (Creutzfeld & Jakob)

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Flipstar von Creutzfeld & Jakob besitzt nach wie vor eine Stimme, auf die man in der Szene hört. Zwar ist das C&J-Erstlingswerk „Gottes Werk und Creutzfelds Beitrag“ bereits elf Jahre alt, von seiner Faszination und Durchschlagskraft hat es jedoch bis heute nichts eingebüßt. Die Platte gilt nach wie vor als Meilenstein für druckvollen Ruhrpott-Rap mit „Style, Power und Flow“. Die letzte C&J-Veröffentlichung liegt auch schon acht Jahre zurück, live sind Lakman und Flipstar jedoch nach wie vor unterwegs. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass Flipstar als Mitgründer von Selfmade Records einen erheblichen Anteil an den Karrieren von Kollegah, Favorite und Casper besitzt.

http://www.myvideo.de/watch/6969807/CREUTZFELD_UND_JAKOB_Fehdehandschuh

Aber jetzt geht es los mit dem Rap Review Rendezvous und:

Samy Deluxe  - "SchwarzWeiss" 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Was hältst du von dem Album?
Ich hab Samy vor kurzem mal wieder getroffen. Wir hatten einen gemeinsamen Auftritt, bei dem er bereits viel von dem neuen Material gespielt hat – und live hat mir das gut gefallen. Er probiert mittlerweile sehr viel aus, vermutlich um sich selbst nicht zu langweilen, aber mir persönlich gefallen die Tracks am besten, die mich an seine frühen Sachen erinnern; seine geradlinigen Raps, für die ich ihn immer schon geschätzt habe. Seine Gesangspassagen erreichen mich hingegen nicht so sehr. 

Wie beurteilst du auf der Platte den Kontrast zwischen HipHop-Attitüde und Pop-Appeal?
Ich weiß gar nicht, ob ich das wirklich Pop-Appeal nennen würde. Natürlich merkt man, dass Samy sein Spektrum erweitern wollte, aber man hört durchaus auch seine raptechnische Basis; er beherrscht sein Handwerk nach wie vor. Dieses HipHop-Ding ist einfach in ihm drin und dieser Aspekt des Albums ist auch näher an mir dran. 

http://www.tape.tv/musikvideos/Samy-Deluxe/Haende-hoch  

Ist Samy für dich denn nach wie vor das „Rapgenie“, wie er sich auf seinem Album selbst bezeichnet? Welches Standing hat Samy Deluxe für dich in der deutschen HipHop-Szene im Jahr 2011?
Er hat in Sachen Rap hierzulande vieles geprägt, was in den letzten Jahren entstanden ist. Als er damals mit „Pures Gift“ rauskam, hat er deutschen Rap auf ein vollkommen neues Level gebracht. Diesen Aspekt des Neuen hat er heute natürlich nicht mehr. Es gibt bestimmte Flows und Reimschemata, die er damals entwickelt hat, die man von ihm mittlerweile kennt, für die man ihn aber auch schätzt. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich mir daher einfach ein straightes Oldschool-Album von ihm gewünscht.  

Samy hat die Album-Veröffentlichung zu einer Art Gesamtkunstwerk gemacht, indem er den Albumtitel „SchwarzWeiss“ auch in Form von Fotografien, Graffiti, Computergrafiken und Videos verarbeitet hat. Was hältst du von diesem Ansatz? Er sucht verschiedene Kanäle, um sich auszuleben und Neues für sich zu entdecken. Er ist eben ein Vollblutkünstler und versucht, seine Kreativität auf den unterschiedlichsten Ebenen ausdrücken – das finde ich schon erstrebenswert.  Tech N9ne -  "All 6’s and 7’s"

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Für viele Leute gilt Tech N9ne derzeit als einer der besten Rapper. Wie ordnest du ihn raptechnisch ein?
Technisch ist der auf jeden Fall sehr gut, das ist sehr anspruchsvoll; meinen Geschmack trifft das aber nicht. Der hat sich ja auch so eine künstliche Realität erschaffen, mit der ich leider nicht viel anfangen kann. Mich haben immer schon mehr die Geschichten des einfachen Mannes interessiert.  

Der Sound des Albums ist recht elektronisch ausgefallen. Entspricht das deinem Geschmack?
Nein. Wenn es auf der Platte in Richtung Garage oder 2Step geht, dann finde ich das zwar ganz interessant, aber der Newschool-Ami-Sound, den ja auch Eminem auf seinem neuen Album fährt, der gefällt mir nicht. Mit diesen ganzen hartdigital komprimierten Sounds kann ich nicht viel anfangen.

http://www.youtube.com/watch?v=GupJwtLRp8Y  

Auf dem Song „If I could“ hat Tech N9ne sich mit zwei Bandmitgliedern der Deftones zusammengetan. Was hältst du von solchen Crossover-Geschichten? Tech N9ne hat auch noch ein anderes Projekt, mit dem er die Rock-Szene erobern will – das hatte er zumindest kürzlich irgendwo angekündigt. Ich habe prinzipiell nichts gegen solche Experimente, finde das gut und bin kein Fundamentalist, der der Meinung ist, dass HipHop immer gleich klingen muss. Insofern geht das schon in Ordnung für mich.

Auf dem Album sind große Namen wie Snoop Dogg, Busta Rhymes, Lil Wayne, T-Pain und Twista vertreten. Wenn man so viele namhafte Leute auf seine Platte packt, besteht schnell die Gefahr, dass die einem die Show stehlen. Wie ist das auf dieser Platte?
Ach, technisch ist Tech N9ne so gut, dass es für jeden anderen Rapper schwer ist, ihn da auszustechen. Der ist ja auch sehr erfolgreich damit, die Platte ist in den USA auf Platz 4 gechartet. Ich finde es echt faszinierend, wie diese beständige Arbeit seines Labels konsequent fortgeführt wird und finde es respektabel, wenn das am Ende solche Früchte trägt.



Basstard - "Zwiespalt (Weiss)"

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


In der Presseinfo stand, Basstard hätte drei Jahre lang an diesem „Meisterwerk“ gearbeitet. Hast du das herausgehört?
Es mag schon sein, dass es sein musikalisch anspruchvollstes Werk ist; das kann ich aber nicht beurteilen, weil ich sein altes Zeug kaum kenne. Die synthetischen Beats haben mir persönlich jedoch nicht gefallen.  

Basstard gilt als Erfinder von Horrorcore auf deutsch. Ist das ein Genre, mit dem du etwas anfangen kannst?
Ich kenne das Genre natürlich, als Hörer interessiert mich das aber nicht großartig. Um ehrlich zu sein: Diese Platte war das erste Horrorcore-Album, das ich komplett durchgehört habe.  

Wobei man sagen muss, dass Basstard sich auf diesem Album inhaltlich stark geöffnet und dem fiktiven Horror zugunsten der Beschäftigung mit dem realen Horror Platz gemacht hat. Ist ihm diese inhaltliche Weiterentwicklung aus deiner Sicht gelungen?
Ja, das kann sein. Ich hatte auf jeden Fall etwas Anderes erwartet. Teilweise war das schon eher existentialistisch, was er schreibt. Man merkt, dass er über vieles nachdenkt. Seine Stimme finde ich aber gewöhnungsbedürftig. Insgesamt ist mir das zu viel Theater und Kunstfigur. Horrorcore halt. Ich würde ihn allerdings gerne mal live sehen; sollte ich vielleicht mal machen.  
http://www.youtube.com/watch?v=ABS81LanGW4 

Im Stück „Wohin geht, woher kommt“ greift Basstard szenische Kriegsbiografien auf. Hat er das Thema „Krieg“ darauf nachvollziehbar dargestellt?
Er hat den Krieg darauf ja aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Das ist dann schon ein bemerkenswerter Track, der sich durchaus von den Standard-Themen auf HipHop-Scheiben abhebt. Insgesamt fällt es mir aber schwer, ihn einzuordnen. Das will er wohl auch nicht.  

Auf der Platte hat Basstard auch „Jeannie“ von Falco gecovert. Ist seine Version gelungen oder eher nicht?
Ich finde den Sound eher schlimm. Ich finde es aber prinzipiell cool, dass er Falco gecovert hat, weil ich den als Sänger und Texter sehr interessant finde; ein beeindruckender Typ. Und so ein Cover ist ja immer auch eine Hommage an den jeweiligen Künstler, wenngleich „Jeannie“ nicht unbedingt mein Lieblingsstück von Falco ist.
 Sepalot - "Chasing Clouds"

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Die Platte von Sepalot ist überwiegend instrumental gehalten. Wie gefällt dir das als Rapper?
Ich finde die Platte eigentlich cool, aber du hast das Problem bereits angesprochen: Mir fehlt da die Stimme. Die Platte ist aber super produziert. Sepalot hat sich anscheinend viel Mühe mit den Drums gegeben, die in jedem Stück anders klingen. Und das ist etwas, das mir bei vielen Produktionen häufig fehlt.  

Mit Instrumental-HipHop kannst du aber generell nicht so viel anfangen?
Nein, ich höre nur selten rein instrumentale Musik. Aber wie gesagt: Sepalot hat das trotzdem gut gemacht. Und bei dem einen oder anderen Sample, das er benutzt hat, hätte ich mir durchaus vorstellen können, es ebenfalls zu verwenden – wenn er mir damit nicht zuvor gekommen wäre. 

http://www.youtube.com/watch?v=TlzMT2REi0c 

Sepalot ist ja vor allem als DJ und Produzent vom Blumentopf bekannt. Hört man diese Basis auf der Platte heraus?
Man kann über Blumentopf als Band natürlich streiten, aber musikalisch fand ich die immer cool. Die haben ähnliche musikalische Wurzeln wie ich.  

Heutzutage haben viele HipHop-Produktionen einen elektronischen Anstrich, Sepalot hingegen hat eher klassischen BoomBap produziert. In der Presseinfo bezeichnet Sepalot seinen Sound als futuristischen Retro-Sound und BoomBap 2.0. Trifft es das deiner Meinung nach?
Ja, das kann man durchaus so sehen. Er benutzt alte Elemente als Grundlage, setzt aber immer wieder moderne Akzente, und diesen Ansatz finde ich gut. Allerdings wird das wahrscheinlich leider kommerziell nicht erfolgreich sein, dafür ist das zu speziell. Das ist Nischenmusik für Liebhaber.     Various Artists - "Early Rappers"  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Die Veröffentlichung von „Rappers Delight“ der Sugahill Gang von 1979 gilt für viele Leute als offizielle Geburtsstunde von Rap. Dessen Ursprünge liegen jedoch um einiges weiter zurück. Interessiert dich diese Spurensuche?
Ich finde das schon interessant, ja. Ich liebe auch diese Aha-Erlebnisse, wenn man alte Platten hört und darauf mitbekommt, dass auch früher schon mit Sprechgesang experimentiert wurde.  

Konnte dir der Sampler trotz der alten Songs von Leuten wie Cab Calloway, Bo Diddley und Chuck Berry noch etwas Neues näherbringen?
Klar, aber man hört darauf keine offensichtlichen Wurzeln von HipHop. Aus meiner Sicht sind das eher kleine Experimente mit Sprechgesang, die aber nicht unbedingt als Inspirationsquelle für das anzusehen sind, was man später Rap oder HipHop genannt hat.

Findest du es wichtig, dass man sich bei der Beschäftigung mit der HipHop-Kultur auch mit deren musikalischen Vorläufern beschäftigt?
Wichtig finde ich es nicht, aber es bietet natürlich die Chance, in der Vergangenheit spannende Dinge zu entdecken. Und das kann ein großes Glück sein.  

http://www.youtube.com/watch?v=XY1gtyzxAGw  

Auf dem Sampler sind auf zwei Stücken die Last Poets zu hören, die unlängst auch auf „The Corner“ von Common und einigen Nas-Stücken vertreten waren. Wie wichtig ist es, dass solche gestandenen Rapper wie Common oder Nas den Wegbereitern auf diese Weise ihren Respekt zollen und diese dadurch auch bei Jüngeren bekannt machen?
Ich sehe das nicht so dogmatisch und finde nicht, dass das ungemein wichtig ist. Da gibt es kein richtig oder falsch. Aber ich finde es immer gut, wenn man in der eigenen Musik Verweise darauf findet, was die Künstler zu ihren Songs inspiriert hat. Ich mag es, HipHop-Hörern durch ein Sample Musik näherzubringen, die mit HipHop eigentlich nichts zu tun hat. Wir haben mit Creutzfeld & Jakob zum Beispiel mal Jacques Brel gesamplet, und wenn sich unsere Hörer daraufhin mal mit dem beschäftigen, dann finde ich das cool. Das ist eben ehrlich, denn Musik entsteht ja nicht aus dem Nichts, sondern ist immer eine Fortführung dessen, was bereits vorher schon dagewesen ist. 

Auch in Deutschland gibt es ja solche Respektsbekundungen an frühe „Rapper“ außerhalb der HipHop-Kultur. Prinz Pi hat beispielsweise einige Male mit Frank Zander zusammengearbeitet, der bereits 1973 auf seinem Song „Nic-Nac-Man“ Sprechgesang eingesetzt hat. Ist das für dich auf Deutschland bezogen auch einer der Urväter von Rap?
Das ist vielleicht etwas weit hergeholt, dann kann man auch Leute wie Dieter Hallervorden anführen; das geht vielleicht ein bisschen zu weit. Aber irgendwo gibt es natürlich immer gewisse Vorreiter. Textlich gesehen gibt es in Deutschland insgesamt viele frühe Sachen, die wirklich gut sind – von Rap und Sprechgesang mal abgesehen. Ich finde auch Stücke des Niederländers Hermann van Veen textlich brillant.


 Flipstars Alltime-Album-Top-Five: 


 Redman - "Muddy Waters "
Ein Album, das ich auch heute noch von vorne bis hinten durchhöre. Redman war für mich eine der prägenden Stimmen in der Golden Era Mitte der 90er Jahre.  

Busta Rhymes - "The Coming "
Busta Rhymes erstes Soloalbum. Damsl der Inbegriff von Rap-Style. Diese Platte hat Creutzfeld & Jakob stark beeinflusst. 

 Lords Of The Underground - "Here Come The Lords "
Ein Alltime-Classic aus New Jersey; noch vor Beginn der Gangsta-Ära. Eine große Inspiration für vieles, was danach kam.  

The Fugees - "The Score "
Eines der Alben, an denen man sehen kann, wie extrem gut unterschiedliche Rapper miteinander harmonieren können. Eine große Kunst, wie sie die drei unterschiedlichen Stimmen und die drei unterschiedliche Styles zu einem Meisterwerk zusammengefügt haben. Wahrscheinlich eines der besten HipHop-Alben ever.  

RAG -  "Unter Tage"
 Auch aus aktuellem Anlass. Die Platte sticht textlich und musikalisch immer noch wahnsinnig heraus. Ich habe damals mit offenem Mund dagesessen und gehört, was die gerappt haben. Das war etwas völlig Neues. Ein unvergesslicher Meilenstein. 

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